Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.Thau fiel sie auf nieder und machte ihre leichte Beklei- Als sie aus diesem Zustande erwachte, erblickte Thau fiel ſie auf nieder und machte ihre leichte Beklei- Als ſie aus dieſem Zuſtande erwachte, erblickte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0198" n="192"/> Thau fiel ſie auf nieder und machte ihre leichte Beklei-<lb/> dung ſo feucht, als ob ſie aus dem Waſſer gezogen<lb/> wäre, und während in Folge des Durſtes ihr Jnneres<lb/> vom Brande verzehrt wurde, zitterten ihre zarten<lb/> Glieder vor Froſt. Jeder Ton, jeder Laut, jegliches<lb/> Säuſeln der Nachtluft in den hohen Gräſern er-<lb/> ſchreckte ſie und die aufgeregte Phantaſie malte ihr<lb/> die ſchauderhafteſten Bilder vor: ſie glaubte den Ra-<lb/> chen eines Raubthieres ſchon geöffnet vor ſich zu ſe-<lb/> hen, den Hauch deſſelben zu fühlen; ſie wähnte jeden<lb/> Augenblick, dies ſei ihr letzter und dieſe Angſt, dieſe<lb/> beſtändige Furcht riefen endlich ein Fieber in ihr her-<lb/> vor, das ſie bald völlig unempfindlich gegen die ſie<lb/> umgebenden Schreckniſſe machte, indem es ſie der Be-<lb/> ſinnung gänzlich beraubte.</p><lb/> <p>Als ſie aus dieſem Zuſtande erwachte, erblickte<lb/> ſie ſich auf einem zwar ärmlichen, aber reinlichen La-<lb/> ger in einer ihr gänzlich unbekannten Umgebung. An<lb/> einem großen und plump gearbeiteten Tiſche von Fich-<lb/> tenholz faſt ein junges Weib, das einem Säuglinge<lb/> die Mutterbruſt reichte; ein Knabe von vier bis fünf<lb/> Jahren ſtand neben ihr und breitete bunte Steinchen,<lb/> Schneckengehäuſe u. dergl. m. auf ihrem Schooße aus,<lb/> wobei er in einer Marien fremden Sprache, die ſie<lb/> aber für die deutſche hielt, weil viele Worte Aehnlich-<lb/> keit mit der engliſchen hatten, mit der Mutter redete.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [192/0198]
Thau fiel ſie auf nieder und machte ihre leichte Beklei-
dung ſo feucht, als ob ſie aus dem Waſſer gezogen
wäre, und während in Folge des Durſtes ihr Jnneres
vom Brande verzehrt wurde, zitterten ihre zarten
Glieder vor Froſt. Jeder Ton, jeder Laut, jegliches
Säuſeln der Nachtluft in den hohen Gräſern er-
ſchreckte ſie und die aufgeregte Phantaſie malte ihr
die ſchauderhafteſten Bilder vor: ſie glaubte den Ra-
chen eines Raubthieres ſchon geöffnet vor ſich zu ſe-
hen, den Hauch deſſelben zu fühlen; ſie wähnte jeden
Augenblick, dies ſei ihr letzter und dieſe Angſt, dieſe
beſtändige Furcht riefen endlich ein Fieber in ihr her-
vor, das ſie bald völlig unempfindlich gegen die ſie
umgebenden Schreckniſſe machte, indem es ſie der Be-
ſinnung gänzlich beraubte.
Als ſie aus dieſem Zuſtande erwachte, erblickte
ſie ſich auf einem zwar ärmlichen, aber reinlichen La-
ger in einer ihr gänzlich unbekannten Umgebung. An
einem großen und plump gearbeiteten Tiſche von Fich-
tenholz faſt ein junges Weib, das einem Säuglinge
die Mutterbruſt reichte; ein Knabe von vier bis fünf
Jahren ſtand neben ihr und breitete bunte Steinchen,
Schneckengehäuſe u. dergl. m. auf ihrem Schooße aus,
wobei er in einer Marien fremden Sprache, die ſie
aber für die deutſche hielt, weil viele Worte Aehnlich-
keit mit der engliſchen hatten, mit der Mutter redete.
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