Stachel der kleineren Fürsten, wird, noch ohne Klar- heit, in dem Busen der Welt die Gluth einer ewigen Liebe wach. Da ist der Blick der sterbenden alten Zeit nach dem Orient gewendet, aus welchem, wie einzel- ne Stimmen verkündigten, das neue Heil aufgehen wird. Endlich, stehe! ist die Stunde der Erfüllung gekommen, und mitten unter blutiger Verfolgung, unter der Geißel der Tyranney, wird mit erhabenem Jubel die Vermählung des menschlichen Gemüths mit dem göttlichen Ideal gefeyert. Hierauf schweigen ge- gen Christi Geburt die Orakel alle, und die geheime Gewalt der Natur über den Menschen wird zerstört. Nur noch in einzelnen Lichtblicken, nie im alten Glanz, erhebt sich das Heydenthum auf der westlichen Erde, und zuletzt ist in der neugebildeten Naturwissenschaft, aus der alten Zeit nur noch ein verstümmelter und ver- kannter Schatten der alten Anstrologie und Alchymie, im Mittelalter zurück.
Nur bis dahin, wo der Mensch nun aufhörte, Eins mit der Natur zu seyn, und wo diese als etwas Aeußeres, als Gegenstand vor ihn hintrat, sehen wir die Geschichte der Naturwissenschaft mit der Urge- schichte unsres Geschlechts unzertrennlich vereint. Von hier an begegnen wir dieser nicