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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

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Einsiedler herbei, zwischen Pinien und Orangen-
bäumen; Kräuter und Blumen, gleich denen auf der
vorigen Tafel, blühen und grünen unter ihren Füßen,
und auch hier liegen Perlen und farbige Juwelen in
Menge umhergestreut. Zwei schöne herrliche Greise
führen den Zug an, einer von ihnen hält den Rosen-
kranz in der Hand, ihnen folgen die würdigsten
edelsten Gestalten mit prächtigen langen Bärten;
doch auch hier mischt sich der Scherz dem Ernst bei,
denn einige Köpfe von ächt humoristischem Ausdruck
lauschen hie und dort einzeln hervor. Magdalena
mit dem Salbengefäß und neben ihr noch eine heilige
Frau beschließen im Hintergrunde den Zug.

Die Ausführung, besonders der Haare und
Bärte, so wie der so naturgetreue Ausdruck jedes
einzelnen Kopfes, ist höchst bewundernswerth. Von
allen diesen Tafeln läßt sich nur das über die Ge-
mälde des Künstlers in der Boisereeschen Sammlung
Gesagte wiederholen. Unerachtet der verschwen-
derisch überall verbreiteten Pracht der köstlichen
Stoffe, des Goldes und der Juwelen konnte ich
doch nirgend in diesen eine Spur wirklichen Metalls


Einſiedler herbei, zwiſchen Pinien und Orangen-
bäumen; Kräuter und Blumen, gleich denen auf der
vorigen Tafel, blühen und grünen unter ihren Füßen,
und auch hier liegen Perlen und farbige Juwelen in
Menge umhergeſtreut. Zwei ſchöne herrliche Greiſe
führen den Zug an, einer von ihnen hält den Roſen-
kranz in der Hand, ihnen folgen die würdigſten
edelſten Geſtalten mit prächtigen langen Bärten;
doch auch hier miſcht ſich der Scherz dem Ernſt bei,
denn einige Köpfe von ächt humoriſtiſchem Ausdruck
lauſchen hie und dort einzeln hervor. Magdalena
mit dem Salbengefäß und neben ihr noch eine heilige
Frau beſchließen im Hintergrunde den Zug.

Die Ausführung, beſonders der Haare und
Bärte, ſo wie der ſo naturgetreue Ausdruck jedes
einzelnen Kopfes, iſt höchſt bewundernswerth. Von
allen dieſen Tafeln läßt ſich nur das über die Ge-
mälde des Künſtlers in der Boiſeréeſchen Sammlung
Geſagte wiederholen. Unerachtet der verſchwen-
deriſch überall verbreiteten Pracht der köſtlichen
Stoffe, des Goldes und der Juwelen konnte ich
doch nirgend in dieſen eine Spur wirklichen Metalls

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[62/0074] Einſiedler herbei, zwiſchen Pinien und Orangen- bäumen; Kräuter und Blumen, gleich denen auf der vorigen Tafel, blühen und grünen unter ihren Füßen, und auch hier liegen Perlen und farbige Juwelen in Menge umhergeſtreut. Zwei ſchöne herrliche Greiſe führen den Zug an, einer von ihnen hält den Roſen- kranz in der Hand, ihnen folgen die würdigſten edelſten Geſtalten mit prächtigen langen Bärten; doch auch hier miſcht ſich der Scherz dem Ernſt bei, denn einige Köpfe von ächt humoriſtiſchem Ausdruck lauſchen hie und dort einzeln hervor. Magdalena mit dem Salbengefäß und neben ihr noch eine heilige Frau beſchließen im Hintergrunde den Zug. Die Ausführung, beſonders der Haare und Bärte, ſo wie der ſo naturgetreue Ausdruck jedes einzelnen Kopfes, iſt höchſt bewundernswerth. Von allen dieſen Tafeln läßt ſich nur das über die Ge- mälde des Künſtlers in der Boiſeréeſchen Sammlung Geſagte wiederholen. Unerachtet der verſchwen- deriſch überall verbreiteten Pracht der köſtlichen Stoffe, des Goldes und der Juwelen konnte ich doch nirgend in dieſen eine Spur wirklichen Metalls

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/74>, abgerufen am 21.11.2024.