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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891.

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Neunzehnte Vorlesung.
Lösung (oder der als Konklusion zu deduzirenden Gesamtaussage) be-
stimmte Vorschriften gegeben sind. In Bezug auf solche Probleme
ist einfach zu verweisen auf die Gesetze des identischen Kalkuls (mit
Gebieten und spezieller auch mit Aussagen), welche uns ja mit den
Bedingungen für die Äquivalenz und Unterordnung von Aussagen
schon bekannt gemacht haben und uns die Regeln zur Umformung
solcher an die Hand geben. In Bezug auf alle uns erdenklich ge-
wesenen Anforderungen, die man an eine Lösung stellen könnte haben
wir ohnehin in dieser Disziplin bereits dargethan, ob und wie die-
selben erfüllbar. Allein nur das Auflösungsproblem harrt noch seiner
Erledigung auch für die zweite Logikstufe.

Von den beiden übrig bleibenden Problemen, dem Eliminations-
und dem Introduktionsprobleme hat das erstere einen völlig bestimmten
Charakter.

Das Eliminationsproblem gipfelt in der Forderung: alles Das-
jenige, was ohne Rücksicht auf die Eliminanden -- "unabhängig" von
denselben -- auf Grund des Prämissensystems ausgesagt werden kann,
erschöpfend anzugeben. Eliminationen zu vollziehen erscheint geradezu
als das Hauptproblem der Lehre vom Schliessen, und zwar liegt dieses
im Wesen der Deduktion begründet. Fast immer kommt es ja beim
Folgern darauf an, blos einen Teil der in den Daten aufgespeicherten
Kenntnisse zu verwerten, dasjenige zu formuliren und schliessend aus-
zusondern, was dieselben in gewissen Hinsichten, was sie abgesehen
von gewissen Dingen oder Klassen (oder auch Kenntnissen) über die
andern lehren. Mit diesem Problem werden wir uns darum auch vor-
wiegend zu befassen haben.

Das andere, das Introduktionsproblem dagegen erscheint als ein
vagues, unbestimmtes. Es verlangt das "Inseriren" von neuen Termen,
fordert die Herstellung einer richtigen Aussage, welche sich zugleich
mit über Dinge, Klassen erstrecke, über welche die Prämissen gar
keine Information enthalten. Die in Bezug auf solche Dinge von der
gesuchten Lösung zu gebende Information kann doch nur eine "nichts-
sagende", nur eine scheinbare werden. Wir dürfen ja doch nicht
hoffen, aus den Dimensionen eines Schiffes z. B., und der Anzahl und
Höhe der Maste, das Alter seines Kapitäns berechnen zu lernen!

Die Unbestimmtheit bleibt auch bestehen, wenn man das Intro-
duktionsproblem etwa mit Peirce dahin formulirt: zu ermitteln, welche

als eine "analytische" identisch gilt oder nicht, wofür -- soweit nur Umfangs-
und Aussagenbeziehungen in Betracht kommen -- in § 21 und 33 die Methoden
bereits auseinandergesetzt sind. Vergl. auch § 46, 1. Studie.

Neunzehnte Vorlesung.
Lösung (oder der als Konklusion zu deduzirenden Gesamtaussage) be-
stimmte Vorschriften gegeben sind. In Bezug auf solche Probleme
ist einfach zu verweisen auf die Gesetze des identischen Kalkuls (mit
Gebieten und spezieller auch mit Aussagen), welche uns ja mit den
Bedingungen für die Äquivalenz und Unterordnung von Aussagen
schon bekannt gemacht haben und uns die Regeln zur Umformung
solcher an die Hand geben. In Bezug auf alle uns erdenklich ge-
wesenen Anforderungen, die man an eine Lösung stellen könnte haben
wir ohnehin in dieser Disziplin bereits dargethan, ob und wie die-
selben erfüllbar. Allein nur das Auflösungsproblem harrt noch seiner
Erledigung auch für die zweite Logikstufe.

Von den beiden übrig bleibenden Problemen, dem Eliminations-
und dem Introduktionsprobleme hat das erstere einen völlig bestimmten
Charakter.

Das Eliminationsproblem gipfelt in der Forderung: alles Das-
jenige, was ohne Rücksicht auf die Eliminanden — „unabhängig“ von
denselben — auf Grund des Prämissensystems ausgesagt werden kann,
erschöpfend anzugeben. Eliminationen zu vollziehen erscheint geradezu
als das Hauptproblem der Lehre vom Schliessen, und zwar liegt dieses
im Wesen der Deduktion begründet. Fast immer kommt es ja beim
Folgern darauf an, blos einen Teil der in den Daten aufgespeicherten
Kenntnisse zu verwerten, dasjenige zu formuliren und schliessend aus-
zusondern, was dieselben in gewissen Hinsichten, was sie abgesehen
von gewissen Dingen oder Klassen (oder auch Kenntnissen) über die
andern lehren. Mit diesem Problem werden wir uns darum auch vor-
wiegend zu befassen haben.

