Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

Grade widerwärtig, ein unverzeihliches Verbrechen seyn,
und der Gedanke, selbst einmal alt werden, ihre jetzt
so frischen Reize hinschwinden sehen zu müssen, hatte
für sie fast noch mehr Erschreckendes, als der an
den Tod.

Als daher Arnold zum Frühstück erschien, wurde
er von Marien auf eine Weise empfangen, daß ihm
kein Zweifel darüber bleiben konnte, daß sie auf seine
Eroberung ausgehe, und da sein Herz völlig kalt war
und er das Gewebe, womit man ihn zu umhüllen
strebte, durchschaute, suchte und fand er eine ange-
nehme Unterhaltung in dem Spiele mit der Gefall-
süchtigen, die ihrerseits keine Ahnung davon hatte,
daß sie ihm nur dazu diente, und die an sie gerich-
teten Galanterien des jungen Mannes für baare
Münze nahm.

Die schöne Jahreszeit lockte Beide oft in den
Garten hinab und dies gab dem alten John Adams,
der darin arbeitete, vielfältig Gelegenheit, sich über
sie zu ärgern. Er haßte seinen Hausgenossen aus
voller Seele, einmal, weil er es ihm nicht verzeihen
konnte, daß er sich nicht zum Mormonismus bekannte,
dann aber auch, weil der junge Deutsche seine Ab-
neigung gegen ihn durchaus nicht verhehlte. Welchen
Jngrimm mußte es daher nicht in ihm erwecken, wenn
er die vermeinte Tochter des Propheten, das schönste

Grade widerwärtig, ein unverzeihliches Verbrechen ſeyn,
und der Gedanke, ſelbſt einmal alt werden, ihre jetzt
ſo friſchen Reize hinſchwinden ſehen zu müſſen, hatte
für ſie faſt noch mehr Erſchreckendes, als der an
den Tod.

Als daher Arnold zum Frühſtück erſchien, wurde
er von Marien auf eine Weiſe empfangen, daß ihm
kein Zweifel darüber bleiben konnte, daß ſie auf ſeine
Eroberung ausgehe, und da ſein Herz völlig kalt war
und er das Gewebe, womit man ihn zu umhüllen
ſtrebte, durchſchaute, ſuchte und fand er eine ange-
nehme Unterhaltung in dem Spiele mit der Gefall-
ſüchtigen, die ihrerſeits keine Ahnung davon hatte,
daß ſie ihm nur dazu diente, und die an ſie gerich-
teten Galanterien des jungen Mannes für baare
Münze nahm.

Die ſchöne Jahreszeit lockte Beide oft in den
Garten hinab und dies gab dem alten John Adams,
der darin arbeitete, vielfältig Gelegenheit, ſich über
ſie zu ärgern. Er haßte ſeinen Hausgenoſſen aus
voller Seele, einmal, weil er es ihm nicht verzeihen
konnte, daß er ſich nicht zum Mormonismus bekannte,
dann aber auch, weil der junge Deutſche ſeine Ab-
neigung gegen ihn durchaus nicht verhehlte. Welchen
Jngrimm mußte es daher nicht in ihm erwecken, wenn
er die vermeinte Tochter des Propheten, das ſchönſte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0157" n="149"/>
Grade widerwärtig, ein unverzeihliches Verbrechen &#x017F;eyn,<lb/>
und der Gedanke, &#x017F;elb&#x017F;t einmal alt werden, ihre jetzt<lb/>
&#x017F;o fri&#x017F;chen Reize hin&#x017F;chwinden &#x017F;ehen zu mü&#x017F;&#x017F;en, hatte<lb/>
für &#x017F;ie fa&#x017F;t noch mehr Er&#x017F;chreckendes, als der an<lb/>
den Tod.</p><lb/>
        <p>Als daher Arnold zum Früh&#x017F;tück er&#x017F;chien, wurde<lb/>
er von Marien auf eine Wei&#x017F;e empfangen, daß ihm<lb/>
kein Zweifel darüber bleiben konnte, daß &#x017F;ie auf &#x017F;eine<lb/>
Eroberung ausgehe, und da &#x017F;ein Herz völlig kalt war<lb/>
und er das Gewebe, womit man ihn zu umhüllen<lb/>
&#x017F;trebte, durch&#x017F;chaute, &#x017F;uchte und fand er eine ange-<lb/>
nehme Unterhaltung in dem Spiele mit der Gefall-<lb/>
&#x017F;üchtigen, die ihrer&#x017F;eits keine Ahnung davon hatte,<lb/>
daß &#x017F;ie ihm nur dazu diente, und die an &#x017F;ie gerich-<lb/>
teten Galanterien des jungen Mannes für baare<lb/>
Münze nahm.</p><lb/>
        <p>Die &#x017F;chöne Jahreszeit lockte Beide oft in den<lb/>
Garten hinab und dies gab dem alten John Adams,<lb/>
der darin arbeitete, vielfältig Gelegenheit, &#x017F;ich über<lb/>
&#x017F;ie zu ärgern. Er haßte &#x017F;einen Hausgeno&#x017F;&#x017F;en aus<lb/>
voller Seele, einmal, weil er es ihm nicht verzeihen<lb/>
konnte, daß er &#x017F;ich nicht zum Mormonismus bekannte,<lb/>
dann aber auch, weil der junge Deut&#x017F;che &#x017F;eine Ab-<lb/>
neigung gegen ihn durchaus nicht verhehlte. Welchen<lb/>
Jngrimm mußte es daher nicht in ihm erwecken, wenn<lb/>
er die vermeinte Tochter des Propheten, das &#x017F;chön&#x017F;te<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0157] Grade widerwärtig, ein unverzeihliches Verbrechen ſeyn, und der Gedanke, ſelbſt einmal alt werden, ihre jetzt ſo friſchen Reize hinſchwinden ſehen zu müſſen, hatte für ſie faſt noch mehr Erſchreckendes, als der an den Tod. Als daher Arnold zum Frühſtück erſchien, wurde er von Marien auf eine Weiſe empfangen, daß ihm kein Zweifel darüber bleiben konnte, daß ſie auf ſeine Eroberung ausgehe, und da ſein Herz völlig kalt war und er das Gewebe, womit man ihn zu umhüllen ſtrebte, durchſchaute, ſuchte und fand er eine ange- nehme Unterhaltung in dem Spiele mit der Gefall- ſüchtigen, die ihrerſeits keine Ahnung davon hatte, daß ſie ihm nur dazu diente, und die an ſie gerich- teten Galanterien des jungen Mannes für baare Münze nahm. Die ſchöne Jahreszeit lockte Beide oft in den Garten hinab und dies gab dem alten John Adams, der darin arbeitete, vielfältig Gelegenheit, ſich über ſie zu ärgern. Er haßte ſeinen Hausgenoſſen aus voller Seele, einmal, weil er es ihm nicht verzeihen konnte, daß er ſich nicht zum Mormonismus bekannte, dann aber auch, weil der junge Deutſche ſeine Ab- neigung gegen ihn durchaus nicht verhehlte. Welchen Jngrimm mußte es daher nicht in ihm erwecken, wenn er die vermeinte Tochter des Propheten, das ſchönſte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/157
Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/157>, abgerufen am 04.12.2024.