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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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17. -- 20. JAHR. ÜBERGANG ZUR SELBSTÄNDIGKEIT. GEISTIGE SEITE.
dringlich -- er weiss, die Sonne bricht endlich doch hin-
durch, in jedem Falle als die Sonne der Ergebung, des inneren
Friedens.

Kurz, ist die innere Kraft gestählt, so mag sich der Blick
in's Leben wenden, wohin es auch sei, selbst nach den fin-
stersten Seiten, der junge Mensch wird um so mehr mit freu-
digem Muthe in's Leben hineingehen, als eben durch eine
klarere Lebensanschauung die sonstigen Unsicherheiten, Zweifel
und Bangigkeiten gehoben sind. Er weiss ja, die edelsten
Zielpunkte des Menschen kommen ihm nicht entgegengeflo-
gen, sondern müssen errungen werden und wird rüstig daran
gehen. Er wird jede in ihren Folgen vom vernünftigen Lebens-
ziele abwärts führende Gedankenrichtung, welcher Art sie
auch sein und was für eine täuschende, übertäubende Gewalt
sie auch immer haben möge, sofort und unermüdlich nieder-
kämpfen. Bei kräftigem Willen genügt dieses Erkennen des
Abwärts an sich schon, um ohne Weiteres den Vernich-
tungsschlag dagegen auszuführen und so vor kraftlähmender
Umwölkung des Inneren und vor gefährlicher Gedankenver-
wickelung zu schützen.

Das Bewusstsein jener Kraft wird den Aufschwung zu
voller Lebenslust und Heiterkeit mächtig unterstützen. Der
junge Mensch wird es nun selbst fühlen, dass Heiterkeit als
Dankbarkeit gegen Gott, dagegen das Sichhingeben an den
Trübsinn -- nämlich den auf schwachen Gründen ruhenden
oder den ganz grundlosen -- als etwas Unwürdiges, als eine
Versündigung zu betrachten ist. Sollte sich irgendwie an
dem Jünglinge oder der Jungfrau eine düstere oder finstere
Seite zeigen, so biete man ja Alles auf, um diesen Lebens-
feind gründlich zu besiegen. Denn wird er mit in's erwach-
sene Alter hinübergenommen, so sind seine Wurzeln schon
zu fest. "Zufrieden immer, heiter so lange wie möglich" --
sei der Wahlspruch. Das Blüthenalter mag sich voll saugen
mit Lebensmuth und Heiterkeit, um auf der weiteren Lebens-
reise nicht Mangel daran zu leiden, mag an Kraft für den
Lebenskampf so viel aufnehmen als nur immer möglich, denn
sind vielleicht einst schwere Prüfungen beschieden -- und

17. — 20. JAHR. ÜBERGANG ZUR SELBSTÄNDIGKEIT. GEISTIGE SEITE.
dringlich — er weiss, die Sonne bricht endlich doch hin-
durch, in jedem Falle als die Sonne der Ergebung, des inneren
Friedens.

Kurz, ist die innere Kraft gestählt, so mag sich der Blick
in's Leben wenden, wohin es auch sei, selbst nach den fin-
stersten Seiten, der junge Mensch wird um so mehr mit freu-
digem Muthe in's Leben hineingehen, als eben durch eine
klarere Lebensanschauung die sonstigen Unsicherheiten, Zweifel
und Bangigkeiten gehoben sind. Er weiss ja, die edelsten
Zielpunkte des Menschen kommen ihm nicht entgegengeflo-
gen, sondern müssen errungen werden und wird rüstig daran
gehen. Er wird jede in ihren Folgen vom vernünftigen Lebens-
ziele abwärts führende Gedankenrichtung, welcher Art sie
auch sein und was für eine täuschende, übertäubende Gewalt
sie auch immer haben möge, sofort und unermüdlich nieder-
kämpfen. Bei kräftigem Willen genügt dieses Erkennen des
Abwärts an sich schon, um ohne Weiteres den Vernich-
tungsschlag dagegen auszuführen und so vor kraftlähmender
Umwölkung des Inneren und vor gefährlicher Gedankenver-
wickelung zu schützen.

