Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 19. Funktionen und deren Entwickelung.
in welcher, auch bei gegebenen Gebieten x, y, die Symbole u, v noch
völlig beliebige, willkürliche oder arbiträre Gebiete vorstellen. Auch
diese Gleichung wird man durch Ausmultipliziren rechterhand und mit
Rücksicht auf bekannte Theoreme leicht verifiziren.

Die in unserm Theorem behauptete Gleichung ist demnach auch
wahr, wenn
a = x y + u x1, b = x1 y + v x
erklärt wird, d. h. unter a, b die angegebenen Werte verstanden werden.

Die "Koeffizienten" a und b der als zulässig behaupteten homogen
linearen Darstellung des y durch x und x1 sind demnach nicht völlig
bestimmt
, wenn auch x und y gegebene Werte (Bedeutungen) haben.
Mögen sie doch sogar, wie gezeigt, je einen willkürlichen also voll-
kommen unbestimmten Bestandteil enthalten! Auch werden diese
Koeffizienten im Allgemeinen ihre Bedeutung ändern, wenn man dem
x andre und andre Werte beilegt (m. a. W. Bedeutungen unterlegt).

Auch für Klassen ist unser Satz unmittelbar einleuchtend: Die
Individuen einer Klasse y müssen solche sein, welche x sind, oder
solche, welche nicht x sind. Die Salze z. B. sind teils verbrennliche
Salze, teils unverbrennliche.

Es versteht sich, dass auch eine dieser beiden Teilklassen eine
leere sein kann, in welchem Falle der betreffende Term der Darstellung
a x + b x1 gleich 0 zu denken ist, und zwar genügt es, um das Ver-
schwinden dieses Terms zu bewirken, dass man dessen Koeffizienten
gleich 0 nehme. Verstünden wir z. B. unter y die Klasse der Menschen
und unter x die Klasse der sterblichen Wesen (die Klasse "sterblich"),
so wäre b = 0 zu denken. Die Klasse der Menschen besteht aus der-
jenigen der sterblichen Menschen, wozu aus der Klasse der unsterb-
lichen Wesen nichts hinzuzunehmen ist; hier ist schon y = a x = y x
-- vergl. auch Th. 20x).

Entsprechend der schon erwähnten Unbestimmtheit der Koeffi-
zienten a, b dürften wir freilich in unserm Beispiel unter b auch ver-
stehen: die Klasse der Bäume -- in Anbetracht, dass es auch keine
unsterblichen Bäume gibt, also b x1 doch = 0 wäre.

Die in dem Theorem gebrauchten Ausdrücke "linear", sowie "homogen"
sind aus der mathematischen Terminologie herübergenommen; sie finden
in der Mathematik ihre Erklärung, auch die Benennungen dort ihre Moti-
virung. Auf letztere wollen wir hier gar nicht, auf erstere nur so weit
eingehen, als für unsre Zwecke unerlässlich ist. Für den Augenblick ge-
nügt die Bemerkung, dass man eben einen Ausdruck von der Form a x + b x1
-- und nur einen solchen -- in Bezug auf x und x1 "linear und homogen"
zu nennen hat. Die allgemeinste lineare aber nicht homogene Funktion

§ 19. Funktionen und deren Entwickelung.
in welcher, auch bei gegebenen Gebieten x, y, die Symbole u, v noch
völlig beliebige, willkürliche oder arbiträre Gebiete vorstellen. Auch
diese Gleichung wird man durch Ausmultipliziren rechterhand und mit
Rücksicht auf bekannte Theoreme leicht verifiziren.

Die in unserm Theorem behauptete Gleichung ist demnach auch
wahr, wenn
a = x y + u x1, b = x1 y + v x
erklärt wird, d. h. unter a, b die angegebenen Werte verstanden werden.

Die „Koëffizientena und b der als zulässig behaupteten homogen
linearen Darstellung des y durch x und x1 sind demnach nicht völlig
bestimmt
, wenn auch x und y gegebene Werte (Bedeutungen) haben.
Mögen sie doch sogar, wie gezeigt, je einen willkürlichen also voll-
kommen unbestimmten Bestandteil enthalten! Auch werden diese
Koeffizienten im Allgemeinen ihre Bedeutung ändern, wenn man dem
x andre und andre Werte beilegt (m. a. W. Bedeutungen unterlegt).

Auch für Klassen ist unser Satz unmittelbar einleuchtend: Die
Individuen einer Klasse y müssen solche sein, welche x sind, oder
solche, welche nicht x sind. Die Salze z. B. sind teils verbrennliche
Salze, teils unverbrennliche.

Es versteht sich, dass auch eine dieser beiden Teilklassen eine
leere sein kann, in welchem Falle der betreffende Term der Darstellung
a x + b x1 gleich 0 zu denken ist, und zwar genügt es, um das Ver-
schwinden dieses Terms zu bewirken, dass man dessen Koeffizienten
gleich 0 nehme. Verstünden wir z. B. unter y die Klasse der Menschen
und unter x die Klasse der sterblichen Wesen (die Klasse „sterblich“),
so wäre b = 0 zu denken. Die Klasse der Menschen besteht aus der-
jenigen der sterblichen Menschen, wozu aus der Klasse der unsterb-
lichen Wesen nichts hinzuzunehmen ist; hier ist schon y = a x = y x
— vergl. auch Th. 20×).

