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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Achte Vorlesung.
nach früherem für 0 sich 1n, oder aber für 1 sich 0n durchweg schrei-
ben, d. h. man könnte auch noch des einen der beiden Symbole 0 und
1 entraten.]

Analog lässt sich mittelst der Partikel "nicht" von den beiden
Konjunktionen "und" und "oder" irgend eine logisch durch die andere
darstellen:

Für "a oder b" könnte gesagt
werden: "was nicht "Nicht-a und
Nicht-b" ist".
Für "was a und b ist" liesse
sich sagen: "was nicht "Nicht-a
oder
Nicht-b" ist".

Dass es aber unzweckmässig wäre, solches durchzuführen, sei es im
Kalkul, sei's in der Wortsprache, bedarf kaum einer nähern Darlegung.

Es liegt die Möglichkeit vor, dass sich die Sätze 36) vielleicht
in der Gestalt:

Was nicht a und b ist, muss
nicht a oder nicht b sein,
Was nicht a oder b ist, muss
zugleich nicht a und nicht b sein,
in Worte gefasst schon irgendwo in ältern Logikbüchern vorfinden.

Wo nicht, so müssen sie De Morgan zugeschrieben werden, welcher
[wie Herr Venn1 p. 389, Fussnote ausfindig gemacht hat] in 6 p. 208,
indessen ohne Beweis, bemerkt, es hätten a + b und a b bezüglich a1 b1
und a1 + b1 zum Gegenteile. Selbständig ist auf diese beiden hübschen
Sätze auch Herr Robert Grassmann2 gekommen, und dürfte dieser sie
zum ersten mal (und zwar auf die vorgetragene Weise) bewiesen haben.

Die in seiner Fussnote zu 5 p. 32 von Herrn Peirce -- jedenfalls
im guten Glauben -- ausgesprochene, Herrn R. Grassmann eigentlich ver-
dächtigende Vermutung (auf Grund unsicherer Reminiscenzen von Jevons'
Schrift1) kann ich (nachdem es mir unlängst endlich gelungen ist, dieses
Buch durch antiquarischen Erwerb desselben zu Gesicht zu bekommen)
durchaus nicht begründet finden.

Die Anwendung der Theoreme 36) im Sinne von links nach rechts,
also die Verwandlung eines Ausdruckes (a b)1 resp. (a + b)1 in den ihm
gleichwertigen a1 + b1 resp. a1 b1 nennt man das "Ausführen" (Ent-
wickeln*)) der Negation, welche im Gegensatz hiezu bei den ursprüng-
lichen Ausdrücken (a b)1 und (a + b)1 "nur angedeutet" erscheint. Eine,
wie hier mit Negationsstrich versehene Klammer ( )1 mag eine "Nega-
tionsklammer
" genannt werden. Das Ausführen der Negation läuft auf
das "Auflösen" dieser Klammer hinaus.

Zusatz 2 zu Th. 36).

Durch kombinirte Anwendung der beiden Theoreme 36) und des
Th. 31) kann man nunmehr von jedem nur durch Multiplikation und

*) Aus einem in § 19 ersichtlichen Grunde wird dieser letztere Ausdruck
indess besser vermieden.

Achte Vorlesung.
nach früherem für 0 sich 1̄, oder aber für 1 sich 0̄ durchweg schrei-
ben, d. h. man könnte auch noch des einen der beiden Symbole 0 und
1 entraten.]

Analog lässt sich mittelst der Partikel „nicht“ von den beiden
Konjunktionen „und“ und „oder“ irgend eine logisch durch die andere
darstellen:

Für „a oder b“ könnte gesagt
werden: „was nicht »Nicht-a und
Nicht-b« ist“.
Für „was a und b ist“ liesse
sich sagen: „was nicht »Nicht-a
oder
Nicht-b« ist“.

Dass es aber unzweckmässig wäre, solches durchzuführen, sei es im
Kalkul, sei's in der Wortsprache, bedarf kaum einer nähern Darlegung.

Es liegt die Möglichkeit vor, dass sich die Sätze 36) vielleicht
in der Gestalt:

Was nicht a und b ist, muss
nicht a oder nicht b sein,
Was nicht a oder b ist, muss
zugleich nicht a und nicht b sein,
in Worte gefasst schon irgendwo in ältern Logikbüchern vorfinden.

Wo nicht, so müssen sie De Morgan zugeschrieben werden, welcher
[wie Herr Venn1 p. 389, Fussnote ausfindig gemacht hat] in 6 p. 208,
indessen ohne Beweis, bemerkt, es hätten a + b und a b bezüglich a1 b1
und a1 + b1 zum Gegenteile. Selbständig ist auf diese beiden hübschen
Sätze auch Herr Robert Grassmann2 gekommen, und dürfte dieser sie
zum ersten mal (und zwar auf die vorgetragene Weise) bewiesen haben.

