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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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1. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. NAHRUNG.
allmälig schwächer werdenden Zusatze von Milchzucker) in
Abwechselung mit Fleischbrühe, wie bereits oben bemerkt.
Wichtig ist es ferner, dass diese Nahrungsflüssigkeit stets den
richtigen, der Körperwärme gleichen oder wenigstens nahe
kommenden Temperaturgrad (also gegen 30° R.) habe. End-
lich ist auch die Art der Darreichung nicht gleichgiltig. Wie
das Kind beim Säugen an der Brust mit jedem Zuge nur eine
gemessene kleine Quantität Milch in den Mund bekommt, so
soll es auch hier sein, weil nur so die volle Einspeichelung (für
derartige Nährstoffe schon die halbe Verdauung) möglich wird.
Ganz anders kommt die Milch in den Magen, wenn man, wie
dies gewöhnlich zu geschehen pflegt, dieselbe dem Kinde aus
Schnabeltässchen oder ähnlichen Gefässen in den Mund giesst.
Am empfehlenswerthesten ist daher das Zuführen der Nahrung
mittels einer, nur mässigen Abfluss gewährenden Saugflasche
(deren Mundstück -- aus Schwamm und darüber gezogener,
mit Nadelstichen durchlöcherter Blase bestehend -- freilich
sehr sorgfältig rein zu erhalten ist) oder das Einflössen mit
einem kleinen Theelöffel.

Für alle Kinder ohne Ausnahme, mögen sie mit oder ohne
Brust aufgezogen werden, gilt also die Regel: dass ihre Nah-
rung im ersten Jahre durchaus nur in den hier angegebenen
flüssigen Stoffen bestehen darf. Diese Regel ist von grosser
Wichtigkeit; durch Uebertretung derselben werden dem Kinde
stets ernste Nachtheile zugefügt, oft unaustilgbare Krankheits-
anlagen eingepflanzt. Wie viele Mütter oder Wärterinnen sind
von dem verderbliche Wahne befangen, dass sie ihren Kindern
durch oft gewaltsames Einpfropfen von allerhand vermeintlich
stärkenden Nahrungsmitteln, von dicken Brühen, mehligen
Breien oder consistenten Eierspeisen und anderen wohl noch
festeren Stoffen, oder gar durch Einflössen von Bier und gei-
stigen Getränken eine Wohlthat erzeigen und sie zu kräftigen
Menschen heranbilden. Gibt es einzelne Fälle, in denen solche
Unbilden ohne merkliche Folgen wirklich überwunden werden,
so sind sie als seltene Ausnahmen zu betrachten. Aber so viel
steht fest, dass Tausende von Kindern durch den Unsinn der
Verfütterung zeitig geopfert oder lebenslänglich siech gemacht

1. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. NAHRUNG.
allmälig schwächer werdenden Zusatze von Milchzucker) in
Abwechselung mit Fleischbrühe, wie bereits oben bemerkt.
Wichtig ist es ferner, dass diese Nahrungsflüssigkeit stets den
richtigen, der Körperwärme gleichen oder wenigstens nahe
kommenden Temperaturgrad (also gegen 30° R.) habe. End-
lich ist auch die Art der Darreichung nicht gleichgiltig. Wie
das Kind beim Säugen an der Brust mit jedem Zuge nur eine
gemessene kleine Quantität Milch in den Mund bekommt, so
soll es auch hier sein, weil nur so die volle Einspeichelung (für
derartige Nährstoffe schon die halbe Verdauung) möglich wird.
Ganz anders kommt die Milch in den Magen, wenn man, wie
dies gewöhnlich zu geschehen pflegt, dieselbe dem Kinde aus
Schnabeltässchen oder ähnlichen Gefässen in den Mund giesst.
Am empfehlenswerthesten ist daher das Zuführen der Nahrung
mittels einer, nur mässigen Abfluss gewährenden Saugflasche
(deren Mundstück — aus Schwamm und darüber gezogener,
mit Nadelstichen durchlöcherter Blase bestehend — freilich
sehr sorgfältig rein zu erhalten ist) oder das Einflössen mit
einem kleinen Theelöffel.

