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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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2.--7. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND IN SEINEN SPIELEN.
wöhnet das Kind nur anfangs nicht, und es wird genügsam
für immer bleiben, weil es gelernt hat, seinen Stoff gehörig
auszunutzen. Und dazu haben alle unverdorbenen Kinder
eine entschiedene Neigung. Auch vermag das Kind einen
einfacheren Spielstoff viel eher vollständig zu beherrschen,
und das ist unter allen Umständen nöthig. Lasset das Kind
nie mit mehr als einem Spielmittel auf einmal sich
beschäftigen. Ist bei besonderen Gelegenheiten, Bescheerun-
gen u. dgl., durch die unabweisbare Liebe von Verwandten
und Freunden Euer Kind mit Gaben überschüttet worden, so
stellet alsbald alles Ueberzählige bei Seite. Bringet davon,
in angemessener Abwechselung, ein Stück nach dem anderen
in Gebrauch. Aber haltet darauf, dass der Wechsel erst dann
eintritt, nachdem das Kind an dem gegebenen Spielmittel seine
(körperliche oder geistige) Kraft genügend verarbei-
tet hat
.

Da das Spielzeug das erste Eigenthum des Kindes ist,
über welches ihm die freie Verfügung zusteht, so lässt sich
die Heranbildung noch mancher praktischen Tugend daran
knüpfen. Vor Allem bietet das Spiel Gelegenheit, Reinlich-
keit, Pflegsamkeit
und Ordnung zu einem festen Gesetze
zu machen. Sucht man nur gleich beim Beginne des Spiel-
alters so einzuwirken, dass das Kind seine Freude und seinen
Stolz darin findet, alle Gegenstände und dabei auch sich selbst
möglichst sauber und nett zu erhalten, die Sachen vor Ver-
wüstung zu bewahren, und macht man es zur unerlässlichen
Bedingung, dass das Kind nie eher ein Spiel verlassen darf,
als bis es selbst nach Kräften Alles aufgeräumt, eingepackt
und an Ort und Stelle gebracht hat, so sind diese Tugenden
für's Leben gewonnen. Es ist dies freilich nur möglich, wenn
es der Wärterin des Kindes zur Gewissenssache gemacht wird,
ohne dringenden Grund nie eine Ausnahme darin zu machen.
Denn wird dem Kinde nur einmal diese kleine Sorge abge-
nommen, wo es nicht nöthig war, so ist sofort in den Augen
des Kindes die Regel vernichtet, und ihre Wiedereinführung
kostet Mühe und Verdruss.

Eine Art des Spieles darf hier nicht unerwähnt bleiben,

8*

2.—7. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND IN SEINEN SPIELEN.
wöhnet das Kind nur anfangs nicht, und es wird genügsam
für immer bleiben, weil es gelernt hat, seinen Stoff gehörig
auszunutzen. Und dazu haben alle unverdorbenen Kinder
eine entschiedene Neigung. Auch vermag das Kind einen
einfacheren Spielstoff viel eher vollständig zu beherrschen,
und das ist unter allen Umständen nöthig. Lasset das Kind
nie mit mehr als einem Spielmittel auf einmal sich
beschäftigen. Ist bei besonderen Gelegenheiten, Bescheerun-
gen u. dgl., durch die unabweisbare Liebe von Verwandten
und Freunden Euer Kind mit Gaben überschüttet worden, so
stellet alsbald alles Ueberzählige bei Seite. Bringet davon,
in angemessener Abwechselung, ein Stück nach dem anderen
in Gebrauch. Aber haltet darauf, dass der Wechsel erst dann
eintritt, nachdem das Kind an dem gegebenen Spielmittel seine
(körperliche oder geistige) Kraft genügend verarbei-
tet hat
.

