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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Erste Vorlesung

Das in dem Rufe: "Feuer!" niedergelegte Urteil dürfte ebenfalls wesent-
lich als Existenzialurteil anzusehen sein. Und anderes mehr.

Dagegen würde das schon in B der Einleitung erwähnte Urteil: "der
Pegasus ist geflügelt", sich logisch decken mit der Subsumtion: "die (er-
dichtete) Vorstellung vom (Dichterrosse) Pegasus ist enthalten in der
Klasse der Vorstellungen von solchen Dingen (Wesen), welche als geflügelt
zu bezeichnen".

In der Regel geht in unsern Kultursprachen das Subjekt dem Prädi-
kate voran, doch haben wir bereits auf Fälle hingewiesen, wo das Subjekt
provisorisch nur durch "es" vertreten erscheint, um ausführlichst hinter
dem Prädikate beschrieben zu werden. Dahin gehörten auch die meisten
Existenzialurteile, cf. "Es war einmal ein König ..." etc.

Fälle der umgekehrten Stellung beider Satzglieder kommen auch ausser-
dem vor, jedoch verhältnissmässig selten, so namentlich bei anschaulich
lebendigen Schilderungen vorwiegend sinnlichen Charakters -- wie denn
noch auf sinnlicher Stufe stehende Sprachen, z. B. Das Hebräische, das
Verbum besonders gerne voranstellen (Sigwart), so auch im gemütlichen
Erzählerton und in poetischen Wendungen. Vergl. z. B. "Unaufhörlich
donnerten die Lawinen, rollte der Donner, knatterte das Kleingewehrfeuer;
unausgesetzt schien die Sonne", "Unaufhaltsam schreitet fort die Zeit", etc.
Der Satz: "In Südafrika lebt das Erdferkel" kennzeichnet durch diese Stel-
lung sich als ein partikulares Urteil und hat darum eine andere logische
Tragweite, als der Satz: "Das Erdferkel lebt in Südafrika", welcher uni-
versal, und falsch zu nennen wäre, da diese Tiere auch in Senegambien
vorkommen.

Es muss dem Sprachgefühl des Lesers überlassen werden, allemal
(auch bei der umgekehrten Stellung) das Subjekt ausfindig zu machen,
dasselbe nebst dem Prädikate zu erkennen. -- Man übe sich, etwa an
Sentenzen, wie: "Diejenigen verzeihen nie, die das Unrecht zugefügt haben"
(They never pardon, who have done the wrong, Jevons), oder Goethe's:
"Was wir verstehen können wir nicht tadeln" etc., desgleichen an irgend-
welchen Sätzen, wie "Ich fühle mich jetzt besser"; "So hat er gesagt"
(= Das eben Vernommene ist übereinstimmend mit dem, was er, damals,
gesagt hat -- De Morgan); "Hans ist allein zuhause" (= die Klasse der
zuhause befindlichen Personen ist identisch der singulären Klasse "Hans") --
die beiden letzten, wie man sieht, umkehrbare Urteile. Etc. --

Es ist darüber gestritten worden, ob ein Urteil wie "dieser Hund ist
ein laufender" genau denselben Gehalt habe wie das Urteil "dieser Hund
läuft". Solange man uns nicht einen Hund zeigen kann, der ein "soeben
laufender" ist und dennoch nicht "läuft" -- oder umgekehrt -- darf uns
die ganze Frage als eine höchstens dem psychologischen gebiet angehörige
hier gleichgültig bleiben.

Wir versuchten vorstehend darzuthun, dass in der That und in
welcher Weise ein jedes Urteil, soferne man die Umfangsbeziehung
zwischen Subjekt- und Prädikatbegriff in's Auge fasst, hinausläuft auf
und darzustellen ist als eine Subsumtion. Gelang es, dies für die Urteils-
bildungen in der deutschen Sprache einleuchtend zu machen, so dürfen

Erste Vorlesung

Das in dem Rufe: „Feuer!“ niedergelegte Urteil dürfte ebenfalls wesent-
lich als Existenzialurteil anzusehen sein. Und anderes mehr.

