eines Dinges verschieden sein kann von der Vorstellung eben dieses Dinges (obgleich wir, wie gesagt, jede Vorstellung als das, was sie "an sich" ist, inne werden und als ebensolches auch beliebig zu repro- duziren vermögen), indem bei letzterer jene Bezugnahme eintreten mag, während sie bei ersterer fallen gelassen ist.
Spreche ich von einem Pferde (p), so habe ich eine Vorstellung von dem Pferde (vp). Spreche ich aber von meiner Vorstellung von dem Pferde, so habe ich eine Vorstellung von der Vorstellung von dem Pferde (vvp). Das beifolgende Schema
[Abbildung]
versinnlicht in Zeichen unter s, s' das, wovon wir sprechen mögen, und unter h, h' dasjenige, was wir darunter denken oder im Geiste "haben". Wäre jenes nicht verschieden, nicht zweierlei, so müsste, wenn die Vor- stellung von dem Pferde (eine) lebhaft(e) ist, auch das Pferd (ein) leb- haft(es) sein. Müssen wir aber Dasjenige, wovon wir beidemal reden, als zweierlei anerkennen, so scheint es, dass wir auch Dasjenige, was wir uns darunter denken, beidemal nicht als identisch dasselbe gelten lassen dürfen.
Es drängt sich die Frage auf, ob das nun ohne Ende so weiter geht, ob wir also die Vorstellung von der vvp abermals als ein neues Objekt des Denkens anzuerkennen haben, und so fort? Indessen will ich mich be- gnügen, hier blos die Frage aufgeworfen zu haben; ununtersucht bleibe, ob dabei nicht Gebilde von einer Art entstehen würden, wie sie etwa im Gegensatz zu "rationalitas" das lateinische Scherzwort "rationabilitudinali- tas" anzudeuten und wol zu persifliren bestimmt war.
Es wird ebenso begreiflich, wie wir unsrer Vorstellung vom Raume -- gleichwie schon dem Bewusstsein, das sie in sich fasst -- das Merkmal der Ausdehnung abzusprechen vermögen, während wir doch dem (sonst mit jener identisch erscheinen würdenden) vorgestellten Raume eine dreifache Ausdehnung zuerkennen -- und anderes mehr.
Haben wir nach den Errungenschaften der Physiologie als das Organ unsres Bewusstseins den cerebralen Teil unsres Leibes anzusehen, so er- scheint es (unter anderm) immerhin rätselhaft, wie in diesem, dem Hirne, welches ja ganz im Kopfe Platz hat, die Vorstellung ausgebildet wird von einem Raume, der noch weit über diesen hinaus bis zu den Sternen (und noch weiter) reicht. Lehrreiche und anregende Betrachtungen über diese und noch manche andere Frage über Raum, Zeit, Bewegung und Verur- sachung finde ich in anziehender Darstellung durchgeführt in dem Werke Herrn Otto Liebmann's1, welches nunmehr in zweiter Auflage vorliegt.
3*
Einleitung.
eines Dinges verschieden sein kann von der Vorstellung eben dieses Dinges (obgleich wir, wie gesagt, jede Vorstellung als das, was sie „an sich“ ist, inne werden und als ebensolches auch beliebig zu repro- duziren vermögen), indem bei letzterer jene Bezugnahme eintreten mag, während sie bei ersterer fallen gelassen ist.
Spreche ich von einem Pferde (p), so habe ich eine Vorstellung von dem Pferde (vp). Spreche ich aber von meiner Vorstellung von dem Pferde, so habe ich eine Vorstellung von der Vorstellung von dem Pferde (vvp). Das beifolgende Schema
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versinnlicht in Zeichen unter s, s' das, wovon wir sprechen mögen, und unter h, h' dasjenige, was wir darunter denken oder im Geiste „haben“. Wäre jenes nicht verschieden, nicht zweierlei, so müsste, wenn die Vor- stellung von dem Pferde (eine) lebhaft(e) ist, auch das Pferd (ein) leb- haft(es) sein. Müssen wir aber Dasjenige, wovon wir beidemal reden, als zweierlei anerkennen, so scheint es, dass wir auch Dasjenige, was wir uns darunter denken, beidemal nicht als identisch dasselbe gelten lassen dürfen.
