Alle Ueberreste von Pflanzen, welche in den nörd- lichen Ländern wirklich aus jener Zeit herrühren, und nicht etwa durch spätere, blos örtliche Fluthen im Sand verschlemmt worden, sind denen ähnlich, die wir jetzt nur zwischen den Wendekreißen finden. Baumartige Farrenkräuter, hohe Palmenbäume, wer- den als ehedem einheimische Gewächse nicht allein in Deutschland und besonders in den Rheingegenden, son- dern bis hinauf an den nördlichen Polarkreis gefunden. Ja selbst Sibirien hat Ebenholz und Zuckerrohrartige Gewächse, anjetzt Versteinerungen geworden, aufzu- weisen. Die ganze Natur der nördlichen Welt hat seit- dem eine veränderte Gestalt angenommen. Wir fin- den in Frankreich, der Schweiz und Deutschland, Fisch- und Schneckenversteinerungen, deren Originale jetzt nur im indischen Meere wohnen, die Flüsse von Deutschland so wie selbst die des nördlichen Sibiriens, haben Crocodile und Flußpferde enthalten; in Deutsch- land weideten so häufige Heerden von Elephanten, daß man, unter andern in der obern Grafschaft Katzenel- lenbogen, in einem Umkreiß von wenig Stunden die Ge- rippe von mehr als 50 Stück gefunden. Irrland und England, Pohlen, Island, das nördliche Rußland und Sibirien, so wie das nördlichste Amerika, sind voll gewesen von den meisten Pflanzenfressenden Thieren der Wendekreiße, und wo jetzt selbst die Birke nicht mehr gut gedeihen will, finden sich die Ueberreste von Palmenwäldern. Diese Thiere können nicht durch Zu- fall dahin gerathen seyn, am wenigsten durch Kriege,
Alle Ueberreſte von Pflanzen, welche in den noͤrd- lichen Laͤndern wirklich aus jener Zeit herruͤhren, und nicht etwa durch ſpaͤtere, blos oͤrtliche Fluthen im Sand verſchlemmt worden, ſind denen aͤhnlich, die wir jetzt nur zwiſchen den Wendekreißen finden. Baumartige Farrenkraͤuter, hohe Palmenbaͤume, wer- den als ehedem einheimiſche Gewaͤchſe nicht allein in Deutſchland und beſonders in den Rheingegenden, ſon- dern bis hinauf an den noͤrdlichen Polarkreis gefunden. Ja ſelbſt Sibirien hat Ebenholz und Zuckerrohrartige Gewaͤchſe, anjetzt Verſteinerungen geworden, aufzu- weiſen. Die ganze Natur der noͤrdlichen Welt hat ſeit- dem eine veraͤnderte Geſtalt angenommen. Wir fin- den in Frankreich, der Schweiz und Deutſchland, Fiſch- und Schneckenverſteinerungen, deren Originale jetzt nur im indiſchen Meere wohnen, die Fluͤſſe von Deutſchland ſo wie ſelbſt die des noͤrdlichen Sibiriens, haben Crocodile und Flußpferde enthalten; in Deutſch- land weideten ſo haͤufige Heerden von Elephanten, daß man, unter andern in der obern Grafſchaft Katzenel- lenbogen, in einem Umkreiß von wenig Stunden die Ge- rippe von mehr als 50 Stuͤck gefunden. Irrland und England, Pohlen, Island, das noͤrdliche Rußland und Sibirien, ſo wie das noͤrdlichſte Amerika, ſind voll geweſen von den meiſten Pflanzenfreſſenden Thieren der Wendekreiße, und wo jetzt ſelbſt die Birke nicht mehr gut gedeihen will, finden ſich die Ueberreſte von Palmenwaͤldern. Dieſe Thiere koͤnnen nicht durch Zu- fall dahin gerathen ſeyn, am wenigſten durch Kriege,
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0237"n="223"/><p>Alle Ueberreſte von Pflanzen, welche in den noͤrd-<lb/>
lichen Laͤndern wirklich aus jener Zeit herruͤhren, und<lb/>
