Termen). Z. B. "Buschmänner (Hottentoten, Namaqua) und Neger (Damra, Herero's) befehden einander" will nicht sagen: "Buschmänner befehden einander" und "Neger befehden einander", sondern: "Die Buschmänner befehden die Neger" und "Die Neger befehden die Busch- männer".
"a und b sind einander gleich" heisst natürlich nicht: "a ist ein- ander gleich" und "b ist einander gleich", sondern: "a ist gleich b" und "b ist gleich a". Analog: "Der Kläger und der Beklagte verglichen sich". Etc.
"Die Herren A und B schliessen einen Kauf ab" heisst: "Herr A schliesst einen Kauf ab" und "Herr B schliesst einen Kauf ab", und lässt es offen, ob sie dies miteinander thun, wobei der eine Herr als Käufer der andere als Verkäufer erscheinen würde, oder aber mit dritten Personen. Im ersten Falle würde das Prädikat zwar eine Be- ziehung zwischen den beiden Individuen der Subjektklasse involviren, und doch die erwähnte Ausnahme nicht Platz greifen, weil die gedachte Beziehung im Prädikat nicht ausdrücklich erwähnt ist.
In allen Beispielen überträgt sich doch wesentlich das Prädikat ("befehden", "gleich sein", "Kauf abschliessen" etc.) auch auf die Unter- klassen und Individuen der Subjektklasse, und in gewissem Sinne bleibt es immer wahr, dass, was von der Gattung ausgesagt wird, auch von deren Arten und Individuen gelten, ausgesagt sein soll; nur die Beziehung, welche dem Prädikat beigefügt ist, das "einander" oder "mit, gegen, durch, etc. einander" muss bei den Einzelübertragungen des Prädikats auf jene Unterklassen jeweils modifizirt, verschieden ausgedrückt, oder -- um einen bei Nicht-Mathematikern in diesem Sinne beliebten Aus- druck zu gebrauchen -- muss dabei "differenziirt" werden.
Regeln aufzustellen, nach welchen in dergleichen Fällen die Zer- spaltung des zusammengesetzten Urteils in einzelne einfachere, oder umgekehrt die Zusammenfassung solcher zu einem einzigen korrekt zu erfolgen hätte, liegt uns hier noch ferne. Es wären diese Regeln in die Logik der Beziehungen überhaupt zu verweisen. Diese aber, als eine allgemeine Disziplin, stellt einen höheren Teil der Logik vor, dem- gegenüber wir es hier nur mit den allerelementarsten Beziehungen zwischen Klassen oder Begriffsumfängen zu thun haben, nämlich mit jener besonderen Gruppe von Beziehungen, deren Erklärung ganz auf den Begriff der Einordnung gegründet werden kann, und bei welchen, wenn von Individuen einer Klasse etwas ausgesagt wird, die übrigen Individuen dieser Klasse dem Geist nicht gegenwärtig zu sein brauchen.
§ 8. Interpretation für Klassen.
Termen). Z. B. „Buschmänner (Hottentoten, Namaqua) und Neger (Damra, Hereró's) befehden einander“ will nicht sagen: „Buschmänner befehden einander“ und „Neger befehden einander“, sondern: „Die Buschmänner befehden die Neger“ und „Die Neger befehden die Busch- männer“.
„a und b sind einander gleich“ heisst natürlich nicht: „a ist ein- ander gleich“ und „b ist einander gleich“, sondern: „a ist gleich b“ und „b ist gleich a“. Analog: „Der Kläger und der Beklagte verglichen sich“. Etc.
„Die Herren A und B schliessen einen Kauf ab“ heisst: „Herr A schliesst einen Kauf ab“ und „Herr B schliesst einen Kauf ab“, und lässt es offen, ob sie dies miteinander thun, wobei der eine Herr als Käufer der andere als Verkäufer erscheinen würde, oder aber mit dritten Personen. Im ersten Falle würde das Prädikat zwar eine Be- ziehung zwischen den beiden Individuen der Subjektklasse involviren, und doch die erwähnte Ausnahme nicht Platz greifen, weil die gedachte Beziehung im Prädikat nicht ausdrücklich erwähnt ist.
