§ 5. Die identische Multiplikation und Addition. Peirce's analytische Definition von Produkt und Summe.
Wir müssen uns nunmehr mit Operationen bekannt machen, durch welche aus (zunächst) zwei Gebieten a, b jeweils ein drittes Gebiet abgeleitet werden kann, aus zwei Klassen eine dritte (später dann auch aus mehreren solchen eine neue). Zwei wichtigste von solchen Ope- rationen bezeichnen wir als identische Multiplikation und als identische Addition, und entlehnen -- der Einfachheit wegen -- Namen und Be- zeichnungsweise für die Operationsergebnisse und die dazu verknüpften Operationsglieder aus der Arithmetik von den gleichnamigen arithme- tischen Operationen.
Erfahrungsmässig hat dies Verfahren einen gewissen Widerstand zu gewärtigen; dasselbe wird nicht von jedermann ohne weiteres gebilligt und acceptirt. Es werden deshalb einige Worte zu seiner Rechtfertigung am Platze sein, sowie Fingerzeige, wie dasselbe da wo es ungeeignet erscheinen sollte, zu modifiziren sei.
Mit dem Malzeichen, z. B., und dem Namen "Produkt" die Vorstellung einer arithmetischen Multiplikation zu verknüpfen, ist durch jahrhunderte- langen Gebrauch sanktionirt, und von dieser langgewohnten und berech- tigten Gedankenverbindung zwischen Namen und dem durch sie Benannten sich hier stets frei zu halten wird in der That dem Leser zugemutet er- scheinen, wenn wir wirklich jene Namen und Zeichen aus der Arithmetik in unsre Disziplin herübernehmen. Bedeuteten die zu einem Produkt a · b oder a b zu vereinigenden Symbole a und b hier Zahlen oder auch Klassen, Gattungen von Zahlen, so wäre die Zumutung allenfalls eine harte zu nennen.
Solches ist nun aber nicht der Fall. Freilich, da uns a und b Klassen von irgendwelchen Dingen oder Objekten des Denkens vorzustellen haben werden, so ist ihre Interpretation als Klassen von Zahlen nicht gerade prinzipiell ausgeschlossen. Doch bildet letztere gegenüber den sonst hier im allgemeinen beabsichtigten Deutungsweisen ein Anwendungsfeld von sehr speziellem Charakter und verhältnissmässig untergeordneter Wichtigkeit. Für dieses, wenn es überhaupt in Betracht gezogen werden sollte, kann man sich leicht gewisse Kautelen, eine besondere Behutsamkeit in der Ver- wendung der Namen und Zeichen, als logischer (identischer) oder aber
Dritte Vorlesung.
§ 5. Die identische Multiplikation und Addition. Peirce's analytische Definition von Produkt und Summe.
Wir müssen uns nunmehr mit Operationen bekannt machen, durch welche aus (zunächst) zwei Gebieten a, b jeweils ein drittes Gebiet abgeleitet werden kann, aus zwei Klassen eine dritte (später dann auch aus mehreren solchen eine neue). Zwei wichtigste von solchen Ope- rationen bezeichnen wir als identische Multiplikation und als identische Addition, und entlehnen — der Einfachheit wegen — Namen und Be- zeichnungsweise für die Operationsergebnisse und die dazu verknüpften Operationsglieder aus der Arithmetik von den gleichnamigen arithme- tischen Operationen.
Erfahrungsmässig hat dies Verfahren einen gewissen Widerstand zu gewärtigen; dasselbe wird nicht von jedermann ohne weiteres gebilligt und acceptirt. Es werden deshalb einige Worte zu seiner Rechtfertigung am Platze sein, sowie Fingerzeige, wie dasselbe da wo es ungeeignet erscheinen sollte, zu modifiziren sei.
