Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905.§ 54. Fortsetzung. Über zeitlich partikulare Urteile. x) Zum Schluss der Kontroverse nun noch die Frage: wie kann In der sechzehnten Vorlesung glaubte ich klar gemacht zu haben, Und das erscheint doch wol selbstverständlich. Ist doch diese Wer in den Sätzen des Aussagenkalkuls Paradoxien zu erblicken meint, Die Darlegungen meiner sechzehnten Vorlesung sind indess selbst Das Ärgerniss gibt die Aussagengleichung Es ist dies der Satz, in welchem Frau Franklin einen "distinct Bedeute C das Urteil "Es regnet", A das "Ich bediene mich eines § 54. Fortsetzung. Über zeitlich partikulare Urteile. ξ) Zum Schluss der Kontroverse nun noch die Frage: wie kann In der sechzehnten Vorlesung glaubte ich klar gemacht zu haben, Und das erscheint doch wol selbstverständlich. Ist doch diese Wer in den Sätzen des Aussagenkalkuls Paradoxien zu erblicken meint, Die Darlegungen meiner sechzehnten Vorlesung sind indess selbst Das Ärgerniss gibt die Aussagengleichung Es ist dies der Satz, in welchem Frau Franklin einen „distinct Bedeute C das Urteil „Es regnet“, A das „Ich bediene mich eines <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0129" n="485"/> <fw place="top" type="header">§ 54. Fortsetzung. Über zeitlich partikulare Urteile.</fw><lb/> <p><hi rendition="#i">ξ</hi>) Zum Schluss der Kontroverse nun noch die Frage: wie kann<lb/> man sich mit der unliebsamen Beschränktheit des Aussagenkalkuls<lb/> aussöhnen und befreunden?</p><lb/> <p>In der sechzehnten Vorlesung glaubte ich klar gemacht zu haben,<lb/> dass sich in dem spezifischen Prinzip 3) sowol als in dessen Konse-<lb/> quenzen 1), 2) etc. weiter nichts ausspricht als die Unabweislichkeit der<lb/> Forderung, <hi rendition="#i">dass Aussagen</hi>, <hi rendition="#i">mit welchen gerechnet werden soll</hi>, <hi rendition="#i">während der<lb/> Rechnung immerfort im selben Sinne verstanden und ausgelegt sein müssen</hi>.</p><lb/> <p>Und das erscheint doch wol selbstverständlich. Ist doch diese<lb/> Forderung der „Einsinnigkeit“ für die Aussagen keine andere als für<lb/> die Klassen, für Begriffswörter und für <hi rendition="#i">Zeichen</hi> jeder Art. Sie tritt<lb/> ja an verbale Überlegungen nicht minder heran als an den Kalkul.<lb/> Der Unterschied ist nur der, dass während man mit Worten vielfach<lb/> gegen sie verstossen und sündigen kann, ohne es zu merken, der<lb/> Kalkul mit unerbittlicher Strenge jeden Verstoss augenblicklich an den<lb/> Tag bringt und rächt, dadurch aber auch zur Beachtung gedachter<lb/> Forderung erzieht, ihre Befolgung erzwingt.</p><lb/> <p>Wer in den Sätzen des Aussagenkalkuls Paradoxien zu erblicken meint,<lb/> der hat sich noch nicht hinreichend frei machen gelernt von dem Gängel-<lb/> bande, an welchem die Wortsprache mit ihren Phrasen und elliptischen<lb/> Redewendungen uns alle zeitlebens — und wie oft in der Irre — herum-<lb/> führt. Nicht dem Aussagenkalkul entspringen Widersprüche und Paradoxien,<lb/> sondern dem Doppelsinn des Wortgebrauchs, den Mängeln der verbalen<lb/> Ausdrucksmittel, der Unzulänglichkeit der sprachlichen Bezeichnungen.</p><lb/> <p>Die Darlegungen meiner sechzehnten Vorlesung sind indess selbst<lb/> bei hochverdienten Mitarbeitern an unserer Disziplin noch auf Schwierig-<lb/> keiten des Verständnisses gestossen. Es sei mir erlaubt, noch auf eine<lb/> solche Schwierigkeit einzugehen.