Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite
Einleitung.

"Es gilt p, ergo gilt auch c", oder abgekürzt:
"p, ergo c"
ist darum das Schema jeder Folgerung.

Die Konjunktion "ergo, folglich, also (therefore)" ist das Zeichen
des Schliessens (sign of illation).

Der Übergang von der Prämisse (oder dem System der Prämissen,
set of premises) p zu der Konklusion c findet beim Schliessen statt
gemäss einer in uns wirksamen Denkgewohnheit oder Regel.

Obwol diese das Folgern beherrschende oder "leitende" Gewohn-
heit gewöhnlich nicht vom Bewusstsein objektivirt wird (is not present
to the mind), sind wir uns doch bewusst, nach einem allgemeinen
Prinzip (on "some" general principle) zu schliessen.

Alle Schlussfolgerungen, welche ebendiese Denkgewohnheit be-
stimmen würde sobald nur die geeigneten (d. i. die unter den ersten
Teil ihres Schemas fallenden) Prämissen zugelassen wären (when once
the proper premises were admitted), bilden eine Klasse. Und die
Denkgewohnheit ist vom Standpunkt der Logik eine gute zu nennen,
wenn sie niemals (oder im Falle eines Schlusses nach der Wahr-
scheinlichkeit, in case of probable inference, selten) von einer wahren
Prämisse zu einer falschen Konklusion führen würde; andernfalles ist
sie verwerflich (logically bad). M. a. W. Jeder denkbare Fall der
Wirksamkeit einer guten Gewohnheit des Schliessens würde entweder
ein solcher sein, in welchem die Prämisse falsch, oder ein solcher, in
welchem die Konklusion wahr ist. Wogegen, wenn eine solche Ge-
wohnheit schlecht ist, Fälle denkbar sein würden, in welchen die
Prämisse wahr ist, während die Konklusion falsch bleibt.

Wir sahen, dass eine jede Gewohnheit ein allgemeines Schema
haben muss. Dies gilt mithin auch von einer Denkgewohnheit, welche
beim Folgern wirksam ist, das Ziehen von Schlüssen beherrscht: die-
selbe wird sich allemal durch einen Satz darstellen lassen, dass ein
Urteil (proposition) C von einer gewissen allgemeinen Form, welches
in einer bestimmten Beziehung steht zu einem Urteil (oder einer
Gruppe von Urteilen) P von ebenfalls allgemeinem oder schematischem
Ausdruck, wahr sein muss, sobald dieses letztere wahr ist.

Ein solcher Satz ist dann das "leitende Prinzip" der Klasse von
Schlussfolgerungen, deren Gültigkeit (validity) es in sich schliesst
(implies).

Wird der Schluss erstmalig gezogen, so pflegt (wie schon an-
gedeutet) das leitende Prinzip, solchergestalt formulirt, dem Geiste

Einleitung.

„Es gilt p, ergo gilt auch c“, oder abgekürzt:
p, ergo c
ist darum das Schema jeder Folgerung.

Die Konjunktion „ergo, folglich, also (therefore)“ ist das Zeichen
des Schliessens (sign of illation).

Der Übergang von der Prämisse (oder dem System der Prämissen,
set of premises) p zu der Konklusion c findet beim Schliessen statt
gemäss einer in uns wirksamen Denkgewohnheit oder Regel.

Obwol diese das Folgern beherrschende oder „leitende“ Gewohn-
heit gewöhnlich nicht vom Bewusstsein objektivirt wird (is not present
to the mind), sind wir uns doch bewusst, nach einem allgemeinen
Prinzip (on „some“ general principle) zu schliessen.

Alle Schlussfolgerungen, welche ebendiese Denkgewohnheit be-
stimmen würde sobald nur die geeigneten (d. i. die unter den ersten
Teil ihres Schemas fallenden) Prämissen zugelassen wären (when once
the proper premises were admitted), bilden eine Klasse. Und die
Denkgewohnheit ist vom Standpunkt der Logik eine gute zu nennen,
wenn sie niemals (oder im Falle eines Schlusses nach der Wahr-
scheinlichkeit, in case of probable inference, selten) von einer wahren
Prämisse zu einer falschen Konklusion führen würde; andernfalles ist
sie verwerflich (logically bad). M. a. W. Jeder denkbare Fall der
Wirksamkeit einer guten Gewohnheit des Schliessens würde entweder
ein solcher sein, in welchem die Prämisse falsch, oder ein solcher, in
welchem die Konklusion wahr ist. Wogegen, wenn eine solche Ge-
wohnheit schlecht ist, Fälle denkbar sein würden, in welchen die
Prämisse wahr ist, während die Konklusion falsch bleibt.

