Z. B. Nichts ist schwarz und zugleich auch nicht schwarz. Ein Subjekt auch, dem die Prädikate "schwarz" und "nicht-schwarz" gleich- zeitig zukommen sollten, muss "nichts" sein.
Die Gleichung erscheint als der konziseste Ausdruck für den "Satz des Widerspruchs", das principium contradictionis der alten Logik -- zu- nächst hier mit der Beschränkung auf Klassen und Begriffsumfänge.
Aristoteles in seiner Metaphysik formulirt den Satz so (vergl. Sig- wart1 p. 145): Es ist unmöglich, dass dasselbe demselben in derselben Be- ziehung zugleich zukomme und nicht zukomme ... und sagt weiter: Dies ist der allergewisseste Grundsatz ..., denn es ist unmöglich, dass irgend je- mand annehme, dasselbe sei und sei nicht ... Jedermann, der einen Be- weis führt, führt ihn deshalb auf diesen Satz als letzten zurück; denn er ist von Natur das Prinzip auch für alle andern Axiome.
Demselben Satze werden wir im Aussagenkalkul wieder begegnen gleichwie auch den übrigen.
Die Gleichung 30+) a + a1 = 1 sagt aus: Alles ist "a oder nicht-a".
In die Formelsprache zurückübersetzt würde dieser Ausspruch allerdings nur besagen: 1 a + a1, allein nach Th. 5+) muss diese Subsumtion äquivalent sein der Gleichung 30+). Jedenfalls: Was a ist, und was nicht-a ist, ergänzt sich zu der Gesamtheit alles (in unsrer Mannigfaltigkeit) Denkbaren, macht zusammen diese ganze Mn. aus.
Ein Drittes oder Mittelding zwischen a und nicht-a, "schwarz" und "nicht-schwarz", gibt es darum in ihr nicht. Und so erscheint der Satz als Ausdruck des "principium exclusi tertii (oder medii) inter duo con- tradictoria", als der Grundsatz des ausgeschlossenen Dritten oder Mittels zwischen zwei kontradiktorisch entgegengesetzten Begriffen oder als das "tertium non datur" der alten Logik -- für den Klassenkalkul gedeutet.
Die übliche Fassung: Omne A est aut B, aut non-B (Jedes A ist ent- weder B, oder nicht-B) muss aber vor missverständlicher Deutung, vor einer zu weit gehenden Interpretation bewahrt werden.
Übersetzt man das "omne A" mit "jedes Individuum einer Klasse A", so ist der Satz richtig, nämlich, wie oben § 16 auseinandergesetzt, sowol zu verstehen als das disjunktiv prädizirende Urteil: A ist " B oder nicht-B " -- unzweifelhaft gilt in der That: AB + B1, da eben B + B1 = 1 und A 1 sein muss -- als auch als disjunktives Urteil für's einzelne Individuum.
Deutete man aber das "omne A" als: "jedes Objekt A des Denkens", so überschritte man den dem Satze faktisch zukommenden Gültigkeitsbereich, und namentlich würde man über die demselben rechtmässig zukommende Deutung hinaus gehen, wenn man das "omne A" übersetzen wollte mit "jede Klasse A". Hierdurch nämlich würde das Urteil gleichbedeutend mit der (disjunktiven) Behauptung, dass entweder AB oder AB1
Achte Vorlesung.
Z. B. Nichts ist schwarz und zugleich auch nicht schwarz. Ein Subjekt auch, dem die Prädikate „schwarz“ und „nicht-schwarz“ gleich- zeitig zukommen sollten, muss „nichts“ sein.
Die Gleichung erscheint als der konziseste Ausdruck für den „Satz des Widerspruchs“, das principium contradictionis der alten Logik — zu- nächst hier mit der Beschränkung auf Klassen und Begriffsumfänge.
Aristoteles in seiner Metaphysik formulirt den Satz so (vergl. Sig- wart1 p. 145): Es ist unmöglich, dass dasselbe demselben in derselben Be- ziehung zugleich zukomme und nicht zukomme … und sagt weiter: Dies ist der allergewisseste Grundsatz …, denn es ist unmöglich, dass irgend je- mand annehme, dasselbe sei und sei nicht … Jedermann, der einen Be- weis führt, führt ihn deshalb auf diesen Satz als letzten zurück; denn er ist von Natur das Prinzip auch für alle andern Axiome.
Demselben Satze werden wir im Aussagenkalkul wieder begegnen gleichwie auch den übrigen.
Die Gleichung 30+) a + a1 = 1 sagt aus: Alles ist »a oder nicht-a«.
In die Formelsprache zurückübersetzt würde dieser Ausspruch allerdings nur besagen: 1 ⋹ a + a1, allein nach Th. 5+) muss diese Subsumtion äquivalent sein der Gleichung 30+). Jedenfalls: Was a ist, und was nicht-a ist, ergänzt sich zu der Gesamtheit alles (in unsrer Mannigfaltigkeit) Denkbaren, macht zusammen diese ganze Mn. aus.
