Aufgabe -- uns in der Lage, dass wir gar nicht wissen, was alles in unserm Wissen schon enthalten ist, dass wir nicht sofort abzusehen ver- mögen, ob ein Bestimmtes darin liegt oder nicht, und es im ersten Falle eine schwere Arbeit kostet, dasselbe herauszuholen!
Es ist dieser Umstand die Folge von dem Vorhandensein allgemeiner Erkenntnisse, in Gestalt von welchen ja gegenüber dem direkten Erkennen auch das mittelbare oder indirekte Erfassen von Wahrheit zur Thatsache wird.
Wer den Wert der Deduktion überhaupt oder der Syllogistik ins- besondere aus dem Grunde bestreitet, weil dabei ein Verlust, ein Preis- geben von, Verzichten auf, Opfer an Erkenntnissmaterial stattfindet, gebraucht durchaus kein stichhaltigeres Argument oder Beweismittel, als jemand, der den Nutzen der Maschine leugnen wollte, weil sie vom verfügbaren Arbeitsvorrat einen Teil als Nebeneffekt verloren gehen lässt -- oder auch den Wert der Bildhauerkunst wegen des durch sie herbeigeführten Verlustes an Marmor! Es hat auch die Gestalt, in der wir Erkenntnisse isoliren, ihren selbständigen Wert.
Um die Wertschätzung der Deduktion dem Anfänger gegenüber zu retten, resp. diese gegen die auf sie erfolgten Angriffe zu ver- teidigen, heben Mill und Wundt1 (p. 285 sq.) -- an Stelle des vor- stehend von mir in den Vordergrund gestellten Grundes -- als ein ebenfalls nicht zu übersehendes Moment mit Recht hervor, dass man bei jenen auf eine Geringschätzung hinauslaufenden Einwänden von der verkehrten Vorstellung ausgeht, ein allgemeiner Satz lasse sich nur auf diejenigen Fälle anwenden, aus welchen er abstrahirt worden ist. Die fruchtbringendste Anwendung unsres Syllogismus besteht aber gerade darin, dass wir ihn auf solche Fälle anwenden, die zur Auf- stellung der (in der Regel wol induktorisch gewonnenen, vielleicht auch axiomatisch-hypothetisch aufgestellten) allgemeinen Prämisse nicht ge- dient haben.
Ein gut gewähltes Beispiel hiezu bringt Ueberweg in Gestalt des Schlusses: Was das Pendel verlängert verlangsamt (ceteris paribus, unter sonst gleichen Umständen) den Gang desselben. Wärme (genauer: Temperatursteigerung, Erwärmung) verlängert das Pendel. Also ver- langsamt sie seinen Gang. Der Obersatz konnte in der theoretischen Physik durch Rechnung abgeleitet sein, und brauchte also nicht not- wendig ohne Vermittelung des Untersatzes schon den Schlusssatz als Spezialfall in sich zu enthalten (cf. Fr. A. Lange1 p. 89).
Im Grunde auch wird ja bei dem induktiven Verfahren, es wird selbst in den Erfahrungswissenschaften immer nur von besonderen Fällen auf den besonderen Fall geschlossen. Schon das einmal sich gebrannt habende Kind scheut ein zweites mal das Feuer, noch ehe es sich zu
Schröder, Algebra der Logik. 12
§ 4. Erste Grundlagen: Prinzip II.
Aufgabe — uns in der Lage, dass wir gar nicht wissen, was alles in unserm Wissen schon enthalten ist, dass wir nicht sofort abzusehen ver- mögen, ob ein Bestimmtes darin liegt oder nicht, und es im ersten Falle eine schwere Arbeit kostet, dasselbe herauszuholen!
Es ist dieser Umstand die Folge von dem Vorhandensein allgemeiner Erkenntnisse, in Gestalt von welchen ja gegenüber dem direkten Erkennen auch das mittelbare oder indirekte Erfassen von Wahrheit zur Thatsache wird.
Wer den Wert der Deduktion überhaupt oder der Syllogistik ins- besondere aus dem Grunde bestreitet, weil dabei ein Verlust, ein Preis- geben von, Verzichten auf, Opfer an Erkenntnissmaterial stattfindet, gebraucht durchaus kein stichhaltigeres Argument oder Beweismittel, als jemand, der den Nutzen der Maschine leugnen wollte, weil sie vom verfügbaren Arbeitsvorrat einen Teil als Nebeneffekt verloren gehen lässt — oder auch den Wert der Bildhauerkunst wegen des durch sie herbeigeführten Verlustes an Marmor! Es hat auch die Gestalt, in der wir Erkenntnisse isoliren, ihren selbständigen Wert.
