durch mündlichen Unterricht, durfte dieselbe auch dem Volk nicht öffentlich verkündigt werden. Es wurde bey allen Priestern dieser Zeit, von den Egyptern bis zu den alten Scandinaviern mit dem Tode bestraft, wenn die Eingeweiheten den Innhalt der Mysterien durch kalte Rede oder Beschreibung, an Solche, welche die Begeisterung der Weihe nicht empfiengen, entheilig- ten. *) Dem Volke durfte die Wahrheit nur in dunk- len Bildern und Beyspielen dargestellt werden, und selbst diese Gleichnisse durften bey den alten Scandina- vischen Priestern nicht dem todten Buchstaben anvertraut werden. **) So fest war noch bey jener alten Welt der Glaube: die wahre Weisheit könne nicht sowohl von dem Menschen an den Menschen mitgetheilt, als vielmehr einem empfänglichen Gemüth durch den höhe- ren (göttlichen) Einfluß offenbart werden.
So erscheinen uns die Mysterien noch als das letz- te Denkmahl ihres Daseyns das die scheidende alte Zeit der neuen hinterlassen. Schon tragen die Völker bey denen jene heilige Weihe vorzüglich geblühet, einen von dem der alten Welt sehr verschiedenen Charakter, und die Mysterien selber deren edlerer Ursprung wohl gewiß scheint, sind bey Vielen in die wildesten Gräuel ausgeartet. Man befrage über jene Völker die Ge-
*) S. Olaus Rudbeck. Die Hauptlehren ihrer alten Religion sind deshalb mit ihnen untergegangen.
**) Nach Demselben. Jene Mythen waren in Versen.
durch muͤndlichen Unterricht, durfte dieſelbe auch dem Volk nicht oͤffentlich verkuͤndigt werden. Es wurde bey allen Prieſtern dieſer Zeit, von den Egyptern bis zu den alten Scandinaviern mit dem Tode beſtraft, wenn die Eingeweiheten den Innhalt der Myſterien durch kalte Rede oder Beſchreibung, an Solche, welche die Begeiſterung der Weihe nicht empfiengen, entheilig- ten. *) Dem Volke durfte die Wahrheit nur in dunk- len Bildern und Beyſpielen dargeſtellt werden, und ſelbſt dieſe Gleichniſſe durften bey den alten Scandina- viſchen Prieſtern nicht dem todten Buchſtaben anvertraut werden. **) So feſt war noch bey jener alten Welt der Glaube: die wahre Weisheit koͤnne nicht ſowohl von dem Menſchen an den Menſchen mitgetheilt, als vielmehr einem empfaͤnglichen Gemuͤth durch den hoͤhe- ren (goͤttlichen) Einfluß offenbart werden.
So erſcheinen uns die Myſterien noch als das letz- te Denkmahl ihres Daſeyns das die ſcheidende alte Zeit der neuen hinterlaſſen. Schon tragen die Voͤlker bey denen jene heilige Weihe vorzuͤglich gebluͤhet, einen von dem der alten Welt ſehr verſchiedenen Charakter, und die Myſterien ſelber deren edlerer Urſprung wohl gewiß ſcheint, ſind bey Vielen in die wildeſten Graͤuel ausgeartet. Man befrage uͤber jene Voͤlker die Ge-
*) S. Olaus Rudbeck. Die Hauptlehren ihrer alten Religion ſind deshalb mit ihnen untergegangen.
**) Nach Demſelben. Jene Mythen waren in Verſen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0100"n="86"/>
durch muͤndlichen Unterricht, durfte dieſelbe auch dem<lb/>
Volk nicht oͤffentlich verkuͤndigt werden. Es wurde bey<lb/>
allen Prieſtern dieſer Zeit, von den Egyptern bis zu<lb/>
den alten Scandinaviern mit dem Tode beſtraft, wenn<lb/>
die Eingeweiheten den Innhalt der Myſterien durch<lb/>
kalte Rede oder Beſchreibung, an Solche, welche die<lb/>
Begeiſterung der Weihe nicht empfiengen, entheilig-<lb/>
ten. <noteplace="foot"n="*)">S. Olaus Rudbeck. Die Hauptlehren ihrer alten Religion<lb/>ſind deshalb mit ihnen untergegangen.</note> Dem Volke durfte die Wahrheit nur in dunk-<lb/>
len Bildern und Beyſpielen dargeſtellt werden, und<lb/>ſelbſt dieſe Gleichniſſe durften bey den alten Scandina-<lb/>
viſchen Prieſtern nicht dem todten Buchſtaben anvertraut<lb/>
werden. <noteplace="foot"n="**)">Nach Demſelben. Jene Mythen waren in Verſen.</note> So feſt war noch bey jener alten Welt<lb/>
der Glaube: die wahre Weisheit koͤnne nicht ſowohl<lb/>
von dem Menſchen an den Menſchen mitgetheilt, als<lb/>
vielmehr einem empfaͤnglichen Gemuͤth durch den hoͤhe-<lb/>
ren (goͤttlichen) Einfluß offenbart werden.</p><lb/><p>So erſcheinen uns die Myſterien noch als das letz-<lb/>
te Denkmahl ihres Daſeyns das die ſcheidende alte<lb/>
Zeit der neuen hinterlaſſen. Schon tragen die Voͤlker<lb/>
bey denen jene heilige Weihe vorzuͤglich gebluͤhet, einen<lb/>
von dem der alten Welt ſehr verſchiedenen Charakter,<lb/>
und die Myſterien ſelber deren edlerer Urſprung wohl<lb/>
gewiß ſcheint, ſind bey Vielen in die wildeſten Graͤuel<lb/>
ausgeartet. Man befrage uͤber jene Voͤlker die Ge-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[86/0100]
durch muͤndlichen Unterricht, durfte dieſelbe auch dem
Volk nicht oͤffentlich verkuͤndigt werden. Es wurde bey
allen Prieſtern dieſer Zeit, von den Egyptern bis zu
den alten Scandinaviern mit dem Tode beſtraft, wenn
die Eingeweiheten den Innhalt der Myſterien durch
kalte Rede oder Beſchreibung, an Solche, welche die
Begeiſterung der Weihe nicht empfiengen, entheilig-
ten. *) Dem Volke durfte die Wahrheit nur in dunk-
len Bildern und Beyſpielen dargeſtellt werden, und
ſelbſt dieſe Gleichniſſe durften bey den alten Scandina-
viſchen Prieſtern nicht dem todten Buchſtaben anvertraut
werden. **) So feſt war noch bey jener alten Welt
der Glaube: die wahre Weisheit koͤnne nicht ſowohl
von dem Menſchen an den Menſchen mitgetheilt, als
vielmehr einem empfaͤnglichen Gemuͤth durch den hoͤhe-
ren (goͤttlichen) Einfluß offenbart werden.
So erſcheinen uns die Myſterien noch als das letz-
te Denkmahl ihres Daſeyns das die ſcheidende alte
Zeit der neuen hinterlaſſen. Schon tragen die Voͤlker
bey denen jene heilige Weihe vorzuͤglich gebluͤhet, einen
von dem der alten Welt ſehr verſchiedenen Charakter,
und die Myſterien ſelber deren edlerer Urſprung wohl
gewiß ſcheint, ſind bey Vielen in die wildeſten Graͤuel
ausgeartet. Man befrage uͤber jene Voͤlker die Ge-
*) S. Olaus Rudbeck. Die Hauptlehren ihrer alten Religion
ſind deshalb mit ihnen untergegangen.
**) Nach Demſelben. Jene Mythen waren in Verſen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/100>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.