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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Logischer Kalkul mit Gruppen -- von Funktionalgleichungen.

Nachdem hiermit der allgemeine Charakter des Substrates unsrer
Untersuchung hinlänglich gekennzeichnet sein dürfte, empfiehlt es sich,
ein spezielles Substrat dieser Art nunmehr hervorzuheben, eine ganz
bestimmte Mannigfaltigkeit von Sätzen namhaft zu machen und jeweils
zur Illustration zu benutzen:

Die "Sätze" der Mannigfaltigkeit seien -- analog dem zweiten
der vorstehenden Beispiele "f (x, y) = f (y, x)" -- durch arithmetische
Formeln darstellbare, nämlich Funktionalgleichungen.

Als eine "Formel" hingestellt zu werden verdient eine Funktional-
gleichung insofern, als sie für eine Funktion, die ihr genügt, den Charakter
der Allgemeingültigkeit besitzt, nämlich gelten wird für jedes erdenkliche
Wertsystem der Argumente, welches man irgend aus dem Gebiete der Zahlen
herausgreifen mag. Keineswegs aber braucht die Funktionalgleichung auch
erfüllt zu sein für jede Funktion, vielmehr haftet ihr auch ein synthetischer
Charakter an insofern als sie dienlich sein kann, gewisse Funktionen (oder
Klassen von solchen) als solche, die ihr genügen sollen, zu bestimmen.
So bestimmt ja in der That die Funktionalgleichung f (x, y) = f (y, x),
wenn sie analytisch ("allgemein", für alle Wertepaare x, y) gelten soll, die
Funktion f als eine symmetrische; für eine solche aber ist sie dann als
eine Formel erfüllt.

Der Name "Formel", den wir hier den Funktionalgleichungen beilegen,
rechtfertigt sich ausserdem durch die nachfolgend für sie einzuführende
symbolische Schreibweise, in welcher sie einen ähnlichen Anblick dar-
bieten werden, wie die bekannten Formeln der allgemeinen Arithmetik --
wie z. B. Kommutations- und Assoziationsgesetz -- gelegentlich auch geradezu
mit solchen zusammenfallen.

Und zwar mögen unsre Funktionalgleichungen sich nur beziehen
auf eine Funktion zweier Argumente nebst ihren beiden Umkehrungen,
die ich nach den (l. c.)8, § 1 dargelegten Grundsätzen symbolisch als
Produkt, Verhältniss und Bruch schreibe und alle drei als vollkommen
eindeutig
voraussetze.

Die dreifache Voraussetzung dieser Eindeutigkeit nebst den, den
Gegensatz der drei Grundoperationen (oder die Definition von zweien
derselben durch die dritte) zum Ausdruck bringenden sechs "Funda-
mentalbeziehungen" [die ich sogleich angeben werde -- vergl. auch
(l. c.)8, § 2] konstituiren alsdann die "Prinzipien" P, nach denen
Folgerungen zu ziehen sein werden.

Für f (a, b) werde also kürzer blos a b geschrieben, und dies ein
"symbolisches Produkt" genannt. Zu jedem beliebigen Wertepaar a und b
soll es stets einen und nur einen Wert von f (a, b) oder a b im Gebiete
der Zahlen geben. Die Aufsuchung dieses Wertes für gegebene a, b ist
eine Operation, die wir demnach als die "erste Grundoperation" (oder
"symbolische Multiplikation") bezeichnen werden. Für ein gewisses Werte-
paar a, b sei c der Wert von a b, sonach a b = c.

Logischer Kalkul mit Gruppen — von Funktionalgleichungen.

Nachdem hiermit der allgemeine Charakter des Substrates unsrer
Untersuchung hinlänglich gekennzeichnet sein dürfte, empfiehlt es sich,
ein spezielles Substrat dieser Art nunmehr hervorzuheben, eine ganz
bestimmte Mannigfaltigkeit von Sätzen namhaft zu machen und jeweils
zur Illustration zu benutzen:

Die „Sätze“ der Mannigfaltigkeit seien — analog dem zweiten
der vorstehenden Beispiele „f (x, y) = f (y, x)“ — durch arithmetische
Formeln darstellbare, nämlich Funktionalgleichungen.

Als eine „Formel“ hingestellt zu werden verdient eine Funktional-
gleichung insofern, als sie für eine Funktion, die ihr genügt, den Charakter
der Allgemeingültigkeit besitzt, nämlich gelten wird für jedes erdenkliche
Wertsystem der Argumente, welches man irgend aus dem Gebiete der Zahlen
herausgreifen mag. Keineswegs aber braucht die Funktionalgleichung auch
erfüllt zu sein für jede Funktion, vielmehr haftet ihr auch ein synthetischer
Charakter an insofern als sie dienlich sein kann, gewisse Funktionen (oder
Klassen von solchen) als solche, die ihr genügen sollen, zu bestimmen.
So bestimmt ja in der That die Funktionalgleichung f (x, y) = f (y, x),
wenn sie analytisch („allgemein“, für alle Wertepaare x, y) gelten soll, die
Funktion f als eine symmetrische; für eine solche aber ist sie dann als
eine Formel erfüllt.

