Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

gab ihm bei ihnen ein Uebergewicht, ein ganz beson-
deres Ansehen, das noch dadurch vermehrt wurde,
daß Arnold sich einige medicinische Kenntnisse erwor-
ben hatte, von denen er bei vorkommenden Fällen zu
ihrem Vortheile Gebrauch machte und die durch einen
glücklichen Zufall und die unverdorbene Natur der
Wilden mit Erfolg gekrönt wurden.

Seine große Wißbegierde trieb ihn an, sich nach
Allem zu erkundigen, was auf das Leben, die Sitten
und Gebräuche seiner wilden Freunde Bezug hatte; so
war er bald so darin eingeweiht, als sei er unter
ihnen aufgewachsen, und da er sich nie über irgend
Etwas mißfällig äußerte, noch weniger aber darüber
spottete, stand man nicht an, ihm Alles mitzutheilen,
was er nur irgend zu wissen wünschte.

Er sammelte eine Menge ihrer oft hochpoetischen
Sagen ein und man machte ihn gern mit allen den
Traditionen bekannt, die im Volke umgingen und aus
denen er auf den Ursprung desselben, der offenbar in
Asien wurzelte, schließen konnte. Dies beschäftigte
Arnolden auf die angenehmste und anregendste Weise;
als er aber Alles wußte und man ihm nichts Neues
mehr mittheilen konnte, sehnte er sich wieder in die
Civilisation zurück, wo, wie er wußte, seinem ewig
nach Nahrung dürstenden Geiste dieselbe geboten wer-
den würde.

gab ihm bei ihnen ein Uebergewicht, ein ganz beſon-
deres Anſehen, das noch dadurch vermehrt wurde,
daß Arnold ſich einige mediciniſche Kenntniſſe erwor-
ben hatte, von denen er bei vorkommenden Fällen zu
ihrem Vortheile Gebrauch machte und die durch einen
glücklichen Zufall und die unverdorbene Natur der
Wilden mit Erfolg gekrönt wurden.

Seine große Wißbegierde trieb ihn an, ſich nach
Allem zu erkundigen, was auf das Leben, die Sitten
und Gebräuche ſeiner wilden Freunde Bezug hatte; ſo
war er bald ſo darin eingeweiht, als ſei er unter
ihnen aufgewachſen, und da er ſich nie über irgend
Etwas mißfällig äußerte, noch weniger aber darüber
ſpottete, ſtand man nicht an, ihm Alles mitzutheilen,
was er nur irgend zu wiſſen wünſchte.

Er ſammelte eine Menge ihrer oft hochpoetiſchen
Sagen ein und man machte ihn gern mit allen den
Traditionen bekannt, die im Volke umgingen und aus
denen er auf den Urſprung deſſelben, der offenbar in
Aſien wurzelte, ſchließen konnte. Dies beſchäftigte
Arnolden auf die angenehmſte und anregendſte Weiſe;
als er aber Alles wußte und man ihm nichts Neues
mehr mittheilen konnte, ſehnte er ſich wieder in die
Civiliſation zurück, wo, wie er wußte, ſeinem ewig
nach Nahrung dürſtenden Geiſte dieſelbe geboten wer-
den würde.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0065" n="57"/>
gab ihm bei ihnen ein Uebergewicht, ein ganz be&#x017F;on-<lb/>
deres An&#x017F;ehen, das noch dadurch vermehrt wurde,<lb/>
daß Arnold &#x017F;ich einige medicini&#x017F;che Kenntni&#x017F;&#x017F;e erwor-<lb/>
ben hatte, von denen er bei vorkommenden Fällen zu<lb/>
ihrem Vortheile Gebrauch machte und die durch einen<lb/>
glücklichen Zufall und die unverdorbene Natur der<lb/>
Wilden mit Erfolg gekrönt wurden.</p><lb/>
        <p>Seine große Wißbegierde trieb ihn an, &#x017F;ich nach<lb/>
Allem zu erkundigen, was auf das Leben, die Sitten<lb/>
und Gebräuche &#x017F;einer wilden Freunde Bezug hatte; &#x017F;o<lb/>
war er bald &#x017F;o darin eingeweiht, als &#x017F;ei er unter<lb/>
ihnen aufgewach&#x017F;en, und da er &#x017F;ich nie über irgend<lb/>
Etwas mißfällig äußerte, noch weniger aber darüber<lb/>
&#x017F;pottete, &#x017F;tand man nicht an, ihm Alles mitzutheilen,<lb/>
was er nur irgend zu wi&#x017F;&#x017F;en wün&#x017F;chte.</p><lb/>
        <p>Er &#x017F;ammelte eine Menge ihrer oft hochpoeti&#x017F;chen<lb/>
Sagen ein und man machte ihn gern mit allen den<lb/>
Traditionen bekannt, die im Volke umgingen und aus<lb/>
denen er auf den Ur&#x017F;prung de&#x017F;&#x017F;elben, der offenbar in<lb/>
A&#x017F;ien wurzelte, &#x017F;chließen konnte. Dies be&#x017F;chäftigte<lb/>
Arnolden auf die angenehm&#x017F;te und anregend&#x017F;te Wei&#x017F;e;<lb/>
als er aber Alles wußte und man ihm nichts Neues<lb/>
mehr mittheilen konnte, &#x017F;ehnte er &#x017F;ich wieder in die<lb/>
Civili&#x017F;ation zurück, wo, wie er wußte, &#x017F;einem ewig<lb/>
nach Nahrung dür&#x017F;tenden Gei&#x017F;te die&#x017F;elbe geboten wer-<lb/>
den würde.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0065] gab ihm bei ihnen ein Uebergewicht, ein ganz beſon- deres Anſehen, das noch dadurch vermehrt wurde, daß Arnold ſich einige mediciniſche Kenntniſſe erwor- ben hatte, von denen er bei vorkommenden Fällen zu ihrem Vortheile Gebrauch machte und die durch einen glücklichen Zufall und die unverdorbene Natur der Wilden mit Erfolg gekrönt wurden. Seine große Wißbegierde trieb ihn an, ſich nach Allem zu erkundigen, was auf das Leben, die Sitten und Gebräuche ſeiner wilden Freunde Bezug hatte; ſo war er bald ſo darin eingeweiht, als ſei er unter ihnen aufgewachſen, und da er ſich nie über irgend Etwas mißfällig äußerte, noch weniger aber darüber ſpottete, ſtand man nicht an, ihm Alles mitzutheilen, was er nur irgend zu wiſſen wünſchte. Er ſammelte eine Menge ihrer oft hochpoetiſchen Sagen ein und man machte ihn gern mit allen den Traditionen bekannt, die im Volke umgingen und aus denen er auf den Urſprung deſſelben, der offenbar in Aſien wurzelte, ſchließen konnte. Dies beſchäftigte Arnolden auf die angenehmſte und anregendſte Weiſe; als er aber Alles wußte und man ihm nichts Neues mehr mittheilen konnte, ſehnte er ſich wieder in die Civiliſation zurück, wo, wie er wußte, ſeinem ewig nach Nahrung dürſtenden Geiſte dieſelbe geboten wer- den würde.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/65
Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/65>, abgerufen am 16.05.2024.