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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822.

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dieses geht in der Entfernung vor, doch im Vor-
grunde, am Saum eines wunderschönen Waldes
sitzt Maria im Schatten herrlicher Bäume, mit
dem Ausdruck himmlischer Ruhe und süßer Mut-
terfreude. Jhr Blick ruht auf dem schönen Kinde
in ihrem Arm, das liebevoll zu ihr hinauf sieht,
und keine Ahnung der Schrecken, denen sie ent-
gangen ist, trübt ihren Sinn. Ein kleiner Quell
rieselt seitwärts den Felsen herab, Joseph tritt aus
dem Gebüsch hervor, wo er den fernern Weg er-
forschte, und im kühlen Walde graset das treue
Thier, welches Mutter und Kind sicher hieher trug.
Die Ausführung der Kräuter im Vorgrund, der
Blumen, des Weizenfeldes mit seinen Klatschrosen
und blauen Cyanen kann man sich nicht vollen-
deter denken. Das ganze Bild macht einen unbe-
schreiblich anmuthigen Eindruck, denn jene Schrek-
kensscenen bei aller ihrer Wahrheit sind zu fern, um
diesen zu stören. Man sieht die schöne Mutter mit
dem Kinde, man freut sich, sie hier im sichern
Schatten ruhig zu wissen, und vergißt darüber unwill-
kührlich den Blick weiterhin in die Ferne zu wenden.

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dieſes geht in der Entfernung vor, doch im Vor-
grunde, am Saum eines wunderſchönen Waldes
ſitzt Maria im Schatten herrlicher Bäume, mit
dem Ausdruck himmliſcher Ruhe und ſüßer Mut-
terfreude. Jhr Blick ruht auf dem ſchönen Kinde
in ihrem Arm, das liebevoll zu ihr hinauf ſieht,
und keine Ahnung der Schrecken, denen ſie ent-
gangen iſt, trübt ihren Sinn. Ein kleiner Quell
rieſelt ſeitwärts den Felſen herab, Joſeph tritt aus
dem Gebüſch hervor, wo er den fernern Weg er-
forſchte, und im kühlen Walde graſet das treue
Thier, welches Mutter und Kind ſicher hieher trug.
Die Ausführung der Kräuter im Vorgrund, der
Blumen, des Weizenfeldes mit ſeinen Klatſchroſen
und blauen Cyanen kann man ſich nicht vollen-
deter denken. Das ganze Bild macht einen unbe-
ſchreiblich anmuthigen Eindruck, denn jene Schrek-
kensſcenen bei aller ihrer Wahrheit ſind zu fern, um
dieſen zu ſtören. Man ſieht die ſchöne Mutter mit
dem Kinde, man freut ſich, ſie hier im ſichern
Schatten ruhig zu wiſſen, und vergißt darüber unwill-
kührlich den Blick weiterhin in die Ferne zu wenden.

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[83/0093] dieſes geht in der Entfernung vor, doch im Vor- grunde, am Saum eines wunderſchönen Waldes ſitzt Maria im Schatten herrlicher Bäume, mit dem Ausdruck himmliſcher Ruhe und ſüßer Mut- terfreude. Jhr Blick ruht auf dem ſchönen Kinde in ihrem Arm, das liebevoll zu ihr hinauf ſieht, und keine Ahnung der Schrecken, denen ſie ent- gangen iſt, trübt ihren Sinn. Ein kleiner Quell rieſelt ſeitwärts den Felſen herab, Joſeph tritt aus dem Gebüſch hervor, wo er den fernern Weg er- forſchte, und im kühlen Walde graſet das treue Thier, welches Mutter und Kind ſicher hieher trug. Die Ausführung der Kräuter im Vorgrund, der Blumen, des Weizenfeldes mit ſeinen Klatſchroſen und blauen Cyanen kann man ſich nicht vollen- deter denken. Das ganze Bild macht einen unbe- ſchreiblich anmuthigen Eindruck, denn jene Schrek- kensſcenen bei aller ihrer Wahrheit ſind zu fern, um dieſen zu ſtören. Man ſieht die ſchöne Mutter mit dem Kinde, man freut ſich, ſie hier im ſichern Schatten ruhig zu wiſſen, und vergißt darüber unwill- kührlich den Blick weiterhin in die Ferne zu wenden. 6 *

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/93>, abgerufen am 24.11.2024.