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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905.

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Vierundzwanzigste Vorlesung.

Die beiden Kalkuln haben die Prinzipien und Sätze 1) bis 25)
unseres Lehrganges gemein, unterscheiden sich dann aber dadurch, dass
in jenem das Th. 26), mithin das volle Distributionsgesetz nicht zu
gelten braucht, dagegen in diesem gilt.

Insofern man die Geltung oder Nichtgeltung von Th. 26) in jenem
unentschieden lässt, kann man sagen, dass der identische Kalkul sich
als ein Unterfall in den Gruppenkalkul einordnet, und dass alle Sätze
dieses Gruppenkalkuls, als des allgemeineren von beiden, auch im
identischen Kalkul gelten müssen, aber nicht umgekehrt. Nimmt man
dagegen etwa das Nichterfülltsein des Th. 26+) a (b + c) a b + a c unter
die Prinzipien des Gruppenkalkuls auf, so steht derselbe dem identischen
Kalkul abgeschlossen und ihn ausschliessend gegenüber.

Für jenen Satz der Nichtbeweisbarkeit des Th. 26) aus den vorher-
gegangenen Prinzipien und Sätzen unserer Theorie sind nun alsbald von
Herrn Lüroth, sodann auch von den Herren Voigt und Korselt
noch drei (oder vier) andere Beweise geliefert oder angedeutet worden,
bei denen wol mit einem geringeren Aufwand von Vorbetrachtungen
das Ziel erreicht wird, und die ich darum, gleichwie im Interesse der
Vollständigkeit meines Werkes, glaube in Kürze hier aufnehmen zu
sollen. Ich will sie in der Reihenfolge ihrer zeitlichen Succession
numeriren, doch ausser der Reihe besprechen.

Der Beweis 4, von Voigt2, p. 303 f. mehr nur angedeutet, im
folgenden unter seiner Beihülfe näher ausgeführt, gibt uns zugleich
Veranlassung, zur Klärung der Frage einer "Inhaltslogik" oder eines
etwaigen, Bd. 1, S. 100 nur von mir gestreiften, identischen Kalkuls
mit (idealen?) Begriffsinhalten weiteres Material beizubringen, welches
vielleicht auch zu den Erörterungen in der "Einleitung" unseres Bd. 1
und der von andern Seiten an diese geknüpften Polemik eine nicht
unwichtige Ergänzung bildet. -- Herr Voigt sagt l. c.:

"... Dieser" (der ideale Begriffsinhalt) "besteht in der Gesamtheit
der Merkmale, welche die Objekte, die einen bestimmten Begriff erfüllen,
gemein haben. Die Logik dieser idealen Begriffsinhalte ist aus der elemen-
taren Logik ganz auszuscheiden, da sie ihren Gesetzen nicht durchaus folgt.
Ein Kalkul der idealen Inhalte wäre ein Gruppenkalkul im Schröderschen
Sinne, für den also das dritte Prinzip nicht gilt."

"Addiren wir z. B. den idealen Inhalt des Begriffes: Rechtwinkliges
Dreieck, zu dem idealen Inhalt des Begriffes: Gleichschenkliges Dreieck,
d. h. bilden wir aus diesen beiden Begriffen einen neuen, dessen Inhalt
alle Merkmale derjenigen Objekte ausmacht, die beide Begriffe zugleich
erfüllen, so wird der ideale Inhalt dieses Begriffes keineswegs blos die

Vierundzwanzigste Vorlesung.

Die beiden Kalkuln haben die Prinzipien und Sätze 1) bis 25)
unseres Lehrganges gemein, unterscheiden sich dann aber dadurch, dass
in jenem das Th. 26), mithin das volle Distributionsgesetz nicht zu
gelten braucht, dagegen in diesem gilt.

Insofern man die Geltung oder Nichtgeltung von Th. 26) in jenem
unentschieden lässt, kann man sagen, dass der identische Kalkul sich
als ein Unterfall in den Gruppenkalkul einordnet, und dass alle Sätze
dieses Gruppenkalkuls, als des allgemeineren von beiden, auch im
identischen Kalkul gelten müssen, aber nicht umgekehrt. Nimmt man
dagegen etwa das Nichterfülltsein des Th. 26+) a (b + c) a b + a c unter
die Prinzipien des Gruppenkalkuls auf, so steht derselbe dem identischen
Kalkul abgeschlossen und ihn ausschliessend gegenüber.

Für jenen Satz der Nichtbeweisbarkeit des Th. 26) aus den vorher-
gegangenen Prinzipien und Sätzen unserer Theorie sind nun alsbald von
Herrn Lüroth, sodann auch von den Herren Voigt und Korselt
noch drei (oder vier) andere Beweise geliefert oder angedeutet worden,
bei denen wol mit einem geringeren Aufwand von Vorbetrachtungen
das Ziel erreicht wird, und die ich darum, gleichwie im Interesse der
Vollständigkeit meines Werkes, glaube in Kürze hier aufnehmen zu
sollen. Ich will sie in der Reihenfolge ihrer zeitlichen Succession
numeriren, doch ausser der Reihe besprechen.

