Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite


und niemand die Art ihres Entstehens zu begreifen
vermochte.

Wie Johann van Eyck seine Farben bereitete,
mit welchen öligen oder vielleicht auch geistigen
Flüssigkeiten, davon konnte uns jezt, nach beinah
vier Jahrhunderten, keine Spur mehr übrig bleiben.
Gewiß ging auch im Lauf der Zeiten noch manches
andre geheime Verfahren der alten Meister, mancher
bedeutende, ihnen bekannt gewesene technische
Vortheil ihren Enkeln verloren; denn auch der
Unkundigste muß auf den ersten Blick bemerken,
wie sehr ihre Gemälde in technischer Hinsicht sich
von der neuern Ölmalerei unterscheiden. Die
Farbenpracht der Alten hat noch kein späterer Künstler
völlig erreichen können und eben so wenig die
bewundernswerthe Dauer ihrer Farben. Sie glänzen
noch jezt in unveränderter Frische wie damals da
sie von der Staffelei kamen, ohne nachgedunkelt zu
seyn. Unreines konnte zwar ihre Oberfläche ver-
schleiern, jedoch ohne darauf so zu haften, daß es
nicht dem sorgfältigen Bemühen kunstreicher Hände
hätte gelingen können, den entstellenden Schleier


und niemand die Art ihres Entſtehens zu begreifen
vermochte.

Wie Johann van Eyck ſeine Farben bereitete,
mit welchen öligen oder vielleicht auch geiſtigen
Flüſſigkeiten, davon konnte uns jezt, nach beinah
vier Jahrhunderten, keine Spur mehr übrig bleiben.
Gewiß ging auch im Lauf der Zeiten noch manches
andre geheime Verfahren der alten Meiſter, mancher
bedeutende, ihnen bekannt geweſene techniſche
Vortheil ihren Enkeln verloren; denn auch der
Unkundigſte muß auf den erſten Blick bemerken,
wie ſehr ihre Gemälde in techniſcher Hinſicht ſich
von der neuern Ölmalerei unterſcheiden. Die
Farbenpracht der Alten hat noch kein ſpäterer Künſtler
völlig erreichen können und eben ſo wenig die
bewundernswerthe Dauer ihrer Farben. Sie glänzen
noch jezt in unveränderter Friſche wie damals da
ſie von der Staffelei kamen, ohne nachgedunkelt zu
ſeyn. Unreines konnte zwar ihre Oberfläche ver-
ſchleiern, jedoch ohne darauf ſo zu haften, daß es
nicht dem ſorgfältigen Bemühen kunſtreicher Hände
hätte gelingen können, den entſtellenden Schleier

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0060" n="48"/><lb/>
und niemand die Art ihres Ent&#x017F;tehens zu begreifen<lb/>
vermochte.</p><lb/>
        <p>Wie Johann van Eyck &#x017F;eine Farben bereitete,<lb/>
mit welchen öligen oder vielleicht auch gei&#x017F;tigen<lb/>
Flü&#x017F;&#x017F;igkeiten, davon konnte uns jezt, nach beinah<lb/>
vier Jahrhunderten, keine Spur mehr übrig bleiben.<lb/>
Gewiß ging auch im Lauf der Zeiten noch manches<lb/>
andre geheime Verfahren der alten Mei&#x017F;ter, mancher<lb/>
bedeutende, ihnen bekannt gewe&#x017F;ene techni&#x017F;che<lb/>
Vortheil ihren Enkeln verloren; denn auch der<lb/>
Unkundig&#x017F;te muß auf den er&#x017F;ten Blick bemerken,<lb/>
wie &#x017F;ehr ihre Gemälde in techni&#x017F;cher Hin&#x017F;icht &#x017F;ich<lb/>
von der neuern Ölmalerei unter&#x017F;cheiden. Die<lb/>
Farbenpracht der Alten hat noch kein &#x017F;päterer Kün&#x017F;tler<lb/>
völlig erreichen können und eben &#x017F;o wenig die<lb/>
bewundernswerthe Dauer ihrer Farben. Sie glänzen<lb/>
noch jezt in unveränderter Fri&#x017F;che wie damals da<lb/>
&#x017F;ie von der Staffelei kamen, ohne nachgedunkelt zu<lb/>
&#x017F;eyn. Unreines konnte zwar ihre Oberfläche ver-<lb/>
&#x017F;chleiern, jedoch ohne darauf &#x017F;o zu haften, daß es<lb/>
nicht dem &#x017F;orgfältigen Bemühen kun&#x017F;treicher Hände<lb/>
hätte gelingen können, den ent&#x017F;tellenden Schleier<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0060] und niemand die Art ihres Entſtehens zu begreifen vermochte. Wie Johann van Eyck ſeine Farben bereitete, mit welchen öligen oder vielleicht auch geiſtigen Flüſſigkeiten, davon konnte uns jezt, nach beinah vier Jahrhunderten, keine Spur mehr übrig bleiben. Gewiß ging auch im Lauf der Zeiten noch manches andre geheime Verfahren der alten Meiſter, mancher bedeutende, ihnen bekannt geweſene techniſche Vortheil ihren Enkeln verloren; denn auch der Unkundigſte muß auf den erſten Blick bemerken, wie ſehr ihre Gemälde in techniſcher Hinſicht ſich von der neuern Ölmalerei unterſcheiden. Die Farbenpracht der Alten hat noch kein ſpäterer Künſtler völlig erreichen können und eben ſo wenig die bewundernswerthe Dauer ihrer Farben. Sie glänzen noch jezt in unveränderter Friſche wie damals da ſie von der Staffelei kamen, ohne nachgedunkelt zu ſeyn. Unreines konnte zwar ihre Oberfläche ver- ſchleiern, jedoch ohne darauf ſo zu haften, daß es nicht dem ſorgfältigen Bemühen kunſtreicher Hände hätte gelingen können, den entſtellenden Schleier

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/60
Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/60>, abgerufen am 18.12.2024.