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Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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er mir zu, das liebe Mädchen schläft noch. Ich habe ihre alten Kleider weggenommen und die neuen dafür hingelegt; nun muß sie wohl die unsrigen anziehen. -- Sie lag, den schönen Kopf etwas zurückgebeugt, züchtig in ihre Decke eingehüllt, in gerader Stellung, nur das rechte Knie ein wenig heraufgezogen, wodurch, unter der straff anliegenden Hülle, die zierliche Form ihres Beines sichtbar wurde. Ich warf einen fast eifersüchtigen Blick auf den Alten, der das reizende Schauspiel mit mir theilte. -- Jetzt schien sie sich zu regen; schnell ergriff ich Paul's Hand, und indem ich ihn mit mir fortzog, schloß ich die Thür ziemlich laut hinter uns. In dem Augenblick hörten wir ein Geräusch in der Kammer und schlichen auf den Zehen davon, wie wir gekommen waren.

Du magst sehen, sagt' ich etwas ernsthaft, wie du deinen Einfall bei Gretchen gut machst; denn schwerlich wird sie auf eine angenehme Weise davon überrascht sein. Sobald sie sichtbar ist, melde ihr, welchen Auftrag ich dir gab, und daß alles Uebrige deine eigene Erfindung war. -- Ei, erwiderte Paul ziemlich trotzig, das will ich schon noch ausfechten; war es doch in allen Ehren gemeint.

Ob nicht der kleine Teufel Asmodi in den alten Kerl gefahren ist? sagte ich zu mir selbst, als er fort war. Was er seit drei Tagen thut, scheint ganz darauf angelegt, mich Hals über Kopf in ein Meer von Liebe hineinzustürzen, während ich nichts anderes im Sinne hatte, als an seinen blumigen Gestaden in aller Unschuld

er mir zu, das liebe Mädchen schläft noch. Ich habe ihre alten Kleider weggenommen und die neuen dafür hingelegt; nun muß sie wohl die unsrigen anziehen. — Sie lag, den schönen Kopf etwas zurückgebeugt, züchtig in ihre Decke eingehüllt, in gerader Stellung, nur das rechte Knie ein wenig heraufgezogen, wodurch, unter der straff anliegenden Hülle, die zierliche Form ihres Beines sichtbar wurde. Ich warf einen fast eifersüchtigen Blick auf den Alten, der das reizende Schauspiel mit mir theilte. — Jetzt schien sie sich zu regen; schnell ergriff ich Paul's Hand, und indem ich ihn mit mir fortzog, schloß ich die Thür ziemlich laut hinter uns. In dem Augenblick hörten wir ein Geräusch in der Kammer und schlichen auf den Zehen davon, wie wir gekommen waren.

Du magst sehen, sagt' ich etwas ernsthaft, wie du deinen Einfall bei Gretchen gut machst; denn schwerlich wird sie auf eine angenehme Weise davon überrascht sein. Sobald sie sichtbar ist, melde ihr, welchen Auftrag ich dir gab, und daß alles Uebrige deine eigene Erfindung war. — Ei, erwiderte Paul ziemlich trotzig, das will ich schon noch ausfechten; war es doch in allen Ehren gemeint.

Ob nicht der kleine Teufel Asmodi in den alten Kerl gefahren ist? sagte ich zu mir selbst, als er fort war. Was er seit drei Tagen thut, scheint ganz darauf angelegt, mich Hals über Kopf in ein Meer von Liebe hineinzustürzen, während ich nichts anderes im Sinne hatte, als an seinen blumigen Gestaden in aller Unschuld

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:30:04Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:30:04Z)

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Zitationshilfe: Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreyvogel_liebesgeschichte_1910/46>, abgerufen am 21.11.2024.