Die in seiner Fussnote zu 5 p. 32 von Herrn Peirce — jedenfalls
im guten Glauben — ausgesprochene, Herrn R. Grassmann eigentlich ver-
dächtigende Vermutung (auf Grund unsicherer Reminiscenzen von Jevons'
Schrift1) kann ich (nachdem es mir unlängst endlich gelungen ist, dieses
Buch durch antiquarischen Erwerb desselben zu Gesicht zu bekommen)
durchaus nicht begründet finden.

Die Anwendung der Theoreme 36) im Sinne von links nach rechts,
also die Verwandlung eines Ausdruckes (a b)1 resp. (a + b)1 in den ihm
gleichwertigen a1 + b1 resp. a1 b1 nennt man das „Ausführen“ (Ent-
wickeln*)) der Negation, welche im Gegensatz hiezu bei den ursprüng-
lichen Ausdrücken (a b)1 und (a + b)1nur angedeutet“ erscheint. Eine,
wie hier mit Negationsstrich versehene Klammer ( )1 mag eine „Nega-
tionsklammer
“ genannt werden. Das Ausführen der Negation läuft auf
das „Auflösen“ dieser Klammer hinaus.

Zusatz 2 zu Th. 36).

Durch kombinirte Anwendung der beiden Theoreme 36) und des
Th. 31) kann man nunmehr von jedem nur durch Multiplikation und

*) Aus einem in § 19 ersichtlichen Grunde wird dieser letztere Ausdruck
indess besser vermieden.
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[354/0374] Achte Vorlesung. nach früherem für 0 sich 1̄, oder aber für 1 sich 0̄ durchweg schrei- ben, d. h. man könnte auch noch des einen der beiden Symbole 0 und 1 entraten.] Analog lässt sich mittelst der Partikel „nicht“ von den beiden Konjunktionen „und“ und „oder“ irgend eine logisch durch die andere darstellen: Für „a oder b“ könnte gesagt werden: „was nicht »Nicht-a und Nicht-b« ist“. Für „was a und b ist“ liesse sich sagen: „was nicht »Nicht-a oder Nicht-b« ist“. Dass es aber unzweckmässig wäre, solches durchzuführen, sei es im Kalkul, sei's in der Wortsprache, bedarf kaum einer nähern Darlegung. Es liegt die Möglichkeit vor, dass sich die Sätze 36) vielleicht in der Gestalt: Was nicht a und b ist, muss nicht a oder nicht b sein, Was nicht a oder b ist, muss zugleich nicht a und nicht b sein, in Worte gefasst schon irgendwo in ältern Logikbüchern vorfinden. Wo nicht, so müssen sie De Morgan zugeschrieben werden, welcher [wie Herr Venn1 p. 389, Fussnote ausfindig gemacht hat] in 6 p. 208, indessen ohne Beweis, bemerkt, es hätten a + b und a b bezüglich a1 b1 und a1 + b1 zum Gegenteile. Selbständig ist auf diese beiden hübschen Sätze auch Herr Robert Grassmann2 gekommen, und dürfte dieser sie zum ersten mal (und zwar auf die vorgetragene Weise) bewiesen haben. Die in seiner Fussnote zu 5 p. 32 von Herrn Peirce — jedenfalls im guten Glauben — ausgesprochene, Herrn R. Grassmann eigentlich ver- dächtigende Vermutung (auf Grund unsicherer Reminiscenzen von Jevons' Schrift1) kann ich (nachdem es mir unlängst endlich gelungen ist, dieses Buch durch antiquarischen Erwerb desselben zu Gesicht zu bekommen) durchaus nicht begründet finden. Die Anwendung der Theoreme 36) im Sinne von links nach rechts, also die Verwandlung eines Ausdruckes (a b)1 resp. (a + b)1 in den ihm gleichwertigen a1 + b1 resp. a1 b1 nennt man das „Ausführen“ (Ent- wickeln *)) der Negation, welche im Gegensatz hiezu bei den ursprüng- lichen Ausdrücken (a b)1 und (a + b)1 „nur angedeutet“ erscheint. Eine, wie hier mit Negationsstrich versehene Klammer ( )1 mag eine „Nega- tionsklammer“ genannt werden. Das Ausführen der Negation läuft auf das „Auflösen“ dieser Klammer hinaus. Zusatz 2 zu Th. 36). Durch kombinirte Anwendung der beiden Theoreme 36) und des Th. 31) kann man nunmehr von jedem nur durch Multiplikation und *) Aus einem in § 19 ersichtlichen Grunde wird dieser letztere Ausdruck indess besser vermieden.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/374>, abgerufen am 21.11.2024.