Das Bewusstsein jener Kraft wird den Aufschwung zu
voller Lebenslust und Heiterkeit mächtig unterstützen. Der
junge Mensch wird es nun selbst fühlen, dass Heiterkeit als
Dankbarkeit gegen Gott, dagegen das Sichhingeben an den
Trübsinn — nämlich den auf schwachen Gründen ruhenden
oder den ganz grundlosen — als etwas Unwürdiges, als eine
Versündigung zu betrachten ist. Sollte sich irgendwie an
dem Jünglinge oder der Jungfrau eine düstere oder finstere
Seite zeigen, so biete man ja Alles auf, um diesen Lebens-
feind gründlich zu besiegen. Denn wird er mit in's erwach-
sene Alter hinübergenommen, so sind seine Wurzeln schon
zu fest. „Zufrieden immer, heiter so lange wie möglich“ —
sei der Wahlspruch. Das Blüthenalter mag sich voll saugen
mit Lebensmuth und Heiterkeit, um auf der weiteren Lebens-
reise nicht Mangel daran zu leiden, mag an Kraft für den
Lebenskampf so viel aufnehmen als nur immer möglich, denn
sind vielleicht einst schwere Prüfungen beschieden — und

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[290/0294] 17. — 20. JAHR. ÜBERGANG ZUR SELBSTÄNDIGKEIT. GEISTIGE SEITE. dringlich — er weiss, die Sonne bricht endlich doch hin- durch, in jedem Falle als die Sonne der Ergebung, des inneren Friedens. Kurz, ist die innere Kraft gestählt, so mag sich der Blick in's Leben wenden, wohin es auch sei, selbst nach den fin- stersten Seiten, der junge Mensch wird um so mehr mit freu- digem Muthe in's Leben hineingehen, als eben durch eine klarere Lebensanschauung die sonstigen Unsicherheiten, Zweifel und Bangigkeiten gehoben sind. Er weiss ja, die edelsten Zielpunkte des Menschen kommen ihm nicht entgegengeflo- gen, sondern müssen errungen werden und wird rüstig daran gehen. Er wird jede in ihren Folgen vom vernünftigen Lebens- ziele abwärts führende Gedankenrichtung, welcher Art sie auch sein und was für eine täuschende, übertäubende Gewalt sie auch immer haben möge, sofort und unermüdlich nieder- kämpfen. Bei kräftigem Willen genügt dieses Erkennen des Abwärts an sich schon, um ohne Weiteres den Vernich- tungsschlag dagegen auszuführen und so vor kraftlähmender Umwölkung des Inneren und vor gefährlicher Gedankenver- wickelung zu schützen. Das Bewusstsein jener Kraft wird den Aufschwung zu voller Lebenslust und Heiterkeit mächtig unterstützen. Der junge Mensch wird es nun selbst fühlen, dass Heiterkeit als Dankbarkeit gegen Gott, dagegen das Sichhingeben an den Trübsinn — nämlich den auf schwachen Gründen ruhenden oder den ganz grundlosen — als etwas Unwürdiges, als eine Versündigung zu betrachten ist. Sollte sich irgendwie an dem Jünglinge oder der Jungfrau eine düstere oder finstere Seite zeigen, so biete man ja Alles auf, um diesen Lebens- feind gründlich zu besiegen. Denn wird er mit in's erwach- sene Alter hinübergenommen, so sind seine Wurzeln schon zu fest. „Zufrieden immer, heiter so lange wie möglich“ — sei der Wahlspruch. Das Blüthenalter mag sich voll saugen mit Lebensmuth und Heiterkeit, um auf der weiteren Lebens- reise nicht Mangel daran zu leiden, mag an Kraft für den Lebenskampf so viel aufnehmen als nur immer möglich, denn sind vielleicht einst schwere Prüfungen beschieden — und

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/294>, abgerufen am 21.11.2024.