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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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8.--16. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND MIT SEINEN ÄLTERN.
Zeit richtig eingehalten und, namentlich in körperlicher Hin-
sicht, gut verwendet, so kann auch die Arbeitszeit tüchtig aus-
genutzt werden.

Da kein Mensch weiss, in welche Lagen ihn sein zukünf-
tiges Leben führen kann, so ist es für die Ausbildung zum
praktischen Leben und überhaupt zur Vervollständigung der
Selbständigkeit unerlässlich, dass schon das Kind gewöhnt
werde, sich in allen Beziehungen selbst zu rathen und zu
helfen
, soweit dies nämlich der jedesmalige Lebenskreis mit
sich bringt und möglich erscheinen lässt. Da die Beziehungen
des Kindes nach aussen noch sehr beschränkt sind, so muss
es wenigstens Alles der Art lernen, was innerhalb seines noch
engen Lebenskreises liegt und vorzüglich, was direct und aus-
schliesslich seine eigene Person angeht, also: Selbstbeachtung
seiner Gesundheit, Selbsterhaltung der Ordnung und Reinlich-
keit seines Körpers, seines Eigenthumes, seiner Kleidungs-
stücke u. s. w. Aber auch anderweite geeignete Arbeiten,
Aufträge, Bestellungen, Besorgungen aller Art mögen ab und
zu den Kindern übertragen werden, damit ihre Ausbildung
für's praktische Leben abgerundet wird. Es wäre kurzsichtig
und verkehrt, wenn die Aeltern aus Standesrücksichten Alles
der Art vermeiden wollten. Die Mädchen müssen ausserdem
noch mit den gewöhnlichen wirthschaftlichen Beschäftigungen
vertraut gemacht werden. Es ist nicht gemeint, dass die
Kinder in jedem Falle auch alle solche Arbeiten, wozu viel-
leicht andere Hände im Hause einmal bestimmt sind, wie:
das Reinigen ihrer Kleidungsstücke, bei Mädchen die wirth-
schaftlichen Beschäftigungen, fortwährend selbst besorgen
sollen, denn die Zeit ihrer übrigen Ausbildung soll dadurch
nicht im Geringsten gekürzt werden. Nein, sie sollen dies
nur eine gewisse Zeit lang einmal, nur so lange, bis sie voll-
ständig damit vertraut geworden sind, ausführen, damit sie
Alles können, wenn sie früher oder später einmal in den Fall
kommen es zu brauchen, und so in der würdigen Unabhän-
gigkeit sich vervollkommnen. Dieses oder Jenes von den be-
treffenden Dingen nicht machen können -- nur Das muss
als eine Schande gelten, gleichviel ob die Umstände es mit

8.—16. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND MIT SEINEN ÄLTERN.
Zeit richtig eingehalten und, namentlich in körperlicher Hin-
sicht, gut verwendet, so kann auch die Arbeitszeit tüchtig aus-
genutzt werden.

