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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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1. JAHR. KÖRPERL. SEITE. AUSBILDUNG U. PFLEGE EINZELNER THEILE.
besonders in den ersten Lebensjahren jede Ungleichseitigkeit
der Stellungen, Haltungen und Gewohnheiten vermieden wird,
und dass wegen etwaiger Ermüdung des Rückens nach andau-
ernder Aufrechthaltung öftere Ruhepausen in liegender Stellung
zur Regel gemacht werden.

Eine andere noch gefährlichere Art der Rückgratsver-
krümmung, deren erste Entwickelungsspuren meist um das
Ende des ersten Lebensjahres beginnen, und deren traurigen
Folgen nur jetzt gründlich vorgebeugt werden kann, ist der
Auswuchs nach hinten, die Höckerbildung. Dieses Gebrechen
entwickelt sich, meist ohne äussere Veranlassungen, durch
Krankheit der Rückenwirbelknochen, durch einen schleichenden
Entzündungs- oder Erweichungsprocess derselben. Die Krank-
heit gehört deshalb zu den aller heimtückischsten, weil sie in
ihrem wahren Wesen gewöhnlich erst erkannt wird, wenn das
Krankheitsprodukt, der Höcker und die damit zusammenhän-
gende Verbildung des ganzen Rumpfes, zu Tage kommt, wenn
es also zu spät ist. Die rechtzeitige Erkenntniss verlangt den
vollen Kennerblick. Das was den Aeltern als die nöthige
Beachtung in solchen Fällen nicht dringend genug empfohlen
werden kann, besteht darin: dass, sobald ein Kind bei jedes-
maliger Aufrechthaltung des Rumpfes (z. B. im Sitzen) eine
aus dem übrigen Befinden nicht erklärliche, ungewöhnlich
schnell eintretende Ermüdung, ein Missbehagen, ein Suchen
nach Anlehnung und Stützung des Oberkörpers und Kopfes
zu erkennen gibt, es auschliesslich in liegender Stellung erhal-
ten und bezüglich des Weiteren ein sachverständiger ärztlicher
Beistand alsbald herbeigerufen werden muss.

An den Armen und Beinen sehe man darauf, dass die Ge-
lenke derselben nicht durch häufig sich wiederholende falsche La-
gerungen und Stellungen in ihrer Freiheit und Entwickelung be-
einträchtigt werden. Namentlich an den Hüft-, Hand- und
Fussgelenken kommen Unregelmässigkeiten, die sowohl an-
geboren als auch nach der Geburt entstanden sein können,
häufig vor und sind, wenn ihre Spuren im zarten Säuglings-
alter entdeckt werden, oft leicht zu heben, während sonst ihre
völlige Heilung immer schwieriger, manchmal unmöglich wird.




1. JAHR. KÖRPERL. SEITE. AUSBILDUNG U. PFLEGE EINZELNER THEILE.
besonders in den ersten Lebensjahren jede Ungleichseitigkeit
der Stellungen, Haltungen und Gewohnheiten vermieden wird,
und dass wegen etwaiger Ermüdung des Rückens nach andau-
ernder Aufrechthaltung öftere Ruhepausen in liegender Stellung
zur Regel gemacht werden.

Eine andere noch gefährlichere Art der Rückgratsver-
krümmung, deren erste Entwickelungsspuren meist um das
Ende des ersten Lebensjahres beginnen, und deren traurigen
Folgen nur jetzt gründlich vorgebeugt werden kann, ist der
Auswuchs nach hinten, die Höckerbildung. Dieses Gebrechen
entwickelt sich, meist ohne äussere Veranlassungen, durch
Krankheit der Rückenwirbelknochen, durch einen schleichenden
Entzündungs- oder Erweichungsprocess derselben. Die Krank-
heit gehört deshalb zu den aller heimtückischsten, weil sie in
ihrem wahren Wesen gewöhnlich erst erkannt wird, wenn das
Krankheitsprodukt, der Höcker und die damit zusammenhän-
gende Verbildung des ganzen Rumpfes, zu Tage kommt, wenn
es also zu spät ist. Die rechtzeitige Erkenntniss verlangt den
vollen Kennerblick. Das was den Aeltern als die nöthige
Beachtung in solchen Fällen nicht dringend genug empfohlen
werden kann, besteht darin: dass, sobald ein Kind bei jedes-
maliger Aufrechthaltung des Rumpfes (z. B. im Sitzen) eine
aus dem übrigen Befinden nicht erklärliche, ungewöhnlich
schnell eintretende Ermüdung, ein Missbehagen, ein Suchen
nach Anlehnung und Stützung des Oberkörpers und Kopfes
zu erkennen gibt, es auschliesslich in liegender Stellung erhal-
ten und bezüglich des Weiteren ein sachverständiger ärztlicher
Beistand alsbald herbeigerufen werden muss.