Ein Drittes oder Mittelding zwischen a und nicht-a, „schwarz“ und „nicht-schwarz“, gibt es darum in ihr nicht. Und so erscheint der Satz als Ausdruck des „principium exclusi tertii (oder medii) inter duo con- tradictoria“, als der Grundsatz des ausgeschlossenen Dritten oder Mittels zwischen zwei kontradiktorisch entgegengesetzten Begriffen oder als das „tertium non datur“ der alten Logik — für den Klassenkalkul gedeutet.
Die übliche Fassung: Omne A est aut B, aut non-B (Jedes A ist ent- weder B, oder nicht-B) muss aber vor missverständlicher Deutung, vor einer zu weit gehenden Interpretation bewahrt werden.
Übersetzt man das „omne A“ mit „jedes Individuum einer Klasse A“, so ist der Satz richtig, nämlich, wie oben § 16 auseinandergesetzt, sowol zu verstehen als das disjunktiv prädizirende Urteil: A ist » B oder nicht-B « — unzweifelhaft gilt in der That: A ⋹ B + B1, da eben B + B1 = 1 und A ⋹ 1 sein muss — als auch als disjunktives Urteil für's einzelne Individuum.
Deutete man aber das „omne A“ als: „jedes Objekt A des Denkens“, so überschritte man den dem Satze faktisch zukommenden Gültigkeitsbereich, und namentlich würde man über die demselben rechtmässig zukommende Deutung hinaus gehen, wenn man das „omne A“ übersetzen wollte mit „jede Klasse A“. Hierdurch nämlich würde das Urteil gleichbedeutend mit der (disjunktiven) Behauptung, dass entweder A ⋹ B oder A ⋹ B1
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Achte Vorlesung.
Z. B. Nichts ist schwarz und zugleich auch nicht schwarz. Ein
Subjekt auch, dem die Prädikate „schwarz“ und „nicht-schwarz“ gleich-
zeitig zukommen sollten, muss „nichts“ sein.
Die Gleichung erscheint als der konziseste Ausdruck für den „Satz
des Widerspruchs“, das principium contradictionis der alten Logik — zu-
nächst hier mit der Beschränkung auf Klassen und Begriffsumfänge.
Aristoteles in seiner Metaphysik formulirt den Satz so (vergl. Sig-
wart1 p. 145): Es ist unmöglich, dass dasselbe demselben in derselben Be-
ziehung zugleich zukomme und nicht zukomme … und sagt weiter: Dies ist
der allergewisseste Grundsatz …, denn es ist unmöglich, dass irgend je-
mand annehme, dasselbe sei und sei nicht … Jedermann, der einen Be-
weis führt, führt ihn deshalb auf diesen Satz als letzten zurück; denn er
ist von Natur das Prinzip auch für alle andern Axiome.
Demselben Satze werden wir im Aussagenkalkul wieder begegnen
gleichwie auch den übrigen.
Die Gleichung 30+) a + a1 = 1 sagt aus:
Alles ist »a oder nicht-a«.
In die Formelsprache zurückübersetzt würde dieser Ausspruch
allerdings nur besagen: 1 ⋹ a + a1, allein nach Th. 5+) muss diese
Subsumtion äquivalent sein der Gleichung 30+). Jedenfalls: Was a
ist, und was nicht-a ist, ergänzt sich zu der Gesamtheit alles (in unsrer
Mannigfaltigkeit) Denkbaren, macht zusammen diese ganze Mn. aus.
Ein Drittes oder Mittelding zwischen a und nicht-a, „schwarz“ und
„nicht-schwarz“, gibt es darum in ihr nicht. Und so erscheint der Satz
als Ausdruck des „principium exclusi tertii (oder medii) inter duo con-
tradictoria“, als der Grundsatz des ausgeschlossenen Dritten oder Mittels
zwischen zwei kontradiktorisch entgegengesetzten Begriffen oder als
das „tertium non datur“ der alten Logik — für den Klassenkalkul
gedeutet.
Die übliche Fassung: Omne A est aut B, aut non-B (Jedes A ist ent-
weder B, oder nicht-B) muss aber vor missverständlicher Deutung, vor
einer zu weit gehenden Interpretation bewahrt werden.
Übersetzt man das „omne A“ mit „jedes Individuum einer Klasse A“,
so ist der Satz richtig, nämlich, wie oben § 16 auseinandergesetzt, sowol
zu verstehen als das disjunktiv prädizirende Urteil: A ist » B oder nicht-B «
— unzweifelhaft gilt in der That: A ⋹ B + B1, da eben B + B1 = 1 und
A ⋹ 1 sein muss — als auch als disjunktives Urteil für's einzelne Individuum.
Deutete man aber das „omne A“ als: „jedes Objekt A des Denkens“,
so überschritte man den dem Satze faktisch zukommenden Gültigkeitsbereich,
und namentlich würde man über die demselben rechtmässig zukommende
Deutung hinaus gehen, wenn man das „omne A“ übersetzen wollte mit
„jede Klasse A“. Hierdurch nämlich würde das Urteil gleichbedeutend
mit der (disjunktiven) Behauptung, dass entweder A ⋹ B oder A ⋹ B1
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/366>, abgerufen am 22.11.2024.
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