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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.

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Erstes Kapitel.


Das erste Geschäft Arnolds, als er wieder in
seiner Wohnung angekommen, war, Dina's Papiere
einzusiegeln und an einem sichern Orte aufzubewahren.

Er athmete erst wieder auf, als er sich dem bis-
herigen Zwange entrissen und allein in seinem Zimmer
sah; denn sein Verhältniß zu Marien war ihm, je
länger es gedauert, um so unerträglicher geworden.
Daß sie ihn liebte, sich ihm mit voller Seele hin-
gegeben, daran hatte ihm kein Zweifel mehr bleiben
können, auch gab sie sich nicht einmal die Mühe, es
vor ihm zu verbergen, da sie seine Schüchternheit be-
siegen zu müssen glaubte, um an das Ziel ihrer Wün-
sche zu gelangen; denn daß ein Mann, und oben-
drein ein junger, ihren Reizen gegenüber kalt bleiben
könne, gegen diese Annahme sträubte sich ihre Eitel-
keit. Dieses Entgegenkommen Mariens mußte aber
nothwendig etwas Peinliches für einen Mann von
Zartgefühl haben und hätte sein Herz, wie es einmal

II. 1
Erſtes Kapitel.


Das erſte Geſchäft Arnolds, als er wieder in
ſeiner Wohnung angekommen, war, Dina’s Papiere
einzuſiegeln und an einem ſichern Orte aufzubewahren.

Er athmete erſt wieder auf, als er ſich dem bis-
herigen Zwange entriſſen und allein in ſeinem Zimmer
ſah; denn ſein Verhältniß zu Marien war ihm, je
länger es gedauert, um ſo unerträglicher geworden.
Daß ſie ihn liebte, ſich ihm mit voller Seele hin-
gegeben, daran hatte ihm kein Zweifel mehr bleiben
können, auch gab ſie ſich nicht einmal die Mühe, es
vor ihm zu verbergen, da ſie ſeine Schüchternheit be-
ſiegen zu müſſen glaubte, um an das Ziel ihrer Wün-
ſche zu gelangen; denn daß ein Mann, und oben-
drein ein junger, ihren Reizen gegenüber kalt bleiben
könne, gegen dieſe Annahme ſträubte ſich ihre Eitel-
keit. Dieſes Entgegenkommen Mariens mußte aber
nothwendig etwas Peinliches für einen Mann von
Zartgefühl haben und hätte ſein Herz, wie es einmal

II. 1
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[[1]/0007] Erſtes Kapitel. Das erſte Geſchäft Arnolds, als er wieder in ſeiner Wohnung angekommen, war, Dina’s Papiere einzuſiegeln und an einem ſichern Orte aufzubewahren. Er athmete erſt wieder auf, als er ſich dem bis- herigen Zwange entriſſen und allein in ſeinem Zimmer ſah; denn ſein Verhältniß zu Marien war ihm, je länger es gedauert, um ſo unerträglicher geworden. Daß ſie ihn liebte, ſich ihm mit voller Seele hin- gegeben, daran hatte ihm kein Zweifel mehr bleiben können, auch gab ſie ſich nicht einmal die Mühe, es vor ihm zu verbergen, da ſie ſeine Schüchternheit be- ſiegen zu müſſen glaubte, um an das Ziel ihrer Wün- ſche zu gelangen; denn daß ein Mann, und oben- drein ein junger, ihren Reizen gegenüber kalt bleiben könne, gegen dieſe Annahme ſträubte ſich ihre Eitel- keit. Dieſes Entgegenkommen Mariens mußte aber nothwendig etwas Peinliches für einen Mann von Zartgefühl haben und hätte ſein Herz, wie es einmal II. 1

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/7>, abgerufen am 21.11.2024.