An den Armen und Beinen sehe man darauf, dass die Ge-
lenke derselben nicht durch häufig sich wiederholende falsche La-
gerungen und Stellungen in ihrer Freiheit und Entwickelung be-
einträchtigt werden. Namentlich an den Hüft-, Hand- und
Fussgelenken kommen Unregelmässigkeiten, die sowohl an-
geboren als auch nach der Geburt entstanden sein können,
häufig vor und sind, wenn ihre Spuren im zarten Säuglings-
alter entdeckt werden, oft leicht zu heben, während sonst ihre
völlige Heilung immer schwieriger, manchmal unmöglich wird.



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[57/0061] 1. JAHR. KÖRPERL. SEITE. AUSBILDUNG U. PFLEGE EINZELNER THEILE. besonders in den ersten Lebensjahren jede Ungleichseitigkeit der Stellungen, Haltungen und Gewohnheiten vermieden wird, und dass wegen etwaiger Ermüdung des Rückens nach andau- ernder Aufrechthaltung öftere Ruhepausen in liegender Stellung zur Regel gemacht werden. Eine andere noch gefährlichere Art der Rückgratsver- krümmung, deren erste Entwickelungsspuren meist um das Ende des ersten Lebensjahres beginnen, und deren traurigen Folgen nur jetzt gründlich vorgebeugt werden kann, ist der Auswuchs nach hinten, die Höckerbildung. Dieses Gebrechen entwickelt sich, meist ohne äussere Veranlassungen, durch Krankheit der Rückenwirbelknochen, durch einen schleichenden Entzündungs- oder Erweichungsprocess derselben. Die Krank- heit gehört deshalb zu den aller heimtückischsten, weil sie in ihrem wahren Wesen gewöhnlich erst erkannt wird, wenn das Krankheitsprodukt, der Höcker und die damit zusammenhän- gende Verbildung des ganzen Rumpfes, zu Tage kommt, wenn es also zu spät ist. Die rechtzeitige Erkenntniss verlangt den vollen Kennerblick. Das was den Aeltern als die nöthige Beachtung in solchen Fällen nicht dringend genug empfohlen werden kann, besteht darin: dass, sobald ein Kind bei jedes- maliger Aufrechthaltung des Rumpfes (z. B. im Sitzen) eine aus dem übrigen Befinden nicht erklärliche, ungewöhnlich schnell eintretende Ermüdung, ein Missbehagen, ein Suchen nach Anlehnung und Stützung des Oberkörpers und Kopfes zu erkennen gibt, es auschliesslich in liegender Stellung erhal- ten und bezüglich des Weiteren ein sachverständiger ärztlicher Beistand alsbald herbeigerufen werden muss. An den Armen und Beinen sehe man darauf, dass die Ge- lenke derselben nicht durch häufig sich wiederholende falsche La- gerungen und Stellungen in ihrer Freiheit und Entwickelung be- einträchtigt werden. Namentlich an den Hüft-, Hand- und Fussgelenken kommen Unregelmässigkeiten, die sowohl an- geboren als auch nach der Geburt entstanden sein können, häufig vor und sind, wenn ihre Spuren im zarten Säuglings- alter entdeckt werden, oft leicht zu heben, während sonst ihre völlige Heilung immer schwieriger, manchmal unmöglich wird.

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/61>, abgerufen am 30.11.2024.