Da kein Mensch weiss, in welche Lagen ihn sein zukünf-
tiges Leben führen kann, so ist es für die Ausbildung zum
praktischen Leben und überhaupt zur Vervollständigung der
Selbständigkeit unerlässlich, dass schon das Kind gewöhnt
werde, sich in allen Beziehungen selbst zu rathen und zu
helfen
, soweit dies nämlich der jedesmalige Lebenskreis mit
sich bringt und möglich erscheinen lässt. Da die Beziehungen
des Kindes nach aussen noch sehr beschränkt sind, so muss
es wenigstens Alles der Art lernen, was innerhalb seines noch
engen Lebenskreises liegt und vorzüglich, was direct und aus-
schliesslich seine eigene Person angeht, also: Selbstbeachtung
seiner Gesundheit, Selbsterhaltung der Ordnung und Reinlich-
keit seines Körpers, seines Eigenthumes, seiner Kleidungs-
stücke u. s. w. Aber auch anderweite geeignete Arbeiten,
Aufträge, Bestellungen, Besorgungen aller Art mögen ab und
zu den Kindern übertragen werden, damit ihre Ausbildung
für's praktische Leben abgerundet wird. Es wäre kurzsichtig
und verkehrt, wenn die Aeltern aus Standesrücksichten Alles
der Art vermeiden wollten. Die Mädchen müssen ausserdem
noch mit den gewöhnlichen wirthschaftlichen Beschäftigungen
vertraut gemacht werden. Es ist nicht gemeint, dass die
Kinder in jedem Falle auch alle solche Arbeiten, wozu viel-
leicht andere Hände im Hause einmal bestimmt sind, wie:
das Reinigen ihrer Kleidungsstücke, bei Mädchen die wirth-
schaftlichen Beschäftigungen, fortwährend selbst besorgen
sollen, denn die Zeit ihrer übrigen Ausbildung soll dadurch
nicht im Geringsten gekürzt werden. Nein, sie sollen dies
nur eine gewisse Zeit lang einmal, nur so lange, bis sie voll-
ständig damit vertraut geworden sind, ausführen, damit sie
Alles können, wenn sie früher oder später einmal in den Fall
kommen es zu brauchen, und so in der würdigen Unabhän-
gigkeit sich vervollkommnen. Dieses oder Jenes von den be-
treffenden Dingen nicht machen können — nur Das muss
als eine Schande gelten, gleichviel ob die Umstände es mit

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[262/0266] 8.—16. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND MIT SEINEN ÄLTERN. Zeit richtig eingehalten und, namentlich in körperlicher Hin- sicht, gut verwendet, so kann auch die Arbeitszeit tüchtig aus- genutzt werden. Da kein Mensch weiss, in welche Lagen ihn sein zukünf- tiges Leben führen kann, so ist es für die Ausbildung zum praktischen Leben und überhaupt zur Vervollständigung der Selbständigkeit unerlässlich, dass schon das Kind gewöhnt werde, sich in allen Beziehungen selbst zu rathen und zu helfen, soweit dies nämlich der jedesmalige Lebenskreis mit sich bringt und möglich erscheinen lässt. Da die Beziehungen des Kindes nach aussen noch sehr beschränkt sind, so muss es wenigstens Alles der Art lernen, was innerhalb seines noch engen Lebenskreises liegt und vorzüglich, was direct und aus- schliesslich seine eigene Person angeht, also: Selbstbeachtung seiner Gesundheit, Selbsterhaltung der Ordnung und Reinlich- keit seines Körpers, seines Eigenthumes, seiner Kleidungs- stücke u. s. w. Aber auch anderweite geeignete Arbeiten, Aufträge, Bestellungen, Besorgungen aller Art mögen ab und zu den Kindern übertragen werden, damit ihre Ausbildung für's praktische Leben abgerundet wird. Es wäre kurzsichtig und verkehrt, wenn die Aeltern aus Standesrücksichten Alles der Art vermeiden wollten. Die Mädchen müssen ausserdem noch mit den gewöhnlichen wirthschaftlichen Beschäftigungen vertraut gemacht werden. Es ist nicht gemeint, dass die Kinder in jedem Falle auch alle solche Arbeiten, wozu viel- leicht andere Hände im Hause einmal bestimmt sind, wie: das Reinigen ihrer Kleidungsstücke, bei Mädchen die wirth- schaftlichen Beschäftigungen, fortwährend selbst besorgen sollen, denn die Zeit ihrer übrigen Ausbildung soll dadurch nicht im Geringsten gekürzt werden. Nein, sie sollen dies nur eine gewisse Zeit lang einmal, nur so lange, bis sie voll- ständig damit vertraut geworden sind, ausführen, damit sie Alles können, wenn sie früher oder später einmal in den Fall kommen es zu brauchen, und so in der würdigen Unabhän- gigkeit sich vervollkommnen. Dieses oder Jenes von den be- treffenden Dingen nicht machen können — nur Das muss als eine Schande gelten, gleichviel ob die Umstände es mit

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/266>, abgerufen am 21.11.2024.