Wir sahen, dass eine jede Gewohnheit ein allgemeines Schema
haben muss. Dies gilt mithin auch von einer Denkgewohnheit, welche
beim Folgern wirksam ist, das Ziehen von Schlüssen beherrscht: die-
selbe wird sich allemal durch einen Satz darstellen lassen, dass ein
Urteil (proposition) C von einer gewissen allgemeinen Form, welches
in einer bestimmten Beziehung steht zu einem Urteil (oder einer
Gruppe von Urteilen) P von ebenfalls allgemeinem oder schematischem
Ausdruck, wahr sein muss, sobald dieses letztere wahr ist.

Ein solcher Satz ist dann das „leitende Prinzip“ der Klasse von
Schlussfolgerungen, deren Gültigkeit (validity) es in sich schliesst
(implies).

Wird der Schluss erstmalig gezogen, so pflegt (wie schon an-
gedeutet) das leitende Prinzip, solchergestalt formulirt, dem Geiste

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0134" n="114"/>
          <fw place="top" type="header">Einleitung.</fw><lb/>
          <p>&#x201E;Es gilt <hi rendition="#i">p</hi>, ergo gilt auch <hi rendition="#i">c</hi>&#x201C;, oder abgekürzt:<lb/><hi rendition="#c">&#x201E;<hi rendition="#i">p</hi>, ergo <hi rendition="#i">c</hi>&#x201C;</hi><lb/>
ist darum das Schema jeder Folgerung.</p><lb/>
          <p>Die Konjunktion &#x201E;ergo, folglich, also (therefore)&#x201C; ist das Zeichen<lb/>
des Schliessens (sign of illation).</p><lb/>
          <p>Der Übergang von der Prämisse (oder dem System der Prämissen,<lb/>
set of premises) <hi rendition="#i">p</hi> zu der Konklusion <hi rendition="#i">c</hi> findet beim Schliessen statt<lb/>
gemäss einer in uns wirksamen Denkgewohnheit oder Regel.</p><lb/>
          <p>Obwol diese das Folgern beherrschende oder &#x201E;leitende&#x201C; Gewohn-<lb/>
heit gewöhnlich nicht vom Bewusstsein objektivirt wird (is not present<lb/>
to the mind), sind wir uns doch bewusst, nach einem allgemeinen<lb/>
Prinzip (on &#x201E;some&#x201C; general principle) zu schliessen.</p><lb/>
          <p>Alle Schlussfolgerungen, welche ebendiese Denkgewohnheit be-<lb/>
stimmen würde sobald nur die geeigneten (d. i. die unter den ersten<lb/>
Teil ihres Schemas fallenden) Prämissen zugelassen wären (when once<lb/>
the proper premises were admitted), bilden eine Klasse. Und die<lb/>
Denkgewohnheit ist vom Standpunkt der Logik eine <hi rendition="#i">gute</hi> zu nennen,<lb/>
wenn sie niemals (oder im Falle eines Schlusses nach der Wahr-<lb/>
scheinlichkeit, in case of probable inference, selten) von einer wahren<lb/>
Prämisse zu einer falschen Konklusion führen würde; andernfalles ist<lb/>
sie <hi rendition="#i">verwerflich</hi> (logically bad). M. a. W. Jeder denkbare Fall der<lb/>
Wirksamkeit einer <hi rendition="#i">guten</hi> Gewohnheit des Schliessens würde entweder<lb/>
ein solcher sein, in welchem die Prämisse falsch, oder ein solcher, in<lb/>
welchem die Konklusion wahr ist. Wogegen, wenn eine solche Ge-<lb/>
wohnheit schlecht ist, Fälle denkbar sein würden, in welchen die<lb/>
Prämisse wahr ist, während die Konklusion falsch bleibt.</p><lb/>
          <p>Wir sahen, dass eine jede Gewohnheit ein allgemeines Schema<lb/>
haben muss. Dies gilt mithin auch von einer Denkgewohnheit, welche<lb/>
beim Folgern wirksam ist, das Ziehen von Schlüssen beherrscht: die-<lb/>
selbe wird sich allemal durch einen Satz darstellen lassen, dass ein<lb/>
