Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite


Lehrer seiner Jugend, den treuen Gehülfen seiner
Arbeit, den Mitgenossen seines Ruhms. Er steht
mit zum Gebet erhobnen Händen; leider hat das
Bild mehr als die übrigen von der Gewalt der
Zeit gelitten, die Züge des Gesichts sind nicht
ganz deutlich erhalten, aber so wie es ist, zieht
es durch Adel und Geist in Stellung und Form
unwiderstehlich an. Ein rothes Gewand, bei übriger
Farblosigkeit, zeichnet dieses Bild sonderbar aus.

Auf der fünften Tafel steht Johannes der
Evangelist, mit seinem Attribut, dem Kelch, aus
welchem eine Schlange emporsteigt; auf der sechsten
endlich erblickt man eine Frau in der Fest-Tracht
der damaligen Zeit. Auch sie steht in betender
Stellung wie Hubert; man gibt diese, leider
ebenfalls sehr verblichene Gestalt, für die Gattin
eines der beiden Brüder van Eyck aus, ich aber
möchte sie lieber für ihre Schwester, die zu ihrer
Zeit berühmte jungfräuliche Künstlerin Margarethe
halten, besonders da, so viel ich weiß, nirgend
der Verheirathung Johannis oder Huberts erwähnt
wird.

5


Lehrer ſeiner Jugend, den treuen Gehülfen ſeiner
Arbeit, den Mitgenoſſen ſeines Ruhms. Er ſteht
mit zum Gebet erhobnen Händen; leider hat das
Bild mehr als die übrigen von der Gewalt der
Zeit gelitten, die Züge des Geſichts ſind nicht
ganz deutlich erhalten, aber ſo wie es iſt, zieht
es durch Adel und Geiſt in Stellung und Form
unwiderſtehlich an. Ein rothes Gewand, bei übriger
Farbloſigkeit, zeichnet dieſes Bild ſonderbar aus.

Auf der fünften Tafel ſteht Johannes der
Evangeliſt, mit ſeinem Attribut, dem Kelch, aus
welchem eine Schlange emporſteigt; auf der ſechſten
endlich erblickt man eine Frau in der Feſt-Tracht
der damaligen Zeit. Auch ſie ſteht in betender
Stellung wie Hubert; man gibt dieſe, leider
ebenfalls ſehr verblichene Geſtalt, für die Gattin
eines der beiden Brüder van Eyck aus, ich aber
möchte ſie lieber für ihre Schweſter, die zu ihrer
Zeit berühmte jungfräuliche Künſtlerin Margarethe
halten, beſonders da, ſo viel ich weiß, nirgend
der Verheirathung Johannis oder Huberts erwähnt
wird.

5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0077" n="65"/><lb/>
Lehrer &#x017F;einer Jugend, den treuen Gehülfen &#x017F;einer<lb/>
Arbeit, den Mitgeno&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eines Ruhms. Er &#x017F;teht<lb/>
mit zum Gebet erhobnen Händen; leider hat das<lb/>
Bild mehr als die übrigen von der Gewalt der<lb/>
Zeit gelitten, die Züge des Ge&#x017F;ichts &#x017F;ind nicht<lb/>
ganz deutlich erhalten, aber &#x017F;o wie es i&#x017F;t, zieht<lb/>
es durch Adel und Gei&#x017F;t in Stellung und Form<lb/>
unwider&#x017F;tehlich an. Ein rothes Gewand, bei übriger<lb/>
Farblo&#x017F;igkeit, zeichnet die&#x017F;es Bild &#x017F;onderbar aus.</p><lb/>
        <p>Auf der fünften Tafel &#x017F;teht Johannes der<lb/>
Evangeli&#x017F;t, mit &#x017F;einem Attribut, dem Kelch, aus<lb/>
welchem eine Schlange empor&#x017F;teigt; auf der &#x017F;ech&#x017F;ten<lb/>
endlich erblickt man eine Frau in der Fe&#x017F;t-Tracht<lb/>
der damaligen Zeit. Auch &#x017F;ie &#x017F;teht in betender<lb/>
Stellung wie Hubert; man gibt die&#x017F;e, leider<lb/>
ebenfalls &#x017F;ehr verblichene Ge&#x017F;talt, für die Gattin<lb/>
eines der beiden Brüder van Eyck aus, ich aber<lb/>
möchte &#x017F;ie lieber für ihre Schwe&#x017F;ter, die zu ihrer<lb/>
Zeit berühmte jungfräuliche Kün&#x017F;tlerin Margarethe<lb/>
halten, be&#x017F;onders da, &#x017F;o viel ich weiß, nirgend<lb/>
der Verheirathung Johannis oder Huberts erwähnt<lb/>
wird.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">5</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0077] Lehrer ſeiner Jugend, den treuen Gehülfen ſeiner Arbeit, den Mitgenoſſen ſeines Ruhms. Er ſteht mit zum Gebet erhobnen Händen; leider hat das Bild mehr als die übrigen von der Gewalt der Zeit gelitten, die Züge des Geſichts ſind nicht ganz deutlich erhalten, aber ſo wie es iſt, zieht es durch Adel und Geiſt in Stellung und Form unwiderſtehlich an. Ein rothes Gewand, bei übriger Farbloſigkeit, zeichnet dieſes Bild ſonderbar aus. Auf der fünften Tafel ſteht Johannes der Evangeliſt, mit ſeinem Attribut, dem Kelch, aus welchem eine Schlange emporſteigt; auf der ſechſten endlich erblickt man eine Frau in der Feſt-Tracht der damaligen Zeit. Auch ſie ſteht in betender Stellung wie Hubert; man gibt dieſe, leider ebenfalls ſehr verblichene Geſtalt, für die Gattin eines der beiden Brüder van Eyck aus, ich aber möchte ſie lieber für ihre Schweſter, die zu ihrer Zeit berühmte jungfräuliche Künſtlerin Margarethe halten, beſonders da, ſo viel ich weiß, nirgend der Verheirathung Johannis oder Huberts erwähnt wird. 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/77
Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/77>, abgerufen am 24.11.2024.