In allen Beispielen überträgt sich doch wesentlich das Prädikat („befehden“, „gleich sein“, „Kauf abschliessen“ etc.) auch auf die Unter- klassen und Individuen der Subjektklasse, und in gewissem Sinne bleibt es immer wahr, dass, was von der Gattung ausgesagt wird, auch von deren Arten und Individuen gelten, ausgesagt sein soll; nur die Beziehung, welche dem Prädikat beigefügt ist, das „einander“ oder „mit, gegen, durch, etc. einander“ muss bei den Einzelübertragungen des Prädikats auf jene Unterklassen jeweils modifizirt, verschieden ausgedrückt, oder — um einen bei Nicht-Mathematikern in diesem Sinne beliebten Aus- druck zu gebrauchen — muss dabei „differenziirt“ werden.
Regeln aufzustellen, nach welchen in dergleichen Fällen die Zer- spaltung des zusammengesetzten Urteils in einzelne einfachere, oder umgekehrt die Zusammenfassung solcher zu einem einzigen korrekt zu erfolgen hätte, liegt uns hier noch ferne. Es wären diese Regeln in die Logik der Beziehungen überhaupt zu verweisen. Diese aber, als eine allgemeine Disziplin, stellt einen höheren Teil der Logik vor, dem- gegenüber wir es hier nur mit den allerelementarsten Beziehungen zwischen Klassen oder Begriffsumfängen zu thun haben, nämlich mit jener besonderen Gruppe von Beziehungen, deren Erklärung ganz auf den Begriff der Einordnung gegründet werden kann, und bei welchen, wenn von Individuen einer Klasse etwas ausgesagt wird, die übrigen Individuen dieser Klasse dem Geist nicht gegenwärtig zu sein brauchen.
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§ 8. Interpretation für Klassen.
Termen). Z. B. „Buschmänner (Hottentoten, Namaqua) und Neger
(Damra, Hereró's) befehden einander“ will nicht sagen: „Buschmänner
befehden einander“ und „Neger befehden einander“, sondern: „Die
Buschmänner befehden die Neger“ und „Die Neger befehden die Busch-
männer“.
„a und b sind einander gleich“ heisst natürlich nicht: „a ist ein-
ander gleich“ und „b ist einander gleich“, sondern: „a ist gleich b“ und
„b ist gleich a“. Analog: „Der Kläger und der Beklagte verglichen
sich“. Etc.
„Die Herren A und B schliessen einen Kauf ab“ heisst: „Herr A
schliesst einen Kauf ab“ und „Herr B schliesst einen Kauf ab“, und
lässt es offen, ob sie dies miteinander thun, wobei der eine Herr als
Käufer der andere als Verkäufer erscheinen würde, oder aber mit
dritten Personen. Im ersten Falle würde das Prädikat zwar eine Be-
ziehung zwischen den beiden Individuen der Subjektklasse involviren,
und doch die erwähnte Ausnahme nicht Platz greifen, weil die gedachte
Beziehung im Prädikat nicht ausdrücklich erwähnt ist.
In allen Beispielen überträgt sich doch wesentlich das Prädikat
(„befehden“, „gleich sein“, „Kauf abschliessen“ etc.) auch auf die Unter-
klassen und Individuen der Subjektklasse, und in gewissem Sinne bleibt
es immer wahr, dass, was von der Gattung ausgesagt wird, auch von
deren Arten und Individuen gelten, ausgesagt sein soll; nur die Beziehung,
welche dem Prädikat beigefügt ist, das „einander“ oder „mit, gegen,
durch, etc. einander“ muss bei den Einzelübertragungen des Prädikats
auf jene Unterklassen jeweils modifizirt, verschieden ausgedrückt, oder
— um einen bei Nicht-Mathematikern in diesem Sinne beliebten Aus-
druck zu gebrauchen — muss dabei „differenziirt“ werden.
Regeln aufzustellen, nach welchen in dergleichen Fällen die Zer-
spaltung des zusammengesetzten Urteils in einzelne einfachere, oder
umgekehrt die Zusammenfassung solcher zu einem einzigen korrekt zu
erfolgen hätte, liegt uns hier noch ferne. Es wären diese Regeln in
die Logik der Beziehungen überhaupt zu verweisen. Diese aber, als
eine allgemeine Disziplin, stellt einen höheren Teil der Logik vor, dem-
gegenüber wir es hier nur mit den allerelementarsten Beziehungen
zwischen Klassen oder Begriffsumfängen zu thun haben, nämlich mit
jener besonderen Gruppe von Beziehungen, deren Erklärung ganz auf
den Begriff der Einordnung gegründet werden kann, und bei welchen,
wenn von Individuen einer Klasse etwas ausgesagt wird, die übrigen
Individuen dieser Klasse dem Geist nicht gegenwärtig zu sein
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/253>, abgerufen am 21.11.2024.
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