Um die Wertschätzung der Deduktion dem Anfänger gegenüber zu retten, resp. diese gegen die auf sie erfolgten Angriffe zu ver- teidigen, heben Mill und Wundt1 (p. 285 sq.) — an Stelle des vor- stehend von mir in den Vordergrund gestellten Grundes — als ein ebenfalls nicht zu übersehendes Moment mit Recht hervor, dass man bei jenen auf eine Geringschätzung hinauslaufenden Einwänden von der verkehrten Vorstellung ausgeht, ein allgemeiner Satz lasse sich nur auf diejenigen Fälle anwenden, aus welchen er abstrahirt worden ist. Die fruchtbringendste Anwendung unsres Syllogismus besteht aber gerade darin, dass wir ihn auf solche Fälle anwenden, die zur Auf- stellung der (in der Regel wol induktorisch gewonnenen, vielleicht auch axiomatisch-hypothetisch aufgestellten) allgemeinen Prämisse nicht ge- dient haben.
Ein gut gewähltes Beispiel hiezu bringt Ueberweg in Gestalt des Schlusses: Was das Pendel verlängert verlangsamt (ceteris paribus, unter sonst gleichen Umständen) den Gang desselben. Wärme (genauer: Temperatursteigerung, Erwärmung) verlängert das Pendel. Also ver- langsamt sie seinen Gang. Der Obersatz konnte in der theoretischen Physik durch Rechnung abgeleitet sein, und brauchte also nicht not- wendig ohne Vermittelung des Untersatzes schon den Schlusssatz als Spezialfall in sich zu enthalten (cf. Fr. A. Lange1 p. 89).
Im Grunde auch wird ja bei dem induktiven Verfahren, es wird selbst in den Erfahrungswissenschaften immer nur von besonderen Fällen auf den besonderen Fall geschlossen. Schon das einmal sich gebrannt habende Kind scheut ein zweites mal das Feuer, noch ehe es sich zu
Schröder, Algebra der Logik. 12
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§ 4. Erste Grundlagen: Prinzip II.
Aufgabe — uns in der Lage, dass wir gar nicht wissen, was alles in
unserm Wissen schon enthalten ist, dass wir nicht sofort abzusehen ver-
mögen, ob ein Bestimmtes darin liegt oder nicht, und es im ersten Falle
eine schwere Arbeit kostet, dasselbe herauszuholen!
Es ist dieser Umstand die Folge von dem Vorhandensein allgemeiner
Erkenntnisse, in Gestalt von welchen ja gegenüber dem direkten Erkennen
auch das mittelbare oder indirekte Erfassen von Wahrheit zur Thatsache wird.
Wer den Wert der Deduktion überhaupt oder der Syllogistik ins-
besondere aus dem Grunde bestreitet, weil dabei ein Verlust, ein Preis-
geben von, Verzichten auf, Opfer an Erkenntnissmaterial stattfindet,
gebraucht durchaus kein stichhaltigeres Argument oder Beweismittel,
als jemand, der den Nutzen der Maschine leugnen wollte, weil sie vom
verfügbaren Arbeitsvorrat einen Teil als Nebeneffekt verloren gehen
lässt — oder auch den Wert der Bildhauerkunst wegen des durch sie
herbeigeführten Verlustes an Marmor! Es hat auch die Gestalt, in
der wir Erkenntnisse isoliren, ihren selbständigen Wert.
Um die Wertschätzung der Deduktion dem Anfänger gegenüber
zu retten, resp. diese gegen die auf sie erfolgten Angriffe zu ver-
teidigen, heben Mill und Wundt1 (p. 285 sq.) — an Stelle des vor-
stehend von mir in den Vordergrund gestellten Grundes — als ein
ebenfalls nicht zu übersehendes Moment mit Recht hervor, dass man
bei jenen auf eine Geringschätzung hinauslaufenden Einwänden von
der verkehrten Vorstellung ausgeht, ein allgemeiner Satz lasse sich
nur auf diejenigen Fälle anwenden, aus welchen er abstrahirt worden
ist. Die fruchtbringendste Anwendung unsres Syllogismus besteht aber
gerade darin, dass wir ihn auf solche Fälle anwenden, die zur Auf-
stellung der (in der Regel wol induktorisch gewonnenen, vielleicht auch
axiomatisch-hypothetisch aufgestellten) allgemeinen Prämisse nicht ge-
dient haben.
Ein gut gewähltes Beispiel hiezu bringt Ueberweg in Gestalt
des Schlusses: Was das Pendel verlängert verlangsamt (ceteris paribus,
unter sonst gleichen Umständen) den Gang desselben. Wärme (genauer:
Temperatursteigerung, Erwärmung) verlängert das Pendel. Also ver-
langsamt sie seinen Gang. Der Obersatz konnte in der theoretischen
Physik durch Rechnung abgeleitet sein, und brauchte also nicht not-
wendig ohne Vermittelung des Untersatzes schon den Schlusssatz als
Spezialfall in sich zu enthalten (cf. Fr. A. Lange1 p. 89).
Im Grunde auch wird ja bei dem induktiven Verfahren, es wird
selbst in den Erfahrungswissenschaften immer nur von besonderen Fällen
auf den besonderen Fall geschlossen. Schon das einmal sich gebrannt
habende Kind scheut ein zweites mal das Feuer, noch ehe es sich zu
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/197>, abgerufen am 24.11.2024.
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