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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Siebente Vorlesung.

Dagegen ist der umgekehrte Schluss jetzt nicht mehr zulässig. Wenn i)
gilt, so kann dies auch so geschehen, dass A zu einem Teile in den Kreis B
zum andern in C hineinfällt; es gilt dann das disjunktiv prädizirende
Urteil i): A ist in "B oder C" enthalten, und gleichwol gilt das disjunk-
tive Urteil th) nicht, indem weder A in B noch A in C (schlechtweg, d. h.
ganz) enthalten sein wird.

Und so verhält es sich nun auch, falls A eine Klasse, ein Gattungs-
begriff sein sollte.

Zugegeben etwa, dass es blos weisse und schwarze Schafe gebe. Als-
dann ist das disjunktive Urteil:

th) Entweder sind alle Schafe weiss, oder sie sind schwarz, offenbar
unrichtig; das Gegenteil vielmehr:

Weder sind alle Schafe weiss, noch sind sie alle schwarz, ist richtig.

Das disjunktiv prädizirende Urteil dagegen ist richtig, und zwar gibt
ihm die Sprache (ohne Anwendung von besondern Anführungszeichen) den
Ausdruck:

i) Alle Schafe sind (entweder) weiss(e) oder schwarz(e).

Dass unser Urteil, wie in diesem Beispiele, ein universales, sowie dass
die Glieder B und C der Alternative einander ausschliessen, erscheint dabei
als nebensächlich. Das gleiche gilt, falls es partikular, sowie falls B und C
ein Gebiet gemein haben.

Im Hinblick darauf z. B., dass westafrikanische Schafe der Wolle ent-
behren und unter diesen sich auch schwarze finden mögen, können wir sagen:

i) Einige Schafe sind schwarz oder ohne Wollhaare, und niemand wird
diesen Satz als das disjunktive Urteil verstehen:

th) Entweder einige Schafe sind schwarz, oder einige Schafe (dieselben)
entbehren der Wollhaare.

Und auch, wenn das generelle Urteil sich im Subjekt des Ausdrucks
"Jedes A", "Manches A" bedienen, sowie wenn es in der sprachlichen Aus-
drucksform des "unbestimmten" Urteils sich darstellen sollte, gilt ein gleiches.

Sagen wir:

(Die) Milch ist entweder gefälscht oder unverfälscht (echt), so ist das
Urteil wesentlich ein universales, es will von "jeder" oder "aller" Milch gelten.

Dasselbe Urteil aber würde wieder nur im Sinne von i) als disjunktiv
prädizirendes zu verstehen sein und unzweifelhaft auch verstanden werden.

Das entsprechende disjunktive Urteil

th) Entweder ist alle Milch gefälscht, oder alle Milch ist echt,
wäre abermals sowol als Deutung jenes Urteils, wie auch an sich zu ver-
werfen.

Die bisherige Logik scheint mir nun zwischen den beiden Arten
von Urteilen, den disjunktiven (die sie den kategorischen gegenüber-
stellt) und den disjunktiv prädizirenden (welche unter die kategorischen
fallen) nicht hinlänglich unterschieden zu haben.

Die von ihr so genannten disjunktiven Urteile sind, wie aus dem
vorstehenden erhellt, in der Regel disjunktiv prädizirende. Jedenfalls
werden wir es zunächst (bis zum Aussagenkalkul) nur mit den letzteren

Siebente Vorlesung.

Dagegen ist der umgekehrte Schluss jetzt nicht mehr zulässig. Wenn ι)
gilt, so kann dies auch so geschehen, dass A zu einem Teile in den Kreis B
zum andern in C hineinfällt; es gilt dann das disjunktiv prädizirende
Urteil ι): A ist in »B oder C« enthalten, und gleichwol gilt das disjunk-
tive Urteil ϑ) nicht, indem weder A in B noch A in C (schlechtweg, d. h.
ganz) enthalten sein wird.

Und so verhält es sich nun auch, falls A eine Klasse, ein Gattungs-
begriff sein sollte.

Zugegeben etwa, dass es blos weisse und schwarze Schafe gebe. Als-
dann ist das disjunktive Urteil:

ϑ) Entweder sind alle Schafe weiss, oder sie sind schwarz, offenbar
unrichtig; das Gegenteil vielmehr:

Weder sind alle Schafe weiss, noch sind sie alle schwarz, ist richtig.

Das disjunktiv prädizirende Urteil dagegen ist richtig, und zwar gibt
ihm die Sprache (ohne Anwendung von besondern Anführungszeichen) den
Ausdruck:

ι) Alle Schafe sind (entweder) weiss(e) oder schwarz(e).

Dass unser Urteil, wie in diesem Beispiele, ein universales, sowie dass
die Glieder B und C der Alternative einander ausschliessen, erscheint dabei
als nebensächlich. Das gleiche gilt, falls es partikular, sowie falls B und C
ein Gebiet gemein haben.

Im Hinblick darauf z. B., dass westafrikanische Schafe der Wolle ent-
behren und unter diesen sich auch schwarze finden mögen, können wir sagen:

ι) Einige Schafe sind schwarz oder ohne Wollhaare, und niemand wird
diesen Satz als das disjunktive Urteil verstehen:

ϑ) Entweder einige Schafe sind schwarz, oder einige Schafe (dieselben)
entbehren der Wollhaare.

Und auch, wenn das generelle Urteil sich im Subjekt des Ausdrucks
„Jedes A“, „Manches A“ bedienen, sowie wenn es in der sprachlichen Aus-
drucksform des „unbestimmten“ Urteils sich darstellen sollte, gilt ein gleiches.

Sagen wir:

(Die) Milch ist entweder gefälscht oder unverfälscht (echt), so ist das
Urteil wesentlich ein universales, es will von „jeder“ oder „aller“ Milch gelten.

Dasselbe Urteil aber würde wieder nur im Sinne von ι) als disjunktiv
prädizirendes zu verstehen sein und unzweifelhaft auch verstanden werden.

Das entsprechende disjunktive Urteil

ϑ) Entweder ist alle Milch gefälscht, oder alle Milch ist echt,
wäre abermals sowol als Deutung jenes Urteils, wie auch an sich zu ver-
werfen.

Die bisherige Logik scheint mir nun zwischen den beiden Arten
von Urteilen, den disjunktiven (die sie den kategorischen gegenüber-
stellt) und den disjunktiv prädizirenden (welche unter die kategorischen
fallen) nicht hinlänglich unterschieden zu haben.

Die von ihr so genannten disjunktiven Urteile sind, wie aus dem
vorstehenden erhellt, in der Regel disjunktiv prädizirende. Jedenfalls
werden wir es zunächst (bis zum Aussagenkalkul) nur mit den letzteren

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[340/0360] Siebente Vorlesung. Dagegen ist der umgekehrte Schluss jetzt nicht mehr zulässig. Wenn ι) gilt, so kann dies auch so geschehen, dass A zu einem Teile in den Kreis B zum andern in C hineinfällt; es gilt dann das disjunktiv prädizirende Urteil ι): A ist in »B oder C« enthalten, und gleichwol gilt das disjunk- tive Urteil ϑ) nicht, indem weder A in B noch A in C (schlechtweg, d. h. ganz) enthalten sein wird. Und so verhält es sich nun auch, falls A eine Klasse, ein Gattungs- begriff sein sollte. Zugegeben etwa, dass es blos weisse und schwarze Schafe gebe. Als- dann ist das disjunktive Urteil: ϑ) Entweder sind alle Schafe weiss, oder sie sind schwarz, offenbar unrichtig; das Gegenteil vielmehr: Weder sind alle Schafe weiss, noch sind sie alle schwarz, ist richtig. Das disjunktiv prädizirende Urteil dagegen ist richtig, und zwar gibt ihm die Sprache (ohne Anwendung von besondern Anführungszeichen) den Ausdruck: ι) Alle Schafe sind (entweder) weiss(e) oder schwarz(e). Dass unser Urteil, wie in diesem Beispiele, ein universales, sowie dass die Glieder B und C der Alternative einander ausschliessen, erscheint dabei als nebensächlich. Das gleiche gilt, falls es partikular, sowie falls B und C ein Gebiet gemein haben. Im Hinblick darauf z. B., dass westafrikanische Schafe der Wolle ent- behren und unter diesen sich auch schwarze finden mögen, können wir sagen: ι) Einige Schafe sind schwarz oder ohne Wollhaare, und niemand wird diesen Satz als das disjunktive Urteil verstehen: ϑ) Entweder einige Schafe sind schwarz, oder einige Schafe (dieselben) entbehren der Wollhaare. Und auch, wenn das generelle Urteil sich im Subjekt des Ausdrucks „Jedes A“, „Manches A“ bedienen, sowie wenn es in der sprachlichen Aus- drucksform des „unbestimmten“ Urteils sich darstellen sollte, gilt ein gleiches. Sagen wir: (Die) Milch ist entweder gefälscht oder unverfälscht (echt), so ist das Urteil wesentlich ein universales, es will von „jeder“ oder „aller“ Milch gelten. Dasselbe Urteil aber würde wieder nur im Sinne von ι) als disjunktiv prädizirendes zu verstehen sein und unzweifelhaft auch verstanden werden. Das entsprechende disjunktive Urteil ϑ) Entweder ist alle Milch gefälscht, oder alle Milch ist echt, wäre abermals sowol als Deutung jenes Urteils, wie auch an sich zu ver- werfen. Die bisherige Logik scheint mir nun zwischen den beiden Arten von Urteilen, den disjunktiven (die sie den kategorischen gegenüber- stellt) und den disjunktiv prädizirenden (welche unter die kategorischen fallen) nicht hinlänglich unterschieden zu haben. Die von ihr so genannten disjunktiven Urteile sind, wie aus dem vorstehenden erhellt, in der Regel disjunktiv prädizirende. Jedenfalls werden wir es zunächst (bis zum Aussagenkalkul) nur mit den letzteren

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/360>, abgerufen am 21.11.2024.