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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891.

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§ 34. Elementar- und Grundbeziehungen, anschaulich eingeführt.
geben ist, Tmesis zu unbequem auszusprechen. Vielleicht würde "Inter-
sektion"
schon einigen Beifall finden. Am liebsten möchte ich die Neu-
bildung "Sekanz" riskiren, die wenigstens Anklänge findet, ohne selbst
lateinisch zu sein, doch im Latein zahlreiche Analoga besitzt. Die ältere
Logik scheint solche Beziehungen ganz ausser Betracht gelassen zu haben,
weshalb ein Name von alter Übung nicht zu finden ist. In neueren Werken
begegnet man zuweilen für die in jene Beziehung eingehenden (eventuell
den Klassen A, B zugeordneten) Begriffe dem Namen der "kreuzenden"
oder Kreuzungsbegriffe, und wir könnten darnach auch von der gedachten
Beziehung als von einer "Kreuzung" reden.

Es erschiene dies nicht ganz unpassend, wenn dabei nur etwa an die
Kreuzung zwischen Pflanzenspezies oder von Rassen aus dem Tierreiche
gedacht wird. Dagegen verstiesse es höchlich gegen den mathematischen
Sprachgebrauch, welchen wir für unsre Disziplin einer Berücksichtigung in
erster Linie würdig erachten.

In Geometrie etc. wird der Fall, wo zwei Gebilde z. B. Körper,
Flächen oder Linien sich mit nur einem Teile ihrerselbst gegenseitig durch-
dringen, regelmässig als ein Schneiden derselben bezeichnet und der gemein-
same Teil heisst die Schnittfigur; so schneiden sich zwei Gerade in einem
Punkt, zwei Flächen zumeist in einer Linie, etc. Das Wort wird nicht
gebraucht, wenn die Schnittfigur mit dem einen Gebilde selbst zusammen-
fällt, das eine also ganz im andern liegt: man sagt nicht: der Punkt
schneide die Ebene, in der er liegt, und wenn gesagt wird, eine Gerade
schneide eine Ebene, so ist damit ausdrücklich der Fall ausgeschlossen, wo
die Gerade in die Ebene hineinfällt. Dieser Sprachgebrauch entspricht
also vollkommen der hier in Betracht kommenden Beziehung.

Als einander "kreuzende" Gerade z. B. werden dagegen solche Gerade
in der Geometrie bezeichnet -- entgegen wol dem Sprachgefühl im ge-
meinen Leben -- die ohne einen Punkt gemein zu haben (und ohne in ein-
unddieselbe Ebene zu fallen) im Raume an einander vorbeigehen -- ein
Fall, der nicht in a sondern in a sein Analogon fände.

Aus diesem Grunde -- um hier nicht Verwirrung zu stiften, resp.
die schon vorhandene zu vermehren -- werden wir uns der eben erwähnten
Benennung entbalten.

Will man die Urteile d, f, e, g in der Wortsprache darstellen, so
kann dies ohne Abweichung vom Sprachgebrauche nur mittelst je
zweier Sätze geschehen, und zwar:

d. Alle A sind B, und alle B sind A.
f. Alle A sind B, aber nicht alle B sind A.
(sive: einige B sind nicht-A).
e. Alle B sind A aber einige A sind nicht-B.
g. Nur einige A sind B und nur einige B sind A.
(sive: einige B sind nicht A).

Oder man muss gar für den letzten Fall zu drei Sätzen seine
Zuflucht nehmen, als da sind:

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§ 34. Elementar- und Grundbeziehungen, anschaulich eingeführt.
geben ist, Tmēsis zu unbequem auszusprechen. Vielleicht würde „Inter-
sektion“
schon einigen Beifall finden. Am liebsten möchte ich die Neu-
bildung „Sekanz“ riskiren, die wenigstens Anklänge findet, ohne selbst
lateinisch zu sein, doch im Latein zahlreiche Analoga besitzt. Die ältere
Logik scheint solche Beziehungen ganz ausser Betracht gelassen zu haben,
weshalb ein Name von alter Übung nicht zu finden ist. In neueren Werken
begegnet man zuweilen für die in jene Beziehung eingehenden (eventuell
den Klassen A, B zugeordneten) Begriffe dem Namen der „kreuzenden“
oder Kreuzungsbegriffe, und wir könnten darnach auch von der gedachten
Beziehung als von einer „Kreuzung“ reden.

Es erschiene dies nicht ganz unpassend, wenn dabei nur etwa an die
Kreuzung zwischen Pflanzenspezies oder von Rassen aus dem Tierreiche
gedacht wird. Dagegen verstiesse es höchlich gegen den mathematischen
Sprachgebrauch, welchen wir für unsre Disziplin einer Berücksichtigung in
erster Linie würdig erachten.

In Geometrie etc. wird der Fall, wo zwei Gebilde z. B. Körper,
Flächen oder Linien sich mit nur einem Teile ihrerselbst gegenseitig durch-
dringen, regelmässig als ein Schneiden derselben bezeichnet und der gemein-
same Teil heisst die Schnittfigur; so schneiden sich zwei Gerade in einem
Punkt, zwei Flächen zumeist in einer Linie, etc. Das Wort wird nicht
gebraucht, wenn die Schnittfigur mit dem einen Gebilde selbst zusammen-
fällt, das eine also ganz im andern liegt: man sagt nicht: der Punkt
schneide die Ebene, in der er liegt, und wenn gesagt wird, eine Gerade
schneide eine Ebene, so ist damit ausdrücklich der Fall ausgeschlossen, wo
die Gerade in die Ebene hineinfällt. Dieser Sprachgebrauch entspricht
also vollkommen der hier in Betracht kommenden Beziehung.

Als einander „kreuzende“ Gerade z. B. werden dagegen solche Gerade
in der Geometrie bezeichnet — entgegen wol dem Sprachgefühl im ge-
meinen Leben — die ohne einen Punkt gemein zu haben (und ohne in ein-
unddieselbe Ebene zu fallen) im Raume an einander vorbeigehen — ein
Fall, der nicht in α sondern in a sein Analogon fände.

Aus diesem Grunde — um hier nicht Verwirrung zu stiften, resp.
die schon vorhandene zu vermehren — werden wir uns der eben erwähnten
Benennung entbalten.

Will man die Urteile d, f, e, g in der Wortsprache darstellen, so
kann dies ohne Abweichung vom Sprachgebrauche nur mittelst je
zweier Sätze geschehen, und zwar:

d. Alle A sind B, und alle B sind A.
f. Alle A sind B, aber nicht alle B sind A.
(sive: einige B sind nicht-A).
e. Alle B sind A aber einige A sind nicht-B.
g. Nur einige A sind B und nur einige B sind A.
(sive: einige B sind nicht A).

Oder man muss gar für den letzten Fall zu drei Sätzen seine
Zuflucht nehmen, als da sind:

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0201_1891/123>, abgerufen am 23.11.2024.