Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schreiner, Olive (Übers. Helene Lobedan): Peter Halket im Mashonalande. Berlin, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Geld bezahlt um mit ihm abends gelehrte Bücher über Geschichte und Mathematik zu lesen; aber behalten hatte er nicht viel davon. Für gewöhnlich lebte er nur in der Welt, die ihn unmittelbar umgab, ließ sich von den Dingen treiben, und wenn der Anstoß nachließ, war es ihm auch gleichgültig. Aber in dieser Nacht auf dem Hügel gab er sich den Gedanken hin, und sie bildeten sich zu fortlaufenden Ketten.

Zuerst überlegte er, ob wohl seine Mutter je den Brief bekommen werde, den er in der vorigen Woche abgeschickt hatte; und ob er ihr in ihrem Häuschen abgegeben würde oder sie ihn sich von dem Postbureau abholen müsse. Dann dachte er an das kleine englische Dorf, in dem er geboren und aufgewachsen war. Er sah die fetten weißen Enten seiner Mutter sich unter dem Gatter durchdrücken, wenn sie herunter nach dem kleinen Teich watschelten, der hinter ihrem Hof lag, oder von dort zurückkamen. Er sah das Schulhaus, das ihm in seiner Knabenzeit so verhaßt gewesen war, und wo er so oft geschwänzt hatte, um Nester auszunehmen oder zu angeln. Er sah die Lithographien an der Wand des Schulzimmers, auf welche die Nachmittagssonne gerade schien, wenn er nachbleiben mußte. Auf dem einen Bilde segnete Jesus die Kindlein und auf einem anderen, gerade über der Thür, hing er mit ausgestreckten Armen am Kreuz und aus seinen Füßen floß Blut. Weiter

Geld bezahlt um mit ihm abends gelehrte Bücher über Geschichte und Mathematik zu lesen; aber behalten hatte er nicht viel davon. Für gewöhnlich lebte er nur in der Welt, die ihn unmittelbar umgab, ließ sich von den Dingen treiben, und wenn der Anstoß nachließ, war es ihm auch gleichgültig. Aber in dieser Nacht auf dem Hügel gab er sich den Gedanken hin, und sie bildeten sich zu fortlaufenden Ketten.

Zuerst überlegte er, ob wohl seine Mutter je den Brief bekommen werde, den er in der vorigen Woche abgeschickt hatte; und ob er ihr in ihrem Häuschen abgegeben würde oder sie ihn sich von dem Postbureau abholen müsse. Dann dachte er an das kleine englische Dorf, in dem er geboren und aufgewachsen war. Er sah die fetten weißen Enten seiner Mutter sich unter dem Gatter durchdrücken, wenn sie herunter nach dem kleinen Teich watschelten, der hinter ihrem Hof lag, oder von dort zurückkamen. Er sah das Schulhaus, das ihm in seiner Knabenzeit so verhaßt gewesen war, und wo er so oft geschwänzt hatte, um Nester auszunehmen oder zu angeln. Er sah die Lithographien an der Wand des Schulzimmers, auf welche die Nachmittagssonne gerade schien, wenn er nachbleiben mußte. Auf dem einen Bilde segnete Jesus die Kindlein und auf einem anderen, gerade über der Thür, hing er mit ausgestreckten Armen am Kreuz und aus seinen Füßen floß Blut. Weiter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0010" n="10"/>
Geld bezahlt um mit ihm abends gelehrte Bücher über Geschichte und Mathematik zu lesen; aber behalten hatte er nicht viel davon. Für gewöhnlich lebte er nur in der Welt, die ihn unmittelbar umgab, ließ sich von den Dingen treiben, und wenn der Anstoß nachließ, war es ihm auch gleichgültig. Aber in dieser Nacht auf dem Hügel gab er sich den Gedanken hin, und sie bildeten sich zu fortlaufenden Ketten.</p>
        <p>Zuerst überlegte er, ob wohl seine Mutter je den Brief bekommen werde, den er in der vorigen Woche abgeschickt hatte; und ob er ihr in ihrem Häuschen abgegeben würde oder sie ihn sich von dem Postbureau abholen müsse. Dann dachte er an das kleine englische Dorf, in dem er geboren und aufgewachsen war. Er sah die fetten weißen Enten seiner Mutter sich unter dem Gatter durchdrücken, wenn sie herunter nach dem kleinen Teich watschelten, der hinter ihrem Hof lag, oder von dort zurückkamen. Er sah das Schulhaus, das ihm in seiner Knabenzeit so verhaßt gewesen war, und wo er so oft geschwänzt hatte, um Nester auszunehmen oder zu angeln. Er sah die Lithographien an der Wand des Schulzimmers, auf welche die Nachmittagssonne gerade schien, wenn er nachbleiben mußte. Auf dem einen Bilde segnete Jesus die Kindlein und auf einem anderen, gerade über der Thür, hing er mit ausgestreckten Armen am Kreuz und aus seinen Füßen floß Blut. Weiter
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0010] Geld bezahlt um mit ihm abends gelehrte Bücher über Geschichte und Mathematik zu lesen; aber behalten hatte er nicht viel davon. Für gewöhnlich lebte er nur in der Welt, die ihn unmittelbar umgab, ließ sich von den Dingen treiben, und wenn der Anstoß nachließ, war es ihm auch gleichgültig. Aber in dieser Nacht auf dem Hügel gab er sich den Gedanken hin, und sie bildeten sich zu fortlaufenden Ketten. Zuerst überlegte er, ob wohl seine Mutter je den Brief bekommen werde, den er in der vorigen Woche abgeschickt hatte; und ob er ihr in ihrem Häuschen abgegeben würde oder sie ihn sich von dem Postbureau abholen müsse. Dann dachte er an das kleine englische Dorf, in dem er geboren und aufgewachsen war. Er sah die fetten weißen Enten seiner Mutter sich unter dem Gatter durchdrücken, wenn sie herunter nach dem kleinen Teich watschelten, der hinter ihrem Hof lag, oder von dort zurückkamen. Er sah das Schulhaus, das ihm in seiner Knabenzeit so verhaßt gewesen war, und wo er so oft geschwänzt hatte, um Nester auszunehmen oder zu angeln. Er sah die Lithographien an der Wand des Schulzimmers, auf welche die Nachmittagssonne gerade schien, wenn er nachbleiben mußte. Auf dem einen Bilde segnete Jesus die Kindlein und auf einem anderen, gerade über der Thür, hing er mit ausgestreckten Armen am Kreuz und aus seinen Füßen floß Blut. Weiter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-21T10:10:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-21T10:10:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-21T10:10:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schreiner_halket_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schreiner_halket_1898/10
Zitationshilfe: Schreiner, Olive (Übers. Helene Lobedan): Peter Halket im Mashonalande. Berlin, 1898, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreiner_halket_1898/10>, abgerufen am 21.11.2024.