Entsprechend der schon erwähnten Unbestimmtheit der Koeffi-
zienten a, b dürften wir freilich in unserm Beispiel unter b auch ver-
stehen: die Klasse der Bäume — in Anbetracht, dass es auch keine
unsterblichen Bäume gibt, also b x1 doch = 0 wäre.

Die in dem Theorem gebrauchten Ausdrücke „linear“, sowie „homogen“
sind aus der mathematischen Terminologie herübergenommen; sie finden
in der Mathematik ihre Erklärung, auch die Benennungen dort ihre Moti-
virung. Auf letztere wollen wir hier gar nicht, auf erstere nur so weit
eingehen, als für unsre Zwecke unerlässlich ist. Für den Augenblick ge-
nügt die Bemerkung, dass man eben einen Ausdruck von der Form a x + b x1
— und nur einen solchen — in Bezug auf x und x1 „linear und homogen“
zu nennen hat. Die allgemeinste lineare aber nicht homogene Funktion

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0417" n="397"/><fw place="top" type="header">§ 19. Funktionen und deren Entwickelung.</fw><lb/>
in welcher, auch bei gegebenen Gebieten <hi rendition="#i">x</hi>, <hi rendition="#i">y</hi>, die Symbole <hi rendition="#i">u</hi>, <hi rendition="#i">v</hi> noch<lb/>
völlig beliebige, willkürliche oder <hi rendition="#i">arbiträre</hi> Gebiete vorstellen. Auch<lb/>
diese Gleichung wird man durch Ausmultipliziren rechterhand und mit<lb/>
Rücksicht auf bekannte Theoreme leicht verifiziren.</p><lb/>
          <p>Die in unserm Theorem behauptete Gleichung ist demnach auch<lb/>
wahr, wenn<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#i">a</hi> = <hi rendition="#i">x y</hi> + <hi rendition="#i">u x</hi><hi rendition="#sub">1</hi>, <hi rendition="#i">b</hi> = <hi rendition="#i">x</hi><hi rendition="#sub">1</hi> <hi rendition="#i">y</hi> + <hi rendition="#i">v x</hi></hi><lb/>
erklärt wird, d. h. unter <hi rendition="#i">a</hi>, <hi rendition="#i">b</hi> die angegebenen Werte verstanden werden.</p><lb/>
          <p>Die &#x201E;<hi rendition="#i">Koëffizienten</hi>&#x201C; <hi rendition="#i">a</hi> und <hi rendition="#i">b</hi> der als zulässig behaupteten homogen<lb/>
linearen Darstellung des <hi rendition="#i">y</hi> durch <hi rendition="#i">x</hi> und <hi rendition="#i">x</hi><hi rendition="#sub">1</hi> sind demnach <hi rendition="#i">nicht völlig<lb/>
bestimmt</hi>, wenn auch <hi rendition="#i">x</hi> und <hi rendition="#i">y</hi> gegebene Werte (Bedeutungen) haben.<lb/>
Mögen sie doch sogar, wie gezeigt, je einen willkürlichen also voll-<lb/>
kommen unbestimmten Bestandteil enthalten! Auch werden diese<lb/>
Koeffizienten im Allgemeinen ihre Bedeutung ändern, wenn man dem<lb/><hi rendition="#i">x</hi> andre und andre Werte beilegt (m. a. W. Bedeutungen unterlegt).</p><lb/>
          <p>Auch für Klassen ist unser Satz unmittelbar einleuchtend: Die<lb/>
Individuen einer Klasse <hi rendition="#i">y</hi> müssen solche sein, welche <hi rendition="#i">x</hi> sind, oder<lb/>
solche, welche nicht <hi rendition="#i">x</hi> sind. Die Salze z. B. sind teils verbrennliche<lb/>
Salze, teils unverbrennliche.</p><lb/>
          <p>Es versteht sich, dass auch eine dieser beiden Teilklassen eine<lb/>
leere sein kann, in welchem Falle der betreffende Term der Darstellung<lb/><hi rendition="#i">a x</hi> + <hi rendition="#i">b x</hi><hi rendition="#sub">1</hi> gleich 0 zu denken ist, und zwar <hi rendition="#i">genügt</hi> es, um das Ver-<lb/>
schwinden dieses Terms zu bewirken, dass man dessen Koeffizienten<lb/>
gleich 0 nehme. Verstünden wir z. B. unter <hi rendition="#i">y</hi> die Klasse der Menschen<lb/>
und unter <hi rendition="#i">x</hi> die Klasse der sterblichen Wesen (die Klasse &#x201E;sterblich&#x201C;),<lb/>
so wäre <hi rendition="#i">b</hi> = 0 zu denken. Die Klasse der Menschen besteht aus der-<lb/>
jenigen der sterblichen Menschen, wozu aus der Klasse der unsterb-<lb/>
lichen Wesen <hi rendition="#i">nichts</hi> hinzuzunehmen ist; hier ist schon <hi rendition="#i">y</hi> = <hi rendition="#i">a x</hi> = <hi rendition="#i">y x</hi><lb/>
&#x2014; vergl. auch Th. 20<hi rendition="#sub">×</hi>).</p><lb/>