</p><lb/> <p>Das Ärgerniss gibt die Aussagengleichung<lb/> 5) <hi rendition="#et">(<hi rendition="#i">A</hi> + <hi rendition="#i">B</hi> = 1̇) = (<hi rendition="#i">A</hi> = 1̇) + (<hi rendition="#i">B</hi> = 1̇)</hi><lb/> S. 57, welche sich nach unserm spezifischen Prinzip 3) unmittelbar als<lb/> die Identität <hi rendition="#i">A</hi> + <hi rendition="#i">B</hi> = <hi rendition="#i">A</hi> + <hi rendition="#i">B</hi> bewahrheitet.</p><lb/> <p>Es ist dies der Satz, in welchem Frau <hi rendition="#g">Franklin</hi> einen „distinct<lb/> error“ finden will (s. oben S. 464). Sie führt dabei als Argument ein<lb/> Beispiel in’s Feld, welches zur Klarstellung der Sache ganz vorzüglich<lb/> geeignet ist, nämlich: „Wenn es regnet, so nehme ich entweder einen<lb/> Schirm, oder ich bleibe zuhause.“</p><lb/> <p>Bedeute <hi rendition="#i">C</hi> das Urteil „Es regnet“, <hi rendition="#i">A</hi> das „Ich bediene mich eines<lb/> Schirmes“, <hi rendition="#i">B</hi> das Urteil: „Ich verweile im Hause“, so haben wir<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#i">C <g ref="subeq"/> A</hi> + <hi rendition="#i">B</hi>.</hi></p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [485/0129]
§ 54. Fortsetzung. Über zeitlich partikulare Urteile.
ξ) Zum Schluss der Kontroverse nun noch die Frage: wie kann
man sich mit der unliebsamen Beschränktheit des Aussagenkalkuls
aussöhnen und befreunden?
In der sechzehnten Vorlesung glaubte ich klar gemacht zu haben,
dass sich in dem spezifischen Prinzip 3) sowol als in dessen Konse-
quenzen 1), 2) etc. weiter nichts ausspricht als die Unabweislichkeit der
Forderung, dass Aussagen, mit welchen gerechnet werden soll, während der
Rechnung immerfort im selben Sinne verstanden und ausgelegt sein müssen.
Und das erscheint doch wol selbstverständlich. Ist doch diese
Forderung der „Einsinnigkeit“ für die Aussagen keine andere als für
die Klassen, für Begriffswörter und für Zeichen jeder Art. Sie tritt
ja an verbale Überlegungen nicht minder heran als an den Kalkul.
Der Unterschied ist nur der, dass während man mit Worten vielfach
gegen sie verstossen und sündigen kann, ohne es zu merken, der
Kalkul mit unerbittlicher Strenge jeden Verstoss augenblicklich an den
Tag bringt und rächt, dadurch aber auch zur Beachtung gedachter
Forderung erzieht, ihre Befolgung erzwingt.
Wer in den Sätzen des Aussagenkalkuls Paradoxien zu erblicken meint,
der hat sich noch nicht hinreichend frei machen gelernt von dem Gängel-
bande, an welchem die Wortsprache mit ihren Phrasen und elliptischen
Redewendungen uns alle zeitlebens — und wie oft in der Irre — herum-
führt. Nicht dem Aussagenkalkul entspringen Widersprüche und Paradoxien,
sondern dem Doppelsinn des Wortgebrauchs, den Mängeln der verbalen
Ausdrucksmittel, der Unzulänglichkeit der sprachlichen Bezeichnungen.
Die Darlegungen meiner sechzehnten Vorlesung sind indess selbst
bei hochverdienten Mitarbeitern an unserer Disziplin noch auf Schwierig-
keiten des Verständnisses gestossen. Es sei mir erlaubt, noch auf eine
solche Schwierigkeit einzugehen.
Das Ärgerniss gibt die Aussagengleichung
5) (A + B = 1̇) = (A = 1̇) + (B = 1̇)
S. 57, welche sich nach unserm spezifischen Prinzip 3) unmittelbar als
die Identität A + B = A + B bewahrheitet.
Es ist dies der Satz, in welchem Frau Franklin einen „distinct
error“ finden will (s. oben S. 464). Sie führt dabei als Argument ein
Beispiel in’s Feld, welches zur Klarstellung der Sache ganz vorzüglich
geeignet ist, nämlich: „Wenn es regnet, so nehme ich entweder einen
Schirm, oder ich bleibe zuhause.“
Bedeute C das Urteil „Es regnet“, A das „Ich bediene mich eines
Schirmes“, B das Urteil: „Ich verweile im Hause“, so haben wir
C A + B.
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