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Schottel, Justus Georg: Grausame Beschreibung und Vorstellung Der Hölle Und der Höllischen Qwal . Wolfenbüttel, 1676.

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Nachdenkliche Beschreibung
cessabit unquam durare. Hoc, inquam, attentius
considerandum, & velut cibus ruminandum: Cibus
etsi pretiosus & salubris, si non teratur dentibus &
digeratur, venenum est, non alimentum; omnis ge-
neris morbos creat, haeret aliquandiu in corpore, sed
nil boni succi generat. Ita prorsus salubres sunt &
sanctae cogitationes de morte, de judicio, de caelo, de
inferis, longe autem saluberrima est de aeternitate
quae merito dici potest, quinta essentia: Sed haec ve-
luti pretiosus cibus, non ingerenda tantum sed & di-
gerenda
.



Beschau nur eins und betrachte ein wenig/ du ei-
telsüchtiger lüsterner Mensch/ diesen allhier vorgestel-
ten/ auf Spinnweben tantzenden/ und in Lust/
Gier/ Hofart
und Rach verblendeten und verwikle-
ten Menschen! Er helt seinen Spinnweben Grund für
lauter eiserne Quaderstükke/ auf welche er alle seine be-
trügliche Hofnung verwindschläget: Durch das Au-
genblikk seines ruchlosen sicher-seins sinket er in den
ewigen Abgrund der erschreklichsten Höllengluet; in
dem er sich selbst blendet und erlustiget durch den Anblikk
eines mordgierigen Degens/ eines zum Saufreitzenden
Glases/ eines Geldgeitzigen Beutels/ eines brüsten-
den Pfauen Schwantzes/ eines begierlokkenden Lust-
Spiegels.

Denkestu aber/ dieser auf solchen Spinnweben-
Grund tantzender Kerl mag wol ein Ertz Narr sein/
der sich auf eine solche grausame Gefahr dahin stellen
darf; Wol und recht! aber eben du stekkest mitten in
solcher Ertz Narrheit/ und tantzest auch/ machest dich lu-
lig und mausig/ auf solchem Spinnweben Netze über
der wütenden Höllengluet/ der du sicher/ so lüstern/ so
eigensinnig/ so Glaubens- und Liebeloß hinlebest

in

Nachdenkliche Beſchreibung
ceſſabit unquam durare. Hoc, inquam, attentius
conſiderandum, & velut cibus ruminandum: Cibus
etſi pretioſus & ſalubris, ſi non teratur dentibus &
digeratur, venenum eſt, non alimentum; omnis ge-
neris morbos creat, hæret aliquandiu in corpore, ſed
nil boni ſucci generat. Ita prorſus ſalubres ſunt &
ſanctæ cogitationes de morte, de judicio, de cælo, de
inferis, longe autem ſaluberrima eſt de æternitate
quæ meritò dici poteſt, quinta eſſentia: Sed hæc ve-
luti pretioſus cibus, non ingerenda tantum ſed & di-
gerenda
.



Beſchau nur eins und betrachte ein wenig/ du ei-
telſuͤchtiger luͤſterner Menſch/ dieſen allhier vorgeſtel-
ten/ auf Spinnweben tantzenden/ und in Luſt/
Gier/ Hofart
und Rach verblendeten und verwikle-
ten Menſchen! Er helt ſeinen Spinnweben Grund fuͤr
lauter eiſerne Quaderſtuͤkke/ auf welche er alle ſeine be-
truͤgliche Hofnung verwindſchlaͤget: Durch das Au-
genblikk ſeines ruchloſen ſicher-ſeins ſinket er in den
ewigen Abgrund der erſchreklichſten Hoͤllengluet; in
dem er ſich ſelbſt blendet und erluſtiget durch den Anblikk
eines mordgierigen Degens/ eines zum Saufreitzenden
Glaſes/ eines Geldgeitzigen Beutels/ eines bruͤſten-
den Pfauen Schwantzes/ eines begierlokkenden Luſt-
Spiegels.

Denkeſtu aber/ dieſer auf ſolchen Spinnweben-
Grund tantzender Kerl mag wol ein Ertz Narꝛ ſein/
der ſich auf eine ſolche grauſame Gefahr dahin ſtellen
darf; Wol und recht! aber eben du ſtekkeſt mitten in
ſolcher Ertz Narꝛheit/ und tantzeſt auch/ macheſt dich lu-
lig und mauſig/ auf ſolchem Spinnweben Netze uͤber
der wuͤtenden Hoͤllengluet/ der du ſicher/ ſo luͤſtern/ ſo
eigenſinnig/ ſo Glaubens- und Liebeloß hinlebeſt

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[126/0194] Nachdenkliche Beſchreibung ceſſabit unquam durare. Hoc, inquam, attentius conſiderandum, & velut cibus ruminandum: Cibus etſi pretioſus & ſalubris, ſi non teratur dentibus & digeratur, venenum eſt, non alimentum; omnis ge- neris morbos creat, hæret aliquandiu in corpore, ſed nil boni ſucci generat. Ita prorſus ſalubres ſunt & ſanctæ cogitationes de morte, de judicio, de cælo, de inferis, longe autem ſaluberrima eſt de æternitate quæ meritò dici poteſt, quinta eſſentia: Sed hæc ve- luti pretioſus cibus, non ingerenda tantum ſed & di- gerenda. Beſchau nur eins und betrachte ein wenig/ du ei- telſuͤchtiger luͤſterner Menſch/ dieſen allhier vorgeſtel- ten/ auf Spinnweben tantzenden/ und in Luſt/ Gier/ Hofart und Rach verblendeten und verwikle- ten Menſchen! Er helt ſeinen Spinnweben Grund fuͤr lauter eiſerne Quaderſtuͤkke/ auf welche er alle ſeine be- truͤgliche Hofnung verwindſchlaͤget: Durch das Au- genblikk ſeines ruchloſen ſicher-ſeins ſinket er in den ewigen Abgrund der erſchreklichſten Hoͤllengluet; in dem er ſich ſelbſt blendet und erluſtiget durch den Anblikk eines mordgierigen Degens/ eines zum Saufreitzenden Glaſes/ eines Geldgeitzigen Beutels/ eines bruͤſten- den Pfauen Schwantzes/ eines begierlokkenden Luſt- Spiegels. Denkeſtu aber/ dieſer auf ſolchen Spinnweben- Grund tantzender Kerl mag wol ein Ertz Narꝛ ſein/ der ſich auf eine ſolche grauſame Gefahr dahin ſtellen darf; Wol und recht! aber eben du ſtekkeſt mitten in ſolcher Ertz Narꝛheit/ und tantzeſt auch/ macheſt dich lu- lig und mauſig/ auf ſolchem Spinnweben Netze uͤber der wuͤtenden Hoͤllengluet/ der du ſicher/ ſo luͤſtern/ ſo eigenſinnig/ ſo Glaubens- und Liebeloß hinlebeſt in

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Zitationshilfe: Schottel, Justus Georg: Grausame Beschreibung und Vorstellung Der Hölle Und der Höllischen Qwal . Wolfenbüttel, 1676, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schottel_hoelle_1676/194>, abgerufen am 21.11.2024.