          <p>Entsprechend der schon erwähnten Unbestimmtheit der Koeffi-<lb/>
zienten <hi rendition="#i">a</hi>, <hi rendition="#i">b</hi> dürften wir freilich in unserm Beispiel unter <hi rendition="#i">b</hi> auch ver-<lb/>
stehen: die Klasse der Bäume &#x2014; in Anbetracht, dass es auch keine<lb/>
unsterblichen Bäume gibt, also <hi rendition="#i">b x</hi><hi rendition="#sub">1</hi> doch = 0 wäre.</p><lb/>
          <p>Die in dem Theorem gebrauchten Ausdrücke &#x201E;linear&#x201C;, sowie &#x201E;homogen&#x201C;<lb/>
sind aus der mathematischen Terminologie herübergenommen; sie finden<lb/>
in der Mathematik ihre Erklärung, auch die Benennungen dort ihre Moti-<lb/>
virung. Auf letztere wollen wir hier gar nicht, auf erstere nur so weit<lb/>
eingehen, als für unsre Zwecke unerlässlich ist. Für den Augenblick ge-<lb/>
nügt die Bemerkung, dass man eben einen Ausdruck von der Form <hi rendition="#i">a x</hi> + <hi rendition="#i">b x</hi><hi rendition="#sub">1</hi><lb/>
&#x2014; und nur einen solchen &#x2014; in Bezug auf <hi rendition="#i">x</hi> und <hi rendition="#i">x</hi><hi rendition="#sub">1</hi> &#x201E;linear und homogen&#x201C;<lb/>
zu nennen hat. Die allgemeinste lineare aber nicht homogene Funktion<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[397/0417] § 19. Funktionen und deren Entwickelung. in welcher, auch bei gegebenen Gebieten x, y, die Symbole u, v noch völlig beliebige, willkürliche oder arbiträre Gebiete vorstellen. Auch diese Gleichung wird man durch Ausmultipliziren rechterhand und mit Rücksicht auf bekannte Theoreme leicht verifiziren. Die in unserm Theorem behauptete Gleichung ist demnach auch wahr, wenn a = x y + u x1, b = x1 y + v x erklärt wird, d. h. unter a, b die angegebenen Werte verstanden werden. Die „Koëffizienten“ a und b der als zulässig behaupteten homogen linearen Darstellung des y durch x und x1 sind demnach nicht völlig bestimmt, wenn auch x und y gegebene Werte (Bedeutungen) haben. Mögen sie doch sogar, wie gezeigt, je einen willkürlichen also voll- kommen unbestimmten Bestandteil enthalten! Auch werden diese Koeffizienten im Allgemeinen ihre Bedeutung ändern, wenn man dem x andre und andre Werte beilegt (m. a. W. Bedeutungen unterlegt). Auch für Klassen ist unser Satz unmittelbar einleuchtend: Die Individuen einer Klasse y müssen solche sein, welche x sind, oder solche, welche nicht x sind. Die Salze z. B. sind teils verbrennliche Salze, teils unverbrennliche. Es versteht sich, dass auch eine dieser beiden Teilklassen eine leere sein kann, in welchem Falle der betreffende Term der Darstellung a x + b x1 gleich 0 zu denken ist, und zwar genügt es, um das Ver- schwinden dieses Terms zu bewirken, dass man dessen Koeffizienten gleich 0 nehme. Verstünden wir z. B. unter y die Klasse der Menschen und unter x die Klasse der sterblichen Wesen (die Klasse „sterblich“), so wäre b = 0 zu denken. Die Klasse der Menschen besteht aus der- jenigen der sterblichen Menschen, wozu aus der Klasse der unsterb- lichen Wesen nichts hinzuzunehmen ist; hier ist schon y = a x = y x — vergl. auch Th. 20×). Entsprechend der schon erwähnten Unbestimmtheit der Koeffi- zienten a, b dürften wir freilich in unserm Beispiel unter b auch ver- stehen: die Klasse der Bäume — in Anbetracht, dass es auch keine unsterblichen Bäume gibt, also b x1 doch = 0 wäre. Die in dem Theorem gebrauchten Ausdrücke „linear“, sowie „homogen“ sind aus der mathematischen Terminologie herübergenommen; sie finden in der Mathematik ihre Erklärung, auch die Benennungen dort ihre Moti- virung. Auf letztere wollen wir hier gar nicht, auf erstere nur so weit eingehen, als für unsre Zwecke unerlässlich ist. Für den Augenblick ge- nügt die Bemerkung, dass man eben einen Ausdruck von der Form a x + b x1 — und nur einen solchen — in Bezug auf x und x1 „linear und homogen“ zu nennen hat. Die allgemeinste lineare aber nicht homogene Funktion

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/417
Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/417>, abgerufen am 22.11.2024.