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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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Einleitung.


Gereifte Lebensanschauung führt uns zu der Ueberzeugung,
dass eine unabsehbare Stufenleiter der Entwickelung, wie dem
einzelnen Menschen, so auch der Menschheit im Ganzen als die
vielleicht unendliche Bahn des Weiter- und immer Weiter-
strebens geboten ist. Die Culturgeschichte des Menschen-
geschlechtes lehrt uns aber, dass, wenn wir dabei auch selbst
die am weitesten vorgeschrittenen Völker als Maassstab im
Auge behalten, dieses Vorschreiten doch bisher immer nur auf
einzelne Seiten der Menschennatur sich erstreckt, keineswegs
gleichmässig alle Seiten derselben umfasst hat. Unsere Cultur-
geschichte rechnet schon nach Jahrtausenden, und doch -- wie
viel fehlt noch bis zur Verwirklichung selbst nur desjenigen
Ideales menschlicher Ausbildung, das wir nach Maassgabe der
uns zur Zeit möglichen und sicherlich noch sehr beschränkten
Perspective, davon zu entwerfen im Stande sind. Ist auch für
das eifrigste Streben das höchste Ideal hienieden nie ganz er-
reichbar, so bleibt doch die Zahl der wirklich erreich-
baren
Vervollkommnungsstufen immer noch eine unermess-
liche, und das einzige Mittel zur allmäligen Erreichung des
Erreichbaren das Hinstreben nach dem nie ganz erreichbaren
Höchsten. Jede Periode, so auch die unsere, hat daher die
Aufgabe: durch gründliche Vergleichung des zur Zeit erreich-
ten Ausbildungs- und Lebenszustandes (des Seins) mit dem
möglicher Weise und bestimmungsgemäss zu erstrebenden Lebens-

Schreber, Kallipädie. 2

Einleitung.


Gereifte Lebensanschauung führt uns zu der Ueberzeugung,
dass eine unabsehbare Stufenleiter der Entwickelung, wie dem
einzelnen Menschen, so auch der Menschheit im Ganzen als die
vielleicht unendliche Bahn des Weiter- und immer Weiter-
strebens geboten ist. Die Culturgeschichte des Menschen-
geschlechtes lehrt uns aber, dass, wenn wir dabei auch selbst
die am weitesten vorgeschrittenen Völker als Maassstab im
Auge behalten, dieses Vorschreiten doch bisher immer nur auf
einzelne Seiten der Menschennatur sich erstreckt, keineswegs
gleichmässig alle Seiten derselben umfasst hat. Unsere Cultur-
geschichte rechnet schon nach Jahrtausenden, und doch — wie
viel fehlt noch bis zur Verwirklichung selbst nur desjenigen
Ideales menschlicher Ausbildung, das wir nach Maassgabe der
uns zur Zeit möglichen und sicherlich noch sehr beschränkten
Perspective, davon zu entwerfen im Stande sind. Ist auch für
das eifrigste Streben das höchste Ideal hienieden nie ganz er-
reichbar, so bleibt doch die Zahl der wirklich erreich-
baren
Vervollkommnungsstufen immer noch eine unermess-
liche, und das einzige Mittel zur allmäligen Erreichung des
Erreichbaren das Hinstreben nach dem nie ganz erreichbaren
Höchsten. Jede Periode, so auch die unsere, hat daher die
Aufgabe: durch gründliche Vergleichung des zur Zeit erreich-
ten Ausbildungs- und Lebenszustandes (des Seins) mit dem
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Schreber, Kallipädie. 2
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[[17]/0021] Einleitung. Gereifte Lebensanschauung führt uns zu der Ueberzeugung, dass eine unabsehbare Stufenleiter der Entwickelung, wie dem einzelnen Menschen, so auch der Menschheit im Ganzen als die vielleicht unendliche Bahn des Weiter- und immer Weiter- strebens geboten ist. Die Culturgeschichte des Menschen- geschlechtes lehrt uns aber, dass, wenn wir dabei auch selbst die am weitesten vorgeschrittenen Völker als Maassstab im Auge behalten, dieses Vorschreiten doch bisher immer nur auf einzelne Seiten der Menschennatur sich erstreckt, keineswegs gleichmässig alle Seiten derselben umfasst hat. Unsere Cultur- geschichte rechnet schon nach Jahrtausenden, und doch — wie viel fehlt noch bis zur Verwirklichung selbst nur desjenigen Ideales menschlicher Ausbildung, das wir nach Maassgabe der uns zur Zeit möglichen und sicherlich noch sehr beschränkten Perspective, davon zu entwerfen im Stande sind. Ist auch für das eifrigste Streben das höchste Ideal hienieden nie ganz er- reichbar, so bleibt doch die Zahl der wirklich erreich- baren Vervollkommnungsstufen immer noch eine unermess- liche, und das einzige Mittel zur allmäligen Erreichung des Erreichbaren das Hinstreben nach dem nie ganz erreichbaren Höchsten. Jede Periode, so auch die unsere, hat daher die Aufgabe: durch gründliche Vergleichung des zur Zeit erreich- ten Ausbildungs- und Lebenszustandes (des Seins) mit dem möglicher Weise und bestimmungsgemäss zu erstrebenden Lebens- Schreber, Kallipädie. 2

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. [17]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/21>, abgerufen am 23.11.2024.