Für alle Kinder ohne Ausnahme, mögen sie mit oder ohne
Brust aufgezogen werden, gilt also die Regel: dass ihre Nah-
rung im ersten Jahre durchaus nur in den hier angegebenen
flüssigen Stoffen bestehen darf. Diese Regel ist von grosser
Wichtigkeit; durch Uebertretung derselben werden dem Kinde
stets ernste Nachtheile zugefügt, oft unaustilgbare Krankheits-
anlagen eingepflanzt. Wie viele Mütter oder Wärterinnen sind
von dem verderbliche Wahne befangen, dass sie ihren Kindern
durch oft gewaltsames Einpfropfen von allerhand vermeintlich
stärkenden Nahrungsmitteln, von dicken Brühen, mehligen
Breien oder consistenten Eierspeisen und anderen wohl noch
festeren Stoffen, oder gar durch Einflössen von Bier und gei-
stigen Getränken eine Wohlthat erzeigen und sie zu kräftigen
Menschen heranbilden. Gibt es einzelne Fälle, in denen solche
Unbilden ohne merkliche Folgen wirklich überwunden werden,
so sind sie als seltene Ausnahmen zu betrachten. Aber so viel
steht fest, dass Tausende von Kindern durch den Unsinn der
Verfütterung zeitig geopfert oder lebenslänglich siech gemacht

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[42/0046] 1. JAHR. KÖRPERLICHE SEITE. NAHRUNG. allmälig schwächer werdenden Zusatze von Milchzucker) in Abwechselung mit Fleischbrühe, wie bereits oben bemerkt. Wichtig ist es ferner, dass diese Nahrungsflüssigkeit stets den richtigen, der Körperwärme gleichen oder wenigstens nahe kommenden Temperaturgrad (also gegen 30° R.) habe. End- lich ist auch die Art der Darreichung nicht gleichgiltig. Wie das Kind beim Säugen an der Brust mit jedem Zuge nur eine gemessene kleine Quantität Milch in den Mund bekommt, so soll es auch hier sein, weil nur so die volle Einspeichelung (für derartige Nährstoffe schon die halbe Verdauung) möglich wird. Ganz anders kommt die Milch in den Magen, wenn man, wie dies gewöhnlich zu geschehen pflegt, dieselbe dem Kinde aus Schnabeltässchen oder ähnlichen Gefässen in den Mund giesst. Am empfehlenswerthesten ist daher das Zuführen der Nahrung mittels einer, nur mässigen Abfluss gewährenden Saugflasche (deren Mundstück — aus Schwamm und darüber gezogener, mit Nadelstichen durchlöcherter Blase bestehend — freilich sehr sorgfältig rein zu erhalten ist) oder das Einflössen mit einem kleinen Theelöffel. Für alle Kinder ohne Ausnahme, mögen sie mit oder ohne Brust aufgezogen werden, gilt also die Regel: dass ihre Nah- rung im ersten Jahre durchaus nur in den hier angegebenen flüssigen Stoffen bestehen darf. Diese Regel ist von grosser Wichtigkeit; durch Uebertretung derselben werden dem Kinde stets ernste Nachtheile zugefügt, oft unaustilgbare Krankheits- anlagen eingepflanzt. Wie viele Mütter oder Wärterinnen sind von dem verderbliche Wahne befangen, dass sie ihren Kindern durch oft gewaltsames Einpfropfen von allerhand vermeintlich stärkenden Nahrungsmitteln, von dicken Brühen, mehligen Breien oder consistenten Eierspeisen und anderen wohl noch festeren Stoffen, oder gar durch Einflössen von Bier und gei- stigen Getränken eine Wohlthat erzeigen und sie zu kräftigen Menschen heranbilden. Gibt es einzelne Fälle, in denen solche Unbilden ohne merkliche Folgen wirklich überwunden werden, so sind sie als seltene Ausnahmen zu betrachten. Aber so viel steht fest, dass Tausende von Kindern durch den Unsinn der Verfütterung zeitig geopfert oder lebenslänglich siech gemacht

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/46>, abgerufen am 09.11.2024.