Der Name „Formel“, den wir hier den Funktionalgleichungen beilegen,
rechtfertigt sich ausserdem durch die nachfolgend für sie einzuführende
symbolische Schreibweise, in welcher sie einen ähnlichen Anblick dar-
bieten werden, wie die bekannten Formeln der allgemeinen Arithmetik —
wie z. B. Kommutations- und Assoziationsgesetz — gelegentlich auch geradezu
mit solchen zusammenfallen.

Und zwar mögen unsre Funktionalgleichungen sich nur beziehen
auf eine Funktion zweier Argumente nebst ihren beiden Umkehrungen,
die ich nach den (l. c.)8, § 1 dargelegten Grundsätzen symbolisch als
Produkt, Verhältniss und Bruch schreibe und alle drei als vollkommen
eindeutig
voraussetze.

Die dreifache Voraussetzung dieser Eindeutigkeit nebst den, den
Gegensatz der drei Grundoperationen (oder die Definition von zweien
derselben durch die dritte) zum Ausdruck bringenden sechs „Funda-
mentalbeziehungen“ [die ich sogleich angeben werde — vergl. auch
(l. c.)8, § 2] konstituiren alsdann die „Prinzipien“ P, nach denen
Folgerungen zu ziehen sein werden.

Für f (a, b) werde also kürzer blos a b geschrieben, und dies ein
„symbolisches Produkt“ genannt. Zu jedem beliebigen Wertepaar a und b
soll es stets einen und nur einen Wert von f (a, b) oder a b im Gebiete
der Zahlen geben. Die Aufsuchung dieses Wertes für gegebene a, b ist
eine Operation, die wir demnach als die „erste Grundoperation“ (oder
„symbolische Multiplikation“) bezeichnen werden. Für ein gewisses Werte-
paar a, b sei c der Wert von a b, sonach a b = c.

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[619/0639] Logischer Kalkul mit Gruppen — von Funktionalgleichungen. Nachdem hiermit der allgemeine Charakter des Substrates unsrer Untersuchung hinlänglich gekennzeichnet sein dürfte, empfiehlt es sich, ein spezielles Substrat dieser Art nunmehr hervorzuheben, eine ganz bestimmte Mannigfaltigkeit von Sätzen namhaft zu machen und jeweils zur Illustration zu benutzen: Die „Sätze“ der Mannigfaltigkeit seien — analog dem zweiten der vorstehenden Beispiele „f (x, y) = f (y, x)“ — durch arithmetische Formeln darstellbare, nämlich Funktionalgleichungen. Als eine „Formel“ hingestellt zu werden verdient eine Funktional- gleichung insofern, als sie für eine Funktion, die ihr genügt, den Charakter der Allgemeingültigkeit besitzt, nämlich gelten wird für jedes erdenkliche Wertsystem der Argumente, welches man irgend aus dem Gebiete der Zahlen herausgreifen mag. Keineswegs aber braucht die Funktionalgleichung auch erfüllt zu sein für jede Funktion, vielmehr haftet ihr auch ein synthetischer Charakter an insofern als sie dienlich sein kann, gewisse Funktionen (oder Klassen von solchen) als solche, die ihr genügen sollen, zu bestimmen. So bestimmt ja in der That die Funktionalgleichung f (x, y) = f (y, x), wenn sie analytisch („allgemein“, für alle Wertepaare x, y) gelten soll, die Funktion f als eine symmetrische; für eine solche aber ist sie dann als eine Formel erfüllt. Der Name „Formel“, den wir hier den Funktionalgleichungen beilegen, rechtfertigt sich ausserdem durch die nachfolgend für sie einzuführende symbolische Schreibweise, in welcher sie einen ähnlichen Anblick dar- bieten werden, wie die bekannten Formeln der allgemeinen Arithmetik — wie z. B. Kommutations- und Assoziationsgesetz — gelegentlich auch geradezu mit solchen zusammenfallen. Und zwar mögen unsre Funktionalgleichungen sich nur beziehen auf eine Funktion zweier Argumente nebst ihren beiden Umkehrungen, die ich nach den (l. c.)8, § 1 dargelegten Grundsätzen symbolisch als Produkt, Verhältniss und Bruch schreibe und alle drei als vollkommen eindeutig voraussetze. Die dreifache Voraussetzung dieser Eindeutigkeit nebst den, den Gegensatz der drei Grundoperationen (oder die Definition von zweien derselben durch die dritte) zum Ausdruck bringenden sechs „Funda- mentalbeziehungen“ [die ich sogleich angeben werde — vergl. auch (l. c.)8, § 2] konstituiren alsdann die „Prinzipien“ P, nach denen Folgerungen zu ziehen sein werden. Für f (a, b) werde also kürzer blos a b geschrieben, und dies ein „symbolisches Produkt“ genannt. Zu jedem beliebigen Wertepaar a und b soll es stets einen und nur einen Wert von f (a, b) oder a b im Gebiete der Zahlen geben. Die Aufsuchung dieses Wertes für gegebene a, b ist eine Operation, die wir demnach als die „erste Grundoperation“ (oder „symbolische Multiplikation“) bezeichnen werden. Für ein gewisses Werte- paar a, b sei c der Wert von a b, sonach a b = c.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 619. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/639>, abgerufen am 27.11.2024.