Mit dem Malzeichen, z. B., und dem Namen „Produkt“ die Vorstellung einer arithmetischen Multiplikation zu verknüpfen, ist durch jahrhunderte- langen Gebrauch sanktionirt, und von dieser langgewohnten und berech- tigten Gedankenverbindung zwischen Namen und dem durch sie Benannten sich hier stets frei zu halten wird in der That dem Leser zugemutet er- scheinen, wenn wir wirklich jene Namen und Zeichen aus der Arithmetik in unsre Disziplin herübernehmen. Bedeuteten die zu einem Produkt a · b oder a b zu vereinigenden Symbole a und b hier Zahlen oder auch Klassen, Gattungen von Zahlen, so wäre die Zumutung allenfalls eine harte zu nennen.
Solches ist nun aber nicht der Fall. Freilich, da uns a und b Klassen von irgendwelchen Dingen oder Objekten des Denkens vorzustellen haben werden, so ist ihre Interpretation als Klassen von Zahlen nicht gerade prinzipiell ausgeschlossen. Doch bildet letztere gegenüber den sonst hier im allgemeinen beabsichtigten Deutungsweisen ein Anwendungsfeld von sehr speziellem Charakter und verhältnissmässig untergeordneter Wichtigkeit. Für dieses, wenn es überhaupt in Betracht gezogen werden sollte, kann man sich leicht gewisse Kautelen, eine besondere Behutsamkeit in der Ver- wendung der Namen und Zeichen, als logischer (identischer) oder aber
<TEI><text><body><pbfacs="#f0211"n="[191]"/><divn="1"><head><hirendition="#g">Dritte Vorlesung</hi>.</head><lb/><divn="2"><head>§ 5. <hirendition="#b">Die identische Multiplikation und Addition.<lb/><hirendition="#g">Peirce</hi>'s analytische Definition von Produkt und Summe.</hi></head><lb/><p>Wir müssen uns nunmehr mit <hirendition="#i">Operationen</hi> bekannt machen, durch<lb/>
welche aus (zunächst) zwei Gebieten <hirendition="#i">a</hi>, <hirendition="#i">b</hi> jeweils ein drittes Gebiet<lb/>
abgeleitet werden kann, aus zwei Klassen eine dritte (später dann auch<lb/>
aus mehreren solchen eine neue). Zwei wichtigste von solchen Ope-<lb/>
rationen bezeichnen wir als <hirendition="#i">identische Multiplikation</hi> und als <hirendition="#i">identische<lb/>
Addition</hi>, und entlehnen — der Einfachheit wegen — Namen und Be-<lb/>
zeichnungsweise für die Operationsergebnisse und die dazu verknüpften<lb/>
Operationsglieder aus der Arithmetik von den gleichnamigen arithme-<lb/>
tischen Operationen.</p><lb/><p>Erfahrungsmässig hat dies Verfahren einen gewissen Widerstand zu<lb/>
gewärtigen; dasselbe wird nicht von jedermann ohne weiteres gebilligt und<lb/>
acceptirt. Es werden deshalb einige Worte zu seiner Rechtfertigung am<lb/>
Platze sein, sowie Fingerzeige, wie dasselbe da wo es ungeeignet erscheinen<lb/>
sollte, zu modifiziren sei.</p><lb/><p>Mit dem Malzeichen, z. B., und dem Namen „Produkt“ die Vorstellung<lb/>
einer <hirendition="#i">arithmetischen</hi> Multiplikation zu verknüpfen, ist durch jahrhunderte-<lb/>
langen Gebrauch sanktionirt, und von dieser langgewohnten und berech-<lb/>
tigten Gedankenverbindung zwischen Namen und dem durch sie Benannten<lb/>
sich hier stets frei zu halten wird in der That dem Leser zugemutet er-<lb/>
scheinen, wenn wir wirklich jene Namen und Zeichen aus der Arithmetik<lb/>
in unsre Disziplin herübernehmen. Bedeuteten die zu einem Produkt <hirendition="#i">a</hi> · <hirendition="#i">b</hi><lb/>
oder <hirendition="#i">a b</hi> zu vereinigenden Symbole <hirendition="#i">a</hi> und <hirendition="#i">b</hi> hier Zahlen oder auch<lb/>
Klassen, Gattungen von Zahlen, so wäre die Zumutung allenfalls eine harte<lb/>