Es drängt sich die Frage auf, ob das nun ohne Ende so weiter geht, ob wir also die Vorstellung von der vvp abermals als ein neues Objekt des Denkens anzuerkennen haben, und so fort? Indessen will ich mich be- gnügen, hier blos die Frage aufgeworfen zu haben; ununtersucht bleibe, ob dabei nicht Gebilde von einer Art entstehen würden, wie sie etwa im Gegensatz zu „rationalitas“ das lateinische Scherzwort „rationabilitudinali- tas“ anzudeuten und wol zu persifliren bestimmt war.
Es wird ebenso begreiflich, wie wir unsrer Vorstellung vom Raume — gleichwie schon dem Bewusstsein, das sie in sich fasst — das Merkmal der Ausdehnung abzusprechen vermögen, während wir doch dem (sonst mit jener identisch erscheinen würdenden) vorgestellten Raume eine dreifache Ausdehnung zuerkennen — und anderes mehr.
Haben wir nach den Errungenschaften der Physiologie als das Organ unsres Bewusstseins den cerebralen Teil unsres Leibes anzusehen, so er- scheint es (unter anderm) immerhin rätselhaft, wie in diesem, dem Hirne, welches ja ganz im Kopfe Platz hat, die Vorstellung ausgebildet wird von einem Raume, der noch weit über diesen hinaus bis zu den Sternen (und noch weiter) reicht. Lehrreiche und anregende Betrachtungen über diese und noch manche andere Frage über Raum, Zeit, Bewegung und Verur- sachung finde ich in anziehender Darstellung durchgeführt in dem Werke Herrn Otto Liebmann's1, welches nunmehr in zweiter Auflage vorliegt.
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Einleitung.
eines Dinges verschieden sein kann von der Vorstellung eben dieses
Dinges (obgleich wir, wie gesagt, jede Vorstellung als das, was sie
„an sich“ ist, inne werden und als ebensolches auch beliebig zu repro-
duziren vermögen), indem bei letzterer jene Bezugnahme eintreten mag,
während sie bei ersterer fallen gelassen ist.
Spreche ich von einem Pferde (p), so habe ich eine Vorstellung von
dem Pferde (vp). Spreche ich aber von meiner Vorstellung von dem Pferde,
so habe ich eine Vorstellung von der Vorstellung von dem Pferde (vvp). Das
beifolgende Schema
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versinnlicht in Zeichen unter s, s' das, wovon wir sprechen mögen, und
unter h, h' dasjenige, was wir darunter denken oder im Geiste „haben“.
Wäre jenes nicht verschieden, nicht zweierlei, so müsste, wenn die Vor-
stellung von dem Pferde (eine) lebhaft(e) ist, auch das Pferd (ein) leb-
haft(es) sein. Müssen wir aber Dasjenige, wovon wir beidemal reden, als
zweierlei anerkennen, so scheint es, dass wir auch Dasjenige, was wir uns
darunter denken, beidemal nicht als identisch dasselbe gelten lassen dürfen.
Es drängt sich die Frage auf, ob das nun ohne Ende so weiter geht,
ob wir also die Vorstellung von der vvp abermals als ein neues Objekt des
Denkens anzuerkennen haben, und so fort? Indessen will ich mich be-
gnügen, hier blos die Frage aufgeworfen zu haben; ununtersucht bleibe, ob
dabei nicht Gebilde von einer Art entstehen würden, wie sie etwa im
Gegensatz zu „rationalitas“ das lateinische Scherzwort „rationabilitudinali-
tas“ anzudeuten und wol zu persifliren bestimmt war.
Es wird ebenso begreiflich, wie wir unsrer Vorstellung vom
Raume — gleichwie schon dem Bewusstsein, das sie in sich fasst —
das Merkmal der Ausdehnung abzusprechen vermögen, während wir
doch dem (sonst mit jener identisch erscheinen würdenden) vorgestellten
Raume eine dreifache Ausdehnung zuerkennen — und anderes mehr.
Haben wir nach den Errungenschaften der Physiologie als das Organ
unsres Bewusstseins den cerebralen Teil unsres Leibes anzusehen, so er-
scheint es (unter anderm) immerhin rätselhaft, wie in diesem, dem Hirne,
welches ja ganz im Kopfe Platz hat, die Vorstellung ausgebildet wird von
einem Raume, der noch weit über diesen hinaus bis zu den Sternen (und
noch weiter) reicht. Lehrreiche und anregende Betrachtungen über diese
und noch manche andere Frage über Raum, Zeit, Bewegung und Verur-
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/55>, abgerufen am 22.11.2024.
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