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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Einleitung.
meine ich, dass diese überdies -- auf Grund eben ihrer vollkommnen
Konsequenz
-- von maassgebendem Einfluss auf die künftige Gestaltung
jener werden sollte, im Sinne einer Annäherung, ihrer Anbequemung
an sie.

Bei der Fülle von der verbalen Logik fremden, ja unzugänglichen
Themata von Untersuchungen, auf die wir hier einzugehen haben,
mussten naturgemäss manche verdienstliche Betrachtungen jener hier
unberücksichtigt bleiben oder konnten solche nur flüchtig gestreift
werden. Sollte in der That Alles, was mir anderwärts von Wert
erscheint, hier aufgenommen sein, so müsste ich das Volum des Buches
vermehrfacht haben. Es kann deshalb nur wünschenswert genannt
werden, dass der Studirende sich auch in der sonstigen zeitgenössischen
Logikliteratur thunlichst umsehe, wozu ihm die Literaturangaben in
unserm Verzeichnisse sowol als in gelegentlichen Noten Anregung
geben und behülflich sein mögen.

x3) Zum Schluss der Einleitung noch einige Worte über Wert und
Nutzen der Logik überhaupt und damit auch der vorliegenden Studien.

Schon die Logik von Port-Royal1 bemerkt, dass nichts schätzens-
werter sei, als der gesunde Verstand und ein zutreffendes Urteil (le
bon sens et la justesse de l'esprit) in der Unterscheidung dessen was
wahr und was falsch ist. Während alle andern Eigenschaften des
Geistes nur beschränkte Anwendungsgebiete besitzen, sei die Genauig-
keit der Urteilsfunktion (l'exactitude de la raison) allgemein von
Nutzen in allen Lagen und Verrichtungen des Lebens; denn nicht nur
in den Wissenschaften, sondern auch bei der grossen Mehrzahl der
Gegenstände (sujets), von denen die Menschen reden, und der Geschäfte,
die sie treiben, sei es schwierig und von grösster Wichtigkeit, die
Wahrheit vom Irrtum zu scheiden -- eine Aufgabe, die dem Verstand
obliege. Man solle deshalb vor allem darauf bedacht nehmen, die
eigne Urteilskraft zu entwickeln (de former son jugement). Gewöhn-
lich bediene man sich des Verstandes als des Mittels, sich der Wissen-
schaften zu bemächtigen, aber man solle eher sich der Wissenschaften
als eines Werkzeugs zur Vervollkommnung des Verstandes bedienen,
da die Schärfe des letztern ohne Vergleich wertvoller sei als alle auch
von den verlässigsten Wissenschaften erschlossenen Kenntnisse.

Und treffend hebt Mill hervor, dass bei weitem der grösste Teil
unsres Wissens (allgemeinen sowol wie des besonderen) offenbar aus
Folgerungen besteht. Folgerungen zu ziehen sei das grosse Geschäft
des Lebens genannt worden. Ein jeder habe täglich, alle Augenblick,

Einleitung.
meine ich, dass diese überdies — auf Grund eben ihrer vollkommnen
Konsequenz
— von maassgebendem Einfluss auf die künftige Gestaltung
jener werden sollte, im Sinne einer Annäherung, ihrer Anbequemung
an sie.

Bei der Fülle von der verbalen Logik fremden, ja unzugänglichen
Themata von Untersuchungen, auf die wir hier einzugehen haben,
mussten naturgemäss manche verdienstliche Betrachtungen jener hier
unberücksichtigt bleiben oder konnten solche nur flüchtig gestreift
werden. Sollte in der That Alles, was mir anderwärts von Wert
erscheint, hier aufgenommen sein, so müsste ich das Volum des Buches
vermehrfacht haben. Es kann deshalb nur wünschenswert genannt
werden, dass der Studirende sich auch in der sonstigen zeitgenössischen
Logikliteratur thunlichst umsehe, wozu ihm die Literaturangaben in
unserm Verzeichnisse sowol als in gelegentlichen Noten Anregung
geben und behülflich sein mögen.

ξ3) Zum Schluss der Einleitung noch einige Worte über Wert und
Nutzen der Logik überhaupt und damit auch der vorliegenden Studien.