zu nennen.</p><lb/><p>Solches ist nun aber <hirendition="#i">nicht</hi> der Fall. Freilich, da uns <hirendition="#i">a</hi> und <hirendition="#i">b</hi> Klassen<lb/>
von <hirendition="#i">irgendwelchen Dingen</hi> oder Objekten des Denkens vorzustellen haben<lb/>
werden, so ist ihre Interpretation als <hirendition="#i">Klassen von Zahlen</hi> nicht gerade<lb/>
prinzipiell <choice><sic>ansgeschlossen</sic><corr>ausgeschlossen</corr></choice>. Doch bildet letztere gegenüber den sonst hier<lb/>
im allgemeinen beabsichtigten Deutungsweisen ein Anwendungsfeld von sehr<lb/>
speziellem Charakter und verhältnissmässig untergeordneter Wichtigkeit.<lb/>
Für dieses, wenn es überhaupt in Betracht gezogen werden sollte, kann<lb/>
man sich leicht gewisse Kautelen, eine besondere Behutsamkeit in der Ver-<lb/>
wendung der Namen und Zeichen, als logischer (identischer) oder aber<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[191]/0211]
Dritte Vorlesung.
§ 5. Die identische Multiplikation und Addition.
Peirce's analytische Definition von Produkt und Summe.
Wir müssen uns nunmehr mit Operationen bekannt machen, durch
welche aus (zunächst) zwei Gebieten a, b jeweils ein drittes Gebiet
abgeleitet werden kann, aus zwei Klassen eine dritte (später dann auch
aus mehreren solchen eine neue). Zwei wichtigste von solchen Ope-
rationen bezeichnen wir als identische Multiplikation und als identische
Addition, und entlehnen — der Einfachheit wegen — Namen und Be-
zeichnungsweise für die Operationsergebnisse und die dazu verknüpften
Operationsglieder aus der Arithmetik von den gleichnamigen arithme-
tischen Operationen.
Erfahrungsmässig hat dies Verfahren einen gewissen Widerstand zu
gewärtigen; dasselbe wird nicht von jedermann ohne weiteres gebilligt und
acceptirt. Es werden deshalb einige Worte zu seiner Rechtfertigung am
Platze sein, sowie Fingerzeige, wie dasselbe da wo es ungeeignet erscheinen
sollte, zu modifiziren sei.
Mit dem Malzeichen, z. B., und dem Namen „Produkt“ die Vorstellung
einer arithmetischen Multiplikation zu verknüpfen, ist durch jahrhunderte-
langen Gebrauch sanktionirt, und von dieser langgewohnten und berech-
tigten Gedankenverbindung zwischen Namen und dem durch sie Benannten
sich hier stets frei zu halten wird in der That dem Leser zugemutet er-
scheinen, wenn wir wirklich jene Namen und Zeichen aus der Arithmetik
in unsre Disziplin herübernehmen. Bedeuteten die zu einem Produkt a · b
oder a b zu vereinigenden Symbole a und b hier Zahlen oder auch
Klassen, Gattungen von Zahlen, so wäre die Zumutung allenfalls eine harte
zu nennen.
Solches ist nun aber nicht der Fall. Freilich, da uns a und b Klassen
von irgendwelchen Dingen oder Objekten des Denkens vorzustellen haben
werden, so ist ihre Interpretation als Klassen von Zahlen nicht gerade
prinzipiell ausgeschlossen. Doch bildet letztere gegenüber den sonst hier
im allgemeinen beabsichtigten Deutungsweisen ein Anwendungsfeld von sehr
speziellem Charakter und verhältnissmässig untergeordneter Wichtigkeit.
Für dieses, wenn es überhaupt in Betracht gezogen werden sollte, kann
man sich leicht gewisse Kautelen, eine besondere Behutsamkeit in der Ver-
wendung der Namen und Zeichen, als logischer (identischer) oder aber
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. [191]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/211>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.