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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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8. -- 16. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND IM UNTERRICHTE.
zeitigkeit. Solche Kinder bleiben körperlich schwächlich und
geistig verkrüppelt. Ihre Lernkraft ist geknickt.

Fürchtet man etwa, dass das Abwarten des siebenten
Jahres ein Zurückbleiben des Kindes hinter den steigenden
Anforderungen an geistige Ausbildung oder hinter den Alters-
genossen zur Folge haben könnte? -- Gerade das Gegentheil!
Man kann sicher darauf rechnen, dass von zwei gleichbegab-
ten Kindern das eine, welches rechtzeitig den Unterricht be-
gann, das andere, welches einen scheinbaren Vorsprung von
vielleicht zwei Schuljahren hatte, bis gegen das zehnte oder
elfte Jahr an geistiger Gesammtentwickelung nicht nur ein-
geholt, sondern sogar weit übertroffen haben wird -- eben
deshalb, weil das erste vollständig reif dazu war und einen
gesunden und kräftigen Geistesmagen in die Schule mit-
brachte. Dieser letztere verarbeitet nun seine dem Alter an-
gemessenen vollen Portionen leichter und vollständiger, wäh-
rend bei dem vorzeitigen Verfahren schon die halben Por-
tionen eine kaum zu bewältigende Last bilden. Der Gewinn
ist also ein körperlicher und geistiger zugleich.

Was ein Kind vor diesem Zeitpunkte an Vorbereitung
zum Unterrichte spielend und nach eigener, von äusserem
Zwange freier, Neigung geniessen kann, mag ihm unbedenk-
lich gewährt werden, soweit dazu irgend Gelegenheit vorhan-
den. Wenn es einige mehr mechanische Fertigkeiten, die
Anfangsgründe des Schreibens, Zeichnens, Lesens, Zählens,
oder nur Etwas davon auf diese Weise sich angeeignet hat,
so wird dies für die Schule schon einen recht merkbaren und
willkommenen Vorsprung gewähren. (Man vergleiche hier-
über S. 117) Doch ist auch da, wo dies nicht geschehen
konnte, der Nachtheil nicht so gross, als dass er nicht gegen
die anderen ungleich wichtigeren Vortheile gänzlich verschwände.

b) Ob öffentlicher oder Haus-Unterricht*)

den Vorzug verdiene, lässt sich im Allgemeinen weder
nach der einen noch nach der anderen Seite entscheiden. Es

*) Privat-Lehranstalten sind von dem hier in Betracht kommenden Ge-
sichtspunkte aus im Allgemeinen den öffentlichen Schulen gleichzustellen.
15*


8. — 16. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND IM UNTERRICHTE.
zeitigkeit. Solche Kinder bleiben körperlich schwächlich und
geistig verkrüppelt. Ihre Lernkraft ist geknickt.

Fürchtet man etwa, dass das Abwarten des siebenten
Jahres ein Zurückbleiben des Kindes hinter den steigenden
Anforderungen an geistige Ausbildung oder hinter den Alters-
genossen zur Folge haben könnte? — Gerade das Gegentheil!
Man kann sicher darauf rechnen, dass von zwei gleichbegab-
ten Kindern das eine, welches rechtzeitig den Unterricht be-
gann, das andere, welches einen scheinbaren Vorsprung von
vielleicht zwei Schuljahren hatte, bis gegen das zehnte oder
elfte Jahr an geistiger Gesammtentwickelung nicht nur ein-
geholt, sondern sogar weit übertroffen haben wird — eben
deshalb, weil das erste vollständig reif dazu war und einen
gesunden und kräftigen Geistesmagen in die Schule mit-
brachte. Dieser letztere verarbeitet nun seine dem Alter an-
gemessenen vollen Portionen leichter und vollständiger, wäh-
rend bei dem vorzeitigen Verfahren schon die halben Por-
tionen eine kaum zu bewältigende Last bilden. Der Gewinn
ist also ein körperlicher und geistiger zugleich.

