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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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die Veranlassung zur Ausbildung einseitiger Hochschultrigkeit
und zu ungleicher Entwickelung der beiden Brusthälften gegeben.

Unter den verschiedenen Arten des Spieles musikalischer
Instrumente ist rücksichtlich des Einflusses auf Haltung und
Bildung des Körpers das Spiel des Fortepiano das empfeh-
lenswertheste, indem es, ohne irgend Nachtheile zu haben,
durch gleichmässige Beschäftigung beider Arme den Vortheil
einer ausgleichenden Einwirkung gewährt. Auch das Blasen
der Clarinette, des Hornes, des Hoboe u. dgl. könnte in die-
ser Hinsicht als unschädlich gelten, wenn es nicht wegen der
starken Anstrengung der Lungen für Kinder bedenklich wäre.
Dagegen ist das Spielen aller Streichinstrumente, sowie das
der Harfe, der Flöte, der Zither und der Guitarre der Hal-
tung und Bildung des kindlichen Körpers offenbar nachtheilig.

Von den bei häufiger Wiederholung auf die Körperbil-
dung einflussreichen häuslichen Beschäftigungen erhei-
schen die folgenden eine specielle ärztliche Beleuchtung:

a) Das Tragen von Lasten gehört im Allgemei-
nen nicht zu denjenigen Arten des Kraftgebrauches,
welche dem kindlichen Körper dienlich sind, weil
nämlich das Rückgrat (auf welches, als den Mittelpfei-
ler des Körpers, der ganze Druck der Last sich stets
concentrirt, mag dieselbe auf dem Rücken, auf dem
Kopfe oder auf und an den Armen getragen werden)
noch nicht die dazu nöthige Festigkeit hat. Deshalb
entstehen dadurch nicht selten Rückgratsverkrüm-
mungen.

Wenn daher jedes, wenigstens anhaltende und oft
wiederholte Tragen schwerer Lasten, selbst wenn da-
bei der Schwerpunkt der Last in die Mittellinie des
Körpers fällt, Kindern, und zwar am meisten denen
mit schwachem Knochenbaue, undienlich ist, so gilt
dies selbstverständlich in noch viel höherem Grade von
dem Lasttragen auf einer Seite. Da hierbei über-
dies ein gleichmässiger Wechsel beider Körperseiten
nicht immer ausführbar ist, oft wohl auch gar nicht
daran gedacht wird, so ist der nachtheilige Einfluss

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die Veranlassung zur Ausbildung einseitiger Hochschultrigkeit
und zu ungleicher Entwickelung der beiden Brusthälften gegeben.

Unter den verschiedenen Arten des Spieles musikalischer
Instrumente ist rücksichtlich des Einflusses auf Haltung und
Bildung des Körpers das Spiel des Fortepiano das empfeh-
lenswertheste, indem es, ohne irgend Nachtheile zu haben,
durch gleichmässige Beschäftigung beider Arme den Vortheil
einer ausgleichenden Einwirkung gewährt. Auch das Blasen
der Clarinette, des Hornes, des Hoboë u. dgl. könnte in die-
ser Hinsicht als unschädlich gelten, wenn es nicht wegen der
starken Anstrengung der Lungen für Kinder bedenklich wäre.
Dagegen ist das Spielen aller Streichinstrumente, sowie das
der Harfe, der Flöte, der Zither und der Guitarre der Hal-
tung und Bildung des kindlichen Körpers offenbar nachtheilig.

Von den bei häufiger Wiederholung auf die Körperbil-
dung einflussreichen häuslichen Beschäftigungen erhei-
schen die folgenden eine specielle ärztliche Beleuchtung:

a) Das Tragen von Lasten gehört im Allgemei-
nen nicht zu denjenigen Arten des Kraftgebrauches,
welche dem kindlichen Körper dienlich sind, weil
nämlich das Rückgrat (auf welches, als den Mittelpfei-
ler des Körpers, der ganze Druck der Last sich stets
concentrirt, mag dieselbe auf dem Rücken, auf dem
Kopfe oder auf und an den Armen getragen werden)
noch nicht die dazu nöthige Festigkeit hat. Deshalb
entstehen dadurch nicht selten Rückgratsverkrüm-
mungen.

Wenn daher jedes, wenigstens anhaltende und oft
wiederholte Tragen schwerer Lasten, selbst wenn da-
bei der Schwerpunkt der Last in die Mittellinie des
Körpers fällt, Kindern, und zwar am meisten denen
mit schwachem Knochenbaue, undienlich ist, so gilt
dies selbstverständlich in noch viel höherem Grade von
dem Lasttragen auf einer Seite. Da hierbei über-
dies ein gleichmässiger Wechsel beider Körperseiten
nicht immer ausführbar ist, oft wohl auch gar nicht
daran gedacht wird, so ist der nachtheilige Einfluss

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[211/0215] 8. — 16. JAHR. KÖRPERL. SEITE. KÖRPER-FORM, HALTUNGEN U. GEWOHNHEITEN. die Veranlassung zur Ausbildung einseitiger Hochschultrigkeit und zu ungleicher Entwickelung der beiden Brusthälften gegeben. Unter den verschiedenen Arten des Spieles musikalischer Instrumente ist rücksichtlich des Einflusses auf Haltung und Bildung des Körpers das Spiel des Fortepiano das empfeh- lenswertheste, indem es, ohne irgend Nachtheile zu haben, durch gleichmässige Beschäftigung beider Arme den Vortheil einer ausgleichenden Einwirkung gewährt. Auch das Blasen der Clarinette, des Hornes, des Hoboë u. dgl. könnte in die- ser Hinsicht als unschädlich gelten, wenn es nicht wegen der starken Anstrengung der Lungen für Kinder bedenklich wäre. Dagegen ist das Spielen aller Streichinstrumente, sowie das der Harfe, der Flöte, der Zither und der Guitarre der Hal- tung und Bildung des kindlichen Körpers offenbar nachtheilig. Von den bei häufiger Wiederholung auf die Körperbil- dung einflussreichen häuslichen Beschäftigungen erhei- schen die folgenden eine specielle ärztliche Beleuchtung: a) Das Tragen von Lasten gehört im Allgemei- nen nicht zu denjenigen Arten des Kraftgebrauches, welche dem kindlichen Körper dienlich sind, weil nämlich das Rückgrat (auf welches, als den Mittelpfei- ler des Körpers, der ganze Druck der Last sich stets concentrirt, mag dieselbe auf dem Rücken, auf dem Kopfe oder auf und an den Armen getragen werden) noch nicht die dazu nöthige Festigkeit hat. Deshalb entstehen dadurch nicht selten Rückgratsverkrüm- mungen. Wenn daher jedes, wenigstens anhaltende und oft wiederholte Tragen schwerer Lasten, selbst wenn da- bei der Schwerpunkt der Last in die Mittellinie des Körpers fällt, Kindern, und zwar am meisten denen mit schwachem Knochenbaue, undienlich ist, so gilt dies selbstverständlich in noch viel höherem Grade von dem Lasttragen auf einer Seite. Da hierbei über- dies ein gleichmässiger Wechsel beider Körperseiten nicht immer ausführbar ist, oft wohl auch gar nicht daran gedacht wird, so ist der nachtheilige Einfluss 14*

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/215>, abgerufen am 21.11.2024.