Da das Spielzeug das erste Eigenthum des Kindes ist,
über welches ihm die freie Verfügung zusteht, so lässt sich
die Heranbildung noch mancher praktischen Tugend daran
knüpfen. Vor Allem bietet das Spiel Gelegenheit, Reinlich-
keit, Pflegsamkeit
und Ordnung zu einem festen Gesetze
zu machen. Sucht man nur gleich beim Beginne des Spiel-
alters so einzuwirken, dass das Kind seine Freude und seinen
Stolz darin findet, alle Gegenstände und dabei auch sich selbst
möglichst sauber und nett zu erhalten, die Sachen vor Ver-
wüstung zu bewahren, und macht man es zur unerlässlichen
Bedingung, dass das Kind nie eher ein Spiel verlassen darf,
als bis es selbst nach Kräften Alles aufgeräumt, eingepackt
und an Ort und Stelle gebracht hat, so sind diese Tugenden
für's Leben gewonnen. Es ist dies freilich nur möglich, wenn
es der Wärterin des Kindes zur Gewissenssache gemacht wird,
ohne dringenden Grund nie eine Ausnahme darin zu machen.
Denn wird dem Kinde nur einmal diese kleine Sorge abge-
nommen, wo es nicht nöthig war, so ist sofort in den Augen
des Kindes die Regel vernichtet, und ihre Wiedereinführung
kostet Mühe und Verdruss.

Eine Art des Spieles darf hier nicht unerwähnt bleiben,

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[115/0119] 2.—7. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND IN SEINEN SPIELEN. wöhnet das Kind nur anfangs nicht, und es wird genügsam für immer bleiben, weil es gelernt hat, seinen Stoff gehörig auszunutzen. Und dazu haben alle unverdorbenen Kinder eine entschiedene Neigung. Auch vermag das Kind einen einfacheren Spielstoff viel eher vollständig zu beherrschen, und das ist unter allen Umständen nöthig. Lasset das Kind nie mit mehr als einem Spielmittel auf einmal sich beschäftigen. Ist bei besonderen Gelegenheiten, Bescheerun- gen u. dgl., durch die unabweisbare Liebe von Verwandten und Freunden Euer Kind mit Gaben überschüttet worden, so stellet alsbald alles Ueberzählige bei Seite. Bringet davon, in angemessener Abwechselung, ein Stück nach dem anderen in Gebrauch. Aber haltet darauf, dass der Wechsel erst dann eintritt, nachdem das Kind an dem gegebenen Spielmittel seine (körperliche oder geistige) Kraft genügend verarbei- tet hat. Da das Spielzeug das erste Eigenthum des Kindes ist, über welches ihm die freie Verfügung zusteht, so lässt sich die Heranbildung noch mancher praktischen Tugend daran knüpfen. Vor Allem bietet das Spiel Gelegenheit, Reinlich- keit, Pflegsamkeit und Ordnung zu einem festen Gesetze zu machen. Sucht man nur gleich beim Beginne des Spiel- alters so einzuwirken, dass das Kind seine Freude und seinen Stolz darin findet, alle Gegenstände und dabei auch sich selbst möglichst sauber und nett zu erhalten, die Sachen vor Ver- wüstung zu bewahren, und macht man es zur unerlässlichen Bedingung, dass das Kind nie eher ein Spiel verlassen darf, als bis es selbst nach Kräften Alles aufgeräumt, eingepackt und an Ort und Stelle gebracht hat, so sind diese Tugenden für's Leben gewonnen. Es ist dies freilich nur möglich, wenn es der Wärterin des Kindes zur Gewissenssache gemacht wird, ohne dringenden Grund nie eine Ausnahme darin zu machen. Denn wird dem Kinde nur einmal diese kleine Sorge abge- nommen, wo es nicht nöthig war, so ist sofort in den Augen des Kindes die Regel vernichtet, und ihre Wiedereinführung kostet Mühe und Verdruss. Eine Art des Spieles darf hier nicht unerwähnt bleiben, 8*

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/119>, abgerufen am 24.11.2024.