Dagegen würde das schon in B der Einleitung erwähnte Urteil: „der
Pegasus ist geflügelt“, sich logisch decken mit der Subsumtion: „die (er-
dichtete) Vorstellung vom (Dichterrosse) Pegasus ist enthalten in der
Klasse der Vorstellungen von solchen Dingen (Wesen), welche als geflügelt
zu bezeichnen“.

In der Regel geht in unsern Kultursprachen das Subjekt dem Prädi-
kate voran, doch haben wir bereits auf Fälle hingewiesen, wo das Subjekt
provisorisch nur durch „es“ vertreten erscheint, um ausführlichst hinter
dem Prädikate beschrieben zu werden. Dahin gehörten auch die meisten
Existenzialurteile, cf. „Es war einmal ein König …“ etc.

Fälle der umgekehrten Stellung beider Satzglieder kommen auch ausser-
dem vor, jedoch verhältnissmässig selten, so namentlich bei anschaulich
lebendigen Schilderungen vorwiegend sinnlichen Charakters — wie denn
noch auf sinnlicher Stufe stehende Sprachen, z. B. Das Hebräische, das
Verbum besonders gerne voranstellen (Sigwart), so auch im gemütlichen
Erzählerton und in poetischen Wendungen. Vergl. z. B. „Unaufhörlich
donnerten die Lawinen, rollte der Donner, knatterte das Kleingewehrfeuer;
unausgesetzt schien die Sonne“, „Unaufhaltsam schreitet fort die Zeit“, etc.
Der Satz: „In Südafrika lebt das Erdferkel“ kennzeichnet durch diese Stel-
lung sich als ein partikulares Urteil und hat darum eine andere logische
Tragweite, als der Satz: „Das Erdferkel lebt in Südafrika“, welcher uni-
versal, und falsch zu nennen wäre, da diese Tiere auch in Senegambien
vorkommen.

Es muss dem Sprachgefühl des Lesers überlassen werden, allemal
(auch bei der umgekehrten Stellung) das Subjekt ausfindig zu machen,
dasselbe nebst dem Prädikate zu erkennen. — Man übe sich, etwa an
Sentenzen, wie: „Diejenigen verzeihen nie, die das Unrecht zugefügt haben“
(They never pardon, who have done the wrong, Jevons), oder Goethe's:
„Was wir verstehen können wir nicht tadeln“ etc., desgleichen an irgend-
welchen Sätzen, wie „Ich fühle mich jetzt besser“; „So hat er gesagt“
(= Das eben Vernommene ist übereinstimmend mit dem, was er, damals,
gesagt hat — De Morgan); „Hans ist allein zuhause“ (= die Klasse der
zuhause befindlichen Personen ist identisch der singulären Klasse „Hans“) —
die beiden letzten, wie man sieht, umkehrbare Urteile. Etc. —

Es ist darüber gestritten worden, ob ein Urteil wie „dieser Hund ist
ein laufender“ genau denselben Gehalt habe wie das Urteil „dieser Hund
läuft“. Solange man uns nicht einen Hund zeigen kann, der ein „soeben
laufender“ ist und dennoch nicht „läuft“ — oder umgekehrt — darf uns
die ganze Frage als eine höchstens dem psychologischen gebiet angehörige
hier gleichgültig bleiben.

Wir versuchten vorstehend darzuthun, dass in der That und in
welcher Weise ein jedes Urteil, soferne man die Umfangsbeziehung
zwischen Subjekt- und Prädikatbegriff in's Auge fasst, hinausläuft auf
und darzustellen ist als eine Subsumtion. Gelang es, dies für die Urteils-
bildungen in der deutschen Sprache einleuchtend zu machen, so dürfen

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[154/0174] Erste Vorlesung Das in dem Rufe: „Feuer!“ niedergelegte Urteil dürfte ebenfalls wesent- lich als Existenzialurteil anzusehen sein. Und anderes mehr. Dagegen würde das schon in B der Einleitung erwähnte Urteil: „der Pegasus ist geflügelt“, sich logisch decken mit der Subsumtion: „die (er- dichtete) Vorstellung vom (Dichterrosse) Pegasus ist enthalten in der Klasse der Vorstellungen von solchen Dingen (Wesen), welche als geflügelt zu bezeichnen“. In der Regel geht in unsern Kultursprachen das Subjekt dem Prädi- kate voran, doch haben wir bereits auf Fälle hingewiesen, wo das Subjekt provisorisch nur durch „es“ vertreten erscheint, um ausführlichst hinter dem Prädikate beschrieben zu werden. Dahin gehörten auch die meisten Existenzialurteile, cf. „Es war einmal ein König …“ etc. Fälle der umgekehrten Stellung beider Satzglieder kommen auch ausser- dem vor, jedoch verhältnissmässig selten, so namentlich bei anschaulich lebendigen Schilderungen vorwiegend sinnlichen Charakters — wie denn noch auf sinnlicher Stufe stehende Sprachen, z. B. Das Hebräische, das Verbum besonders gerne voranstellen (Sigwart), so auch im gemütlichen Erzählerton und in poetischen Wendungen. Vergl. z. B. „Unaufhörlich donnerten die Lawinen, rollte der Donner, knatterte das Kleingewehrfeuer; unausgesetzt schien die Sonne“, „Unaufhaltsam schreitet fort die Zeit“, etc. Der Satz: „In Südafrika lebt das Erdferkel“ kennzeichnet durch diese Stel- lung sich als ein partikulares Urteil und hat darum eine andere logische Tragweite, als der Satz: „Das Erdferkel lebt in Südafrika“, welcher uni- versal, und falsch zu nennen wäre, da diese Tiere auch in Senegambien vorkommen. Es muss dem Sprachgefühl des Lesers überlassen werden, allemal (auch bei der umgekehrten Stellung) das Subjekt ausfindig zu machen, dasselbe nebst dem Prädikate zu erkennen. — Man übe sich, etwa an Sentenzen, wie: „Diejenigen verzeihen nie, die das Unrecht zugefügt haben“ (They never pardon, who have done the wrong, Jevons), oder Goethe's: „Was wir verstehen können wir nicht tadeln“ etc., desgleichen an irgend- welchen Sätzen, wie „Ich fühle mich jetzt besser“; „So hat er gesagt“ (= Das eben Vernommene ist übereinstimmend mit dem, was er, damals, gesagt hat — De Morgan); „Hans ist allein zuhause“ (= die Klasse der zuhause befindlichen Personen ist identisch der singulären Klasse „Hans“) — die beiden letzten, wie man sieht, umkehrbare Urteile. Etc. — Es ist darüber gestritten worden, ob ein Urteil wie „dieser Hund ist ein laufender“ genau denselben Gehalt habe wie das Urteil „dieser Hund läuft“. Solange man uns nicht einen Hund zeigen kann, der ein „soeben laufender“ ist und dennoch nicht „läuft“ — oder umgekehrt — darf uns die ganze Frage als eine höchstens dem psychologischen gebiet angehörige hier gleichgültig bleiben. Wir versuchten vorstehend darzuthun, dass in der That und in welcher Weise ein jedes Urteil, soferne man die Umfangsbeziehung zwischen Subjekt- und Prädikatbegriff in's Auge fasst, hinausläuft auf und darzustellen ist als eine Subsumtion. Gelang es, dies für die Urteils- bildungen in der deutschen Sprache einleuchtend zu machen, so dürfen

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/174>, abgerufen am 21.11.2024.