Was ein Kind vor diesem Zeitpunkte an Vorbereitung
zum Unterrichte spielend und nach eigener, von äusserem
Zwange freier, Neigung geniessen kann, mag ihm unbedenk-
lich gewährt werden, soweit dazu irgend Gelegenheit vorhan-
den. Wenn es einige mehr mechanische Fertigkeiten, die
Anfangsgründe des Schreibens, Zeichnens, Lesens, Zählens,
oder nur Etwas davon auf diese Weise sich angeeignet hat,
so wird dies für die Schule schon einen recht merkbaren und
willkommenen Vorsprung gewähren. (Man vergleiche hier-
über S. 117) Doch ist auch da, wo dies nicht geschehen
konnte, der Nachtheil nicht so gross, als dass er nicht gegen
die anderen ungleich wichtigeren Vortheile gänzlich verschwände.

b) Ob öffentlicher oder Haus-Unterricht*)

den Vorzug verdiene, lässt sich im Allgemeinen weder
nach der einen noch nach der anderen Seite entscheiden. Es

*) Privat-Lehranstalten sind von dem hier in Betracht kommenden Ge-
sichtspunkte aus im Allgemeinen den öffentlichen Schulen gleichzustellen.
15*
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[227/0231] 8. — 16. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND IM UNTERRICHTE. zeitigkeit. Solche Kinder bleiben körperlich schwächlich und geistig verkrüppelt. Ihre Lernkraft ist geknickt. Fürchtet man etwa, dass das Abwarten des siebenten Jahres ein Zurückbleiben des Kindes hinter den steigenden Anforderungen an geistige Ausbildung oder hinter den Alters- genossen zur Folge haben könnte? — Gerade das Gegentheil! Man kann sicher darauf rechnen, dass von zwei gleichbegab- ten Kindern das eine, welches rechtzeitig den Unterricht be- gann, das andere, welches einen scheinbaren Vorsprung von vielleicht zwei Schuljahren hatte, bis gegen das zehnte oder elfte Jahr an geistiger Gesammtentwickelung nicht nur ein- geholt, sondern sogar weit übertroffen haben wird — eben deshalb, weil das erste vollständig reif dazu war und einen gesunden und kräftigen Geistesmagen in die Schule mit- brachte. Dieser letztere verarbeitet nun seine dem Alter an- gemessenen vollen Portionen leichter und vollständiger, wäh- rend bei dem vorzeitigen Verfahren schon die halben Por- tionen eine kaum zu bewältigende Last bilden. Der Gewinn ist also ein körperlicher und geistiger zugleich. Was ein Kind vor diesem Zeitpunkte an Vorbereitung zum Unterrichte spielend und nach eigener, von äusserem Zwange freier, Neigung geniessen kann, mag ihm unbedenk- lich gewährt werden, soweit dazu irgend Gelegenheit vorhan- den. Wenn es einige mehr mechanische Fertigkeiten, die Anfangsgründe des Schreibens, Zeichnens, Lesens, Zählens, oder nur Etwas davon auf diese Weise sich angeeignet hat, so wird dies für die Schule schon einen recht merkbaren und willkommenen Vorsprung gewähren. (Man vergleiche hier- über S. 117) Doch ist auch da, wo dies nicht geschehen konnte, der Nachtheil nicht so gross, als dass er nicht gegen die anderen ungleich wichtigeren Vortheile gänzlich verschwände. b) Ob öffentlicher oder Haus-Unterricht *) den Vorzug verdiene, lässt sich im Allgemeinen weder nach der einen noch nach der anderen Seite entscheiden. Es *) Privat-Lehranstalten sind von dem hier in Betracht kommenden Ge- sichtspunkte aus im Allgemeinen den öffentlichen Schulen gleichzustellen. 15*

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/231>, abgerufen am 09.11.2024.