Schon die Logik von Port-Royal1 bemerkt, dass nichts schätzens-
werter sei, als der gesunde Verstand und ein zutreffendes Urteil (le
bon sens et la justesse de l'esprit) in der Unterscheidung dessen was
wahr und was falsch ist. Während alle andern Eigenschaften des
Geistes nur beschränkte Anwendungsgebiete besitzen, sei die Genauig-
keit der Urteilsfunktion (l'exactitude de la raison) allgemein von
Nutzen in allen Lagen und Verrichtungen des Lebens; denn nicht nur
in den Wissenschaften, sondern auch bei der grossen Mehrzahl der
Gegenstände (sujets), von denen die Menschen reden, und der Geschäfte,
die sie treiben, sei es schwierig und von grösster Wichtigkeit, die
Wahrheit vom Irrtum zu scheiden — eine Aufgabe, die dem Verstand
obliege. Man solle deshalb vor allem darauf bedacht nehmen, die
eigne Urteilskraft zu entwickeln (de former son jugement). Gewöhn-
lich bediene man sich des Verstandes als des Mittels, sich der Wissen-
schaften zu bemächtigen, aber man solle eher sich der Wissenschaften
als eines Werkzeugs zur Vervollkommnung des Verstandes bedienen,
da die Schärfe des letztern ohne Vergleich wertvoller sei als alle auch
von den verlässigsten Wissenschaften erschlossenen Kenntnisse.

Und treffend hebt Mill hervor, dass bei weitem der grösste Teil
unsres Wissens (allgemeinen sowol wie des besonderen) offenbar aus
Folgerungen besteht. Folgerungen zu ziehen sei das grosse Geschäft
des Lebens genannt worden. Ein jeder habe täglich, alle Augenblick,

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[122/0142] Einleitung. meine ich, dass diese überdies — auf Grund eben ihrer vollkommnen Konsequenz — von maassgebendem Einfluss auf die künftige Gestaltung jener werden sollte, im Sinne einer Annäherung, ihrer Anbequemung an sie. Bei der Fülle von der verbalen Logik fremden, ja unzugänglichen Themata von Untersuchungen, auf die wir hier einzugehen haben, mussten naturgemäss manche verdienstliche Betrachtungen jener hier unberücksichtigt bleiben oder konnten solche nur flüchtig gestreift werden. Sollte in der That Alles, was mir anderwärts von Wert erscheint, hier aufgenommen sein, so müsste ich das Volum des Buches vermehrfacht haben. Es kann deshalb nur wünschenswert genannt werden, dass der Studirende sich auch in der sonstigen zeitgenössischen Logikliteratur thunlichst umsehe, wozu ihm die Literaturangaben in unserm Verzeichnisse sowol als in gelegentlichen Noten Anregung geben und behülflich sein mögen. ξ3) Zum Schluss der Einleitung noch einige Worte über Wert und Nutzen der Logik überhaupt und damit auch der vorliegenden Studien. Schon die Logik von Port-Royal1 bemerkt, dass nichts schätzens- werter sei, als der gesunde Verstand und ein zutreffendes Urteil (le bon sens et la justesse de l'esprit) in der Unterscheidung dessen was wahr und was falsch ist. Während alle andern Eigenschaften des Geistes nur beschränkte Anwendungsgebiete besitzen, sei die Genauig- keit der Urteilsfunktion (l'exactitude de la raison) allgemein von Nutzen in allen Lagen und Verrichtungen des Lebens; denn nicht nur in den Wissenschaften, sondern auch bei der grossen Mehrzahl der Gegenstände (sujets), von denen die Menschen reden, und der Geschäfte, die sie treiben, sei es schwierig und von grösster Wichtigkeit, die Wahrheit vom Irrtum zu scheiden — eine Aufgabe, die dem Verstand obliege. Man solle deshalb vor allem darauf bedacht nehmen, die eigne Urteilskraft zu entwickeln (de former son jugement). Gewöhn- lich bediene man sich des Verstandes als des Mittels, sich der Wissen- schaften zu bemächtigen, aber man solle eher sich der Wissenschaften als eines Werkzeugs zur Vervollkommnung des Verstandes bedienen, da die Schärfe des letztern ohne Vergleich wertvoller sei als alle auch von den verlässigsten Wissenschaften erschlossenen Kenntnisse. Und treffend hebt Mill hervor, dass bei weitem der grösste Teil unsres Wissens (allgemeinen sowol wie des besonderen) offenbar aus Folgerungen besteht. Folgerungen zu ziehen sei das grosse Geschäft des Lebens genannt worden. Ein jeder habe täglich, alle Augenblick,

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/142>, abgerufen am 25.11.2024.