Das andere, das Introduktionsproblem dagegen erscheint als ein
vagues, unbestimmtes. Es verlangt das „Inseriren“ von neuen Termen,
fordert die Herstellung einer richtigen Aussage, welche sich zugleich
mit über Dinge, Klassen erstrecke, über welche die Prämissen gar
keine Information enthalten. Die in Bezug auf solche Dinge von der
gesuchten Lösung zu gebende Information kann doch nur eine „nichts-
sagende“, nur eine scheinbare werden. Wir dürfen ja doch nicht
hoffen, aus den Dimensionen eines Schiffes z. B., und der Anzahl und
Höhe der Maste, das Alter seines Kapitäns berechnen zu lernen!

Die Unbestimmtheit bleibt auch bestehen, wenn man das Intro-
duktionsproblem etwa mit Peirce dahin formulirt: zu ermitteln, welche

als eine „analytische“ identisch gilt oder nicht, wofür — soweit nur Umfangs-
und Aussagenbeziehungen in Betracht kommen — in § 21 und 33 die Methoden
bereits auseinandergesetzt sind. Vergl. auch § 46, 1. Studie.
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[198/0222] Neunzehnte Vorlesung. Lösung (oder der als Konklusion zu deduzirenden Gesamtaussage) be- stimmte Vorschriften gegeben sind. In Bezug auf solche Probleme ist einfach zu verweisen auf die Gesetze des identischen Kalkuls (mit Gebieten und spezieller auch mit Aussagen), welche uns ja mit den Bedingungen für die Äquivalenz und Unterordnung von Aussagen schon bekannt gemacht haben und uns die Regeln zur Umformung solcher an die Hand geben. In Bezug auf alle uns erdenklich ge- wesenen Anforderungen, die man an eine Lösung stellen könnte haben wir ohnehin in dieser Disziplin bereits dargethan, ob und wie die- selben erfüllbar. Allein nur das Auflösungsproblem harrt noch seiner Erledigung auch für die zweite Logikstufe. Von den beiden übrig bleibenden Problemen, dem Eliminations- und dem Introduktionsprobleme hat das erstere einen völlig bestimmten Charakter. Das Eliminationsproblem gipfelt in der Forderung: alles Das- jenige, was ohne Rücksicht auf die Eliminanden — „unabhängig“ von denselben — auf Grund des Prämissensystems ausgesagt werden kann, erschöpfend anzugeben. Eliminationen zu vollziehen erscheint geradezu als das Hauptproblem der Lehre vom Schliessen, und zwar liegt dieses im Wesen der Deduktion begründet. Fast immer kommt es ja beim Folgern darauf an, blos einen Teil der in den Daten aufgespeicherten Kenntnisse zu verwerten, dasjenige zu formuliren und schliessend aus- zusondern, was dieselben in gewissen Hinsichten, was sie abgesehen von gewissen Dingen oder Klassen (oder auch Kenntnissen) über die andern lehren. Mit diesem Problem werden wir uns darum auch vor- wiegend zu befassen haben. Das andere, das Introduktionsproblem dagegen erscheint als ein vagues, unbestimmtes. Es verlangt das „Inseriren“ von neuen Termen, fordert die Herstellung einer richtigen Aussage, welche sich zugleich mit über Dinge, Klassen erstrecke, über welche die Prämissen gar keine Information enthalten. Die in Bezug auf solche Dinge von der gesuchten Lösung zu gebende Information kann doch nur eine „nichts- sagende“, nur eine scheinbare werden. Wir dürfen ja doch nicht hoffen, aus den Dimensionen eines Schiffes z. B., und der Anzahl und Höhe der Maste, das Alter seines Kapitäns berechnen zu lernen! Die Unbestimmtheit bleibt auch bestehen, wenn man das Intro- duktionsproblem etwa mit Peirce dahin formulirt: zu ermitteln, welche *) *) als eine „analytische“ identisch gilt oder nicht, wofür — soweit nur Umfangs- und Aussagenbeziehungen in Betracht kommen — in § 21 und 33 die Methoden bereits auseinandergesetzt sind. Vergl. auch § 46, 1. Studie.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0201_1891/222>, abgerufen am 26.11.2024.