Der Beweis 4, von Voigt2, p. 303 f. mehr nur angedeutet, im
folgenden unter seiner Beihülfe näher ausgeführt, gibt uns zugleich
Veranlassung, zur Klärung der Frage einer „Inhaltslogik“ oder eines
etwaigen, Bd. 1, S. 100 nur von mir gestreiften, identischen Kalkuls
mit (idealen?) Begriffsinhalten weiteres Material beizubringen, welches
vielleicht auch zu den Erörterungen in der „Einleitung“ unseres Bd. 1
und der von andern Seiten an diese geknüpften Polemik eine nicht
unwichtige Ergänzung bildet. — Herr Voigt sagt l. c.:

„… Dieser“ (der ideale Begriffsinhalt) „besteht in der Gesamtheit
der Merkmale, welche die Objekte, die einen bestimmten Begriff erfüllen,
gemein haben. Die Logik dieser idealen Begriffsinhalte ist aus der elemen-
taren Logik ganz auszuscheiden, da sie ihren Gesetzen nicht durchaus folgt.
Ein Kalkul der idealen Inhalte wäre ein Gruppenkalkul im Schröderschen
Sinne, für den also das dritte Prinzip nicht gilt.“

„Addiren wir z. B. den idealen Inhalt des Begriffes: Rechtwinkliges
Dreieck, zu dem idealen Inhalt des Begriffes: Gleichschenkliges Dreieck,
d. h. bilden wir aus diesen beiden Begriffen einen neuen, dessen Inhalt
alle Merkmale derjenigen Objekte ausmacht, die beide Begriffe zugleich
erfüllen, so wird der ideale Inhalt dieses Begriffes keineswegs blos die

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[410/0054] Vierundzwanzigste Vorlesung. Die beiden Kalkuln haben die Prinzipien und Sätze 1) bis 25) unseres Lehrganges gemein, unterscheiden sich dann aber dadurch, dass in jenem das Th. 26), mithin das volle Distributionsgesetz nicht zu gelten braucht, dagegen in diesem gilt. Insofern man die Geltung oder Nichtgeltung von Th. 26) in jenem unentschieden lässt, kann man sagen, dass der identische Kalkul sich als ein Unterfall in den Gruppenkalkul einordnet, und dass alle Sätze dieses Gruppenkalkuls, als des allgemeineren von beiden, auch im identischen Kalkul gelten müssen, aber nicht umgekehrt. Nimmt man dagegen etwa das Nichterfülltsein des Th. 26+) a (b + c) a b + a c unter die Prinzipien des Gruppenkalkuls auf, so steht derselbe dem identischen Kalkul abgeschlossen und ihn ausschliessend gegenüber. Für jenen Satz der Nichtbeweisbarkeit des Th. 26) aus den vorher- gegangenen Prinzipien und Sätzen unserer Theorie sind nun alsbald von Herrn Lüroth, sodann auch von den Herren Voigt und Korselt noch drei (oder vier) andere Beweise geliefert oder angedeutet worden, bei denen wol mit einem geringeren Aufwand von Vorbetrachtungen das Ziel erreicht wird, und die ich darum, gleichwie im Interesse der Vollständigkeit meines Werkes, glaube in Kürze hier aufnehmen zu sollen. Ich will sie in der Reihenfolge ihrer zeitlichen Succession numeriren, doch ausser der Reihe besprechen. Der Beweis 4, von Voigt2, p. 303 f. mehr nur angedeutet, im folgenden unter seiner Beihülfe näher ausgeführt, gibt uns zugleich Veranlassung, zur Klärung der Frage einer „Inhaltslogik“ oder eines etwaigen, Bd. 1, S. 100 nur von mir gestreiften, identischen Kalkuls mit (idealen?) Begriffsinhalten weiteres Material beizubringen, welches vielleicht auch zu den Erörterungen in der „Einleitung“ unseres Bd. 1 und der von andern Seiten an diese geknüpften Polemik eine nicht unwichtige Ergänzung bildet. — Herr Voigt sagt l. c.: „… Dieser“ (der ideale Begriffsinhalt) „besteht in der Gesamtheit der Merkmale, welche die Objekte, die einen bestimmten Begriff erfüllen, gemein haben. Die Logik dieser idealen Begriffsinhalte ist aus der elemen- taren Logik ganz auszuscheiden, da sie ihren Gesetzen nicht durchaus folgt. Ein Kalkul der idealen Inhalte wäre ein Gruppenkalkul im Schröderschen Sinne, für den also das dritte Prinzip nicht gilt.“ „Addiren wir z. B. den idealen Inhalt des Begriffes: Rechtwinkliges Dreieck, zu dem idealen Inhalt des Begriffes: Gleichschenkliges Dreieck, d. h. bilden wir aus diesen beiden Begriffen einen neuen, dessen Inhalt alle Merkmale derjenigen Objekte ausmacht, die beide Begriffe zugleich erfüllen, so wird der ideale Inhalt dieses Begriffes keineswegs blos die

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0202_1905/54>, abgerufen am 21.11.2024.