Urteil (proposition) <hi rendition="#i">C</hi> von einer gewissen allgemeinen Form, welches<lb/>
in einer bestimmten Beziehung steht zu einem Urteil (oder einer<lb/>
Gruppe von Urteilen) <hi rendition="#i">P</hi> von ebenfalls allgemeinem oder schematischem<lb/>
Ausdruck, wahr sein muss, sobald dieses letztere wahr ist.</p><lb/>
          <p>Ein solcher Satz ist dann das &#x201E;<hi rendition="#i">leitende Prinzip</hi>&#x201C; der Klasse von<lb/>
Schlussfolgerungen, deren Gültigkeit (validity) es in sich schliesst<lb/>
(implies).</p><lb/>
          <p>Wird der Schluss erstmalig gezogen, so pflegt (wie schon an-<lb/>
gedeutet) das leitende Prinzip, solchergestalt formulirt, dem Geiste<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[114/0134] Einleitung. „Es gilt p, ergo gilt auch c“, oder abgekürzt: „p, ergo c“ ist darum das Schema jeder Folgerung. Die Konjunktion „ergo, folglich, also (therefore)“ ist das Zeichen des Schliessens (sign of illation). Der Übergang von der Prämisse (oder dem System der Prämissen, set of premises) p zu der Konklusion c findet beim Schliessen statt gemäss einer in uns wirksamen Denkgewohnheit oder Regel. Obwol diese das Folgern beherrschende oder „leitende“ Gewohn- heit gewöhnlich nicht vom Bewusstsein objektivirt wird (is not present to the mind), sind wir uns doch bewusst, nach einem allgemeinen Prinzip (on „some“ general principle) zu schliessen. Alle Schlussfolgerungen, welche ebendiese Denkgewohnheit be- stimmen würde sobald nur die geeigneten (d. i. die unter den ersten Teil ihres Schemas fallenden) Prämissen zugelassen wären (when once the proper premises were admitted), bilden eine Klasse. Und die Denkgewohnheit ist vom Standpunkt der Logik eine gute zu nennen, wenn sie niemals (oder im Falle eines Schlusses nach der Wahr- scheinlichkeit, in case of probable inference, selten) von einer wahren Prämisse zu einer falschen Konklusion führen würde; andernfalles ist sie verwerflich (logically bad). M. a. W. Jeder denkbare Fall der Wirksamkeit einer guten Gewohnheit des Schliessens würde entweder ein solcher sein, in welchem die Prämisse falsch, oder ein solcher, in welchem die Konklusion wahr ist. Wogegen, wenn eine solche Ge- wohnheit schlecht ist, Fälle denkbar sein würden, in welchen die Prämisse wahr ist, während die Konklusion falsch bleibt. Wir sahen, dass eine jede Gewohnheit ein allgemeines Schema haben muss. Dies gilt mithin auch von einer Denkgewohnheit, welche beim Folgern wirksam ist, das Ziehen von Schlüssen beherrscht: die- selbe wird sich allemal durch einen Satz darstellen lassen, dass ein Urteil (proposition) C von einer gewissen allgemeinen Form, welches in einer bestimmten Beziehung steht zu einem Urteil (oder einer Gruppe von Urteilen) P von ebenfalls allgemeinem oder schematischem Ausdruck, wahr sein muss, sobald dieses letztere wahr ist. Ein solcher Satz ist dann das „leitende Prinzip“ der Klasse von Schlussfolgerungen, deren Gültigkeit (validity) es in sich schliesst (implies). Wird der Schluss erstmalig gezogen, so pflegt (wie schon an- gedeutet) das leitende Prinzip, solchergestalt formulirt, dem Geiste

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/134
Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/134>, abgerufen am 25.11.2024.