rialien, und an Fülle der Vorräthe, die aus einer frü- heren Vegetation erhalten sind, Island nichts nachzu- geben.
Der Mensch allein, wenn die Wesen aller Art der veränderten Welt entfliehen, und die ganze lebende Natur sich zum Hinwegziehen rüstet, bleibt noch zuletzt auf den einsamen Trümmern zurück, weil die Liebe und die alte Anhänglichkeit des Gemüths die starren Felsen ver- schönern. Andre Wesen sehen die Welt nur in ihrem natürlichen Reiz, der Geist des Menschen fügt diesem noch einen neuen Schimmer hinzu. So ist jetzt jene nordische Nachtigall, deren einfach klagende Töne die Reisenden früher Jahrhunderte beschrieben, sammt den dunkelgrünen Wäldern, und den Rosenlauben, aus Island verschwunden. Auf ödem Gebirge, welchem der Sommer jetzt kein grünes Laub sondern nur Gras und Blumen zurückbringt, singt der Mensch noch im- mer frölich, den allgemeinen Verfall nicht bemerkend, die alten Lieder seiner Väter, von jenen anjetzt ver- schwundenen Lauben, dem tiefen Grün und dem Gesang der Nachtigall.
rialien, und an Fuͤlle der Vorraͤthe, die aus einer fruͤ- heren Vegetation erhalten ſind, Island nichts nachzu- geben.
Der Menſch allein, wenn die Weſen aller Art der veraͤnderten Welt entfliehen, und die ganze lebende Natur ſich zum Hinwegziehen ruͤſtet, bleibt noch zuletzt auf den einſamen Truͤmmern zuruͤck, weil die Liebe und die alte Anhaͤnglichkeit des Gemuͤths die ſtarren Felſen ver- ſchoͤnern. Andre Weſen ſehen die Welt nur in ihrem natuͤrlichen Reiz, der Geiſt des Menſchen fuͤgt dieſem noch einen neuen Schimmer hinzu. So iſt jetzt jene nordiſche Nachtigall, deren einfach klagende Toͤne die Reiſenden fruͤher Jahrhunderte beſchrieben, ſammt den dunkelgruͤnen Waͤldern, und den Roſenlauben, aus Island verſchwunden. Auf oͤdem Gebirge, welchem der Sommer jetzt kein gruͤnes Laub ſondern nur Gras und Blumen zuruͤckbringt, ſingt der Menſch noch im- mer froͤlich, den allgemeinen Verfall nicht bemerkend, die alten Lieder ſeiner Vaͤter, von jenen anjetzt ver- ſchwundenen Lauben, dem tiefen Gruͤn und dem Geſang der Nachtigall.
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rialien, und an Fuͤlle der Vorraͤthe, die aus einer fruͤ-
heren Vegetation erhalten ſind, Island nichts nachzu-
geben.
Der Menſch allein, wenn die Weſen aller Art der
veraͤnderten Welt entfliehen, und die ganze lebende Natur
ſich zum Hinwegziehen ruͤſtet, bleibt noch zuletzt auf
den einſamen Truͤmmern zuruͤck, weil die Liebe und die
alte Anhaͤnglichkeit des Gemuͤths die ſtarren Felſen ver-
ſchoͤnern. Andre Weſen ſehen die Welt nur in ihrem
natuͤrlichen Reiz, der Geiſt des Menſchen fuͤgt dieſem
noch einen neuen Schimmer hinzu. So iſt jetzt jene
nordiſche Nachtigall, deren einfach klagende Toͤne die
Reiſenden fruͤher Jahrhunderte beſchrieben, ſammt den
dunkelgruͤnen Waͤldern, und den Roſenlauben, aus
Island verſchwunden. Auf oͤdem Gebirge, welchem
der Sommer jetzt kein gruͤnes Laub ſondern nur Gras
und Blumen zuruͤckbringt, ſingt der Menſch noch im-
mer froͤlich, den allgemeinen Verfall nicht bemerkend,
die alten Lieder ſeiner Vaͤter, von jenen anjetzt ver-
ſchwundenen Lauben, dem tiefen Gruͤn und dem Geſang
der Nachtigall.
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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/242>, abgerufen am 21.11.2024.
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