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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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8.--16. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND MIT SEINEN ÄLTERN.
offenbar eine Unterlassungssünde sich aufbürden, wenn sie die
Wahlfreiheit des Kindes so verstehen wollten, dass ihrerseits
jede Art von Einwirkung unterbliebe. Eine für oder gegen
eine bestimmte Berufsart zwingende Einwirkung darf es frei-
lich niemals sein, so lange das Kind überhaupt Neigung zu einer
vernünftigen Selbstbestimmung zeigt, denn hier, wo es sich
um die ganze Zukunft handelt, fällt sein persönliches Recht
schon mit in die Waagschale. Ueber ein entschiedenes Zu-
oder Abrathen hinaus geht das älterliche Recht dann nicht.
Ein grosses Unrecht würden die Aeltern begehen, wenn sie
da, wo sich die beharrlichste, innere (nicht blos auf Aeusser-
lichkeiten gerichtete) Neigung, mit hervortretenden Anlagen
zu einer bestimmten und würdigen Berufsart (die natürlich
den vorhandenen Verhältnissen nach erreichbar sein muss) zu
erkennen gibt, aus Nebenrücksichten oder eigener Liebhaberei
hindernd entgegentreten wollten.

Da aber, wo sich weder entschiedene Neigung noch An-
lage zu einer besonderen Berufsart ausspricht, ist es offenbar
Sache der Aeltern, die Entscheidung allein in die Hand zu
nehmen und zur Ausführung zu bringen. Die wesentlichste
Bedingung dabei ist eine gründliche Prüfung der gesammten
individuellen Beschaffenheit des Kindes. Unter Zusammen-
stellung derselben mit den Lebensverhältnissen der Familie
muss der muthmaasslich beste Weg ausfindig gemacht werden.

In keinem Falle aber unterlasse man, vor der Entschei-
dung das Kind mit den wesentlichsten Licht- und Schattensei-
ten der fraglichen Berufsart vertraut zu machen und dabei
einzuprägen, dass der Beruf überhaupt zwar als der nächst-
wichtige, aber noch nicht als der höchste Lebenszweck zu
betrachten sei, sondern demselben, wie alle übrigen Lebens-
zwecke, nur als Mittel diene.



Die allgemeinen auf die geistige Ausbildung hinzielenden
Erziehungsgrundsätze schliessen noch Einiges in sich, was sich
auf die häusliche Einrichtung des Familienlebens be-

8.—16. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND MIT SEINEN ÄLTERN.
offenbar eine Unterlassungssünde sich aufbürden, wenn sie die
Wahlfreiheit des Kindes so verstehen wollten, dass ihrerseits
jede Art von Einwirkung unterbliebe. Eine für oder gegen
eine bestimmte Berufsart zwingende Einwirkung darf es frei-
lich niemals sein, so lange das Kind überhaupt Neigung zu einer
vernünftigen Selbstbestimmung zeigt, denn hier, wo es sich
um die ganze Zukunft handelt, fällt sein persönliches Recht
schon mit in die Waagschale. Ueber ein entschiedenes Zu-
oder Abrathen hinaus geht das älterliche Recht dann nicht.
Ein grosses Unrecht würden die Aeltern begehen, wenn sie
da, wo sich die beharrlichste, innere (nicht blos auf Aeusser-
lichkeiten gerichtete) Neigung, mit hervortretenden Anlagen
zu einer bestimmten und würdigen Berufsart (die natürlich
den vorhandenen Verhältnissen nach erreichbar sein muss) zu
erkennen gibt, aus Nebenrücksichten oder eigener Liebhaberei
hindernd entgegentreten wollten.

Da aber, wo sich weder entschiedene Neigung noch An-
lage zu einer besonderen Berufsart ausspricht, ist es offenbar
Sache der Aeltern, die Entscheidung allein in die Hand zu
nehmen und zur Ausführung zu bringen. Die wesentlichste
Bedingung dabei ist eine gründliche Prüfung der gesammten
individuellen Beschaffenheit des Kindes. Unter Zusammen-
stellung derselben mit den Lebensverhältnissen der Familie
muss der muthmaasslich beste Weg ausfindig gemacht werden.

In keinem Falle aber unterlasse man, vor der Entschei-
dung das Kind mit den wesentlichsten Licht- und Schattensei-
ten der fraglichen Berufsart vertraut zu machen und dabei
einzuprägen, dass der Beruf überhaupt zwar als der nächst-
wichtige, aber noch nicht als der höchste Lebenszweck zu
betrachten sei, sondern demselben, wie alle übrigen Lebens-
zwecke, nur als Mittel diene.



Die allgemeinen auf die geistige Ausbildung hinzielenden
Erziehungsgrundsätze schliessen noch Einiges in sich, was sich
auf die häusliche Einrichtung des Familienlebens be-

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[258/0262] 8.—16. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND MIT SEINEN ÄLTERN. offenbar eine Unterlassungssünde sich aufbürden, wenn sie die Wahlfreiheit des Kindes so verstehen wollten, dass ihrerseits jede Art von Einwirkung unterbliebe. Eine für oder gegen eine bestimmte Berufsart zwingende Einwirkung darf es frei- lich niemals sein, so lange das Kind überhaupt Neigung zu einer vernünftigen Selbstbestimmung zeigt, denn hier, wo es sich um die ganze Zukunft handelt, fällt sein persönliches Recht schon mit in die Waagschale. Ueber ein entschiedenes Zu- oder Abrathen hinaus geht das älterliche Recht dann nicht. Ein grosses Unrecht würden die Aeltern begehen, wenn sie da, wo sich die beharrlichste, innere (nicht blos auf Aeusser- lichkeiten gerichtete) Neigung, mit hervortretenden Anlagen zu einer bestimmten und würdigen Berufsart (die natürlich den vorhandenen Verhältnissen nach erreichbar sein muss) zu erkennen gibt, aus Nebenrücksichten oder eigener Liebhaberei hindernd entgegentreten wollten. Da aber, wo sich weder entschiedene Neigung noch An- lage zu einer besonderen Berufsart ausspricht, ist es offenbar Sache der Aeltern, die Entscheidung allein in die Hand zu nehmen und zur Ausführung zu bringen. Die wesentlichste Bedingung dabei ist eine gründliche Prüfung der gesammten individuellen Beschaffenheit des Kindes. Unter Zusammen- stellung derselben mit den Lebensverhältnissen der Familie muss der muthmaasslich beste Weg ausfindig gemacht werden. In keinem Falle aber unterlasse man, vor der Entschei- dung das Kind mit den wesentlichsten Licht- und Schattensei- ten der fraglichen Berufsart vertraut zu machen und dabei einzuprägen, dass der Beruf überhaupt zwar als der nächst- wichtige, aber noch nicht als der höchste Lebenszweck zu betrachten sei, sondern demselben, wie alle übrigen Lebens- zwecke, nur als Mittel diene. Die allgemeinen auf die geistige Ausbildung hinzielenden Erziehungsgrundsätze schliessen noch Einiges in sich, was sich auf die häusliche Einrichtung des Familienlebens be-

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/262>, abgerufen am 21.11.2024.