nicht etwa durch ſpaͤtere, blos oͤrtliche Fluthen im<lb/>
Sand verſchlemmt worden, ſind denen aͤhnlich, die<lb/>
wir jetzt nur zwiſchen den Wendekreißen finden.<lb/>
Baumartige Farrenkraͤuter, hohe Palmenbaͤume, wer-<lb/>
den als ehedem einheimiſche Gewaͤchſe nicht allein in<lb/>
Deutſchland und beſonders in den Rheingegenden, ſon-<lb/>
dern bis hinauf an den noͤrdlichen Polarkreis gefunden.<lb/>
Ja ſelbſt Sibirien hat Ebenholz und Zuckerrohrartige<lb/>
Gewaͤchſe, anjetzt Verſteinerungen geworden, aufzu-<lb/>
weiſen. Die ganze Natur der noͤrdlichen Welt hat ſeit-<lb/>
dem eine veraͤnderte Geſtalt angenommen. Wir fin-<lb/>
den in Frankreich, der Schweiz und Deutſchland,<lb/>
Fiſch- und Schneckenverſteinerungen, deren Originale<lb/>
jetzt nur im indiſchen Meere wohnen, die Fluͤſſe von<lb/>
Deutſchland ſo wie ſelbſt die des noͤrdlichen Sibiriens,<lb/>
haben Crocodile und Flußpferde enthalten; in Deutſch-<lb/>
land weideten ſo haͤufige Heerden von Elephanten, daß<lb/>
man, unter andern in der obern Grafſchaft Katzenel-<lb/>
lenbogen, in einem Umkreiß von wenig Stunden die Ge-<lb/>
rippe von mehr als 50 Stuͤck gefunden. Irrland und<lb/>
England, Pohlen, Island, das noͤrdliche Rußland<lb/>
und Sibirien, ſo wie das noͤrdlichſte Amerika, ſind voll<lb/>
geweſen von den meiſten Pflanzenfreſſenden Thieren<lb/>
der Wendekreiße, und wo jetzt ſelbſt die Birke nicht<lb/>
mehr gut gedeihen will, finden ſich die Ueberreſte von<lb/>
Palmenwaͤldern. Dieſe Thiere koͤnnen nicht durch Zu-<lb/>
fall dahin gerathen ſeyn, am wenigſten durch Kriege,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[223/0237]
Alle Ueberreſte von Pflanzen, welche in den noͤrd-
lichen Laͤndern wirklich aus jener Zeit herruͤhren, und
nicht etwa durch ſpaͤtere, blos oͤrtliche Fluthen im
Sand verſchlemmt worden, ſind denen aͤhnlich, die
wir jetzt nur zwiſchen den Wendekreißen finden.
Baumartige Farrenkraͤuter, hohe Palmenbaͤume, wer-
den als ehedem einheimiſche Gewaͤchſe nicht allein in
Deutſchland und beſonders in den Rheingegenden, ſon-
dern bis hinauf an den noͤrdlichen Polarkreis gefunden.
Ja ſelbſt Sibirien hat Ebenholz und Zuckerrohrartige
Gewaͤchſe, anjetzt Verſteinerungen geworden, aufzu-
weiſen. Die ganze Natur der noͤrdlichen Welt hat ſeit-
dem eine veraͤnderte Geſtalt angenommen. Wir fin-
den in Frankreich, der Schweiz und Deutſchland,
Fiſch- und Schneckenverſteinerungen, deren Originale
jetzt nur im indiſchen Meere wohnen, die Fluͤſſe von
Deutſchland ſo wie ſelbſt die des noͤrdlichen Sibiriens,
haben Crocodile und Flußpferde enthalten; in Deutſch-
land weideten ſo haͤufige Heerden von Elephanten, daß
man, unter andern in der obern Grafſchaft Katzenel-
lenbogen, in einem Umkreiß von wenig Stunden die Ge-
rippe von mehr als 50 Stuͤck gefunden. Irrland und
England, Pohlen, Island, das noͤrdliche Rußland
und Sibirien, ſo wie das noͤrdlichſte Amerika, ſind voll
geweſen von den meiſten Pflanzenfreſſenden Thieren
der Wendekreiße, und wo jetzt ſelbſt die Birke nicht
mehr gut gedeihen will, finden ſich die Ueberreſte von
Palmenwaͤldern. Dieſe Thiere koͤnnen nicht durch Zu-
fall dahin gerathen ſeyn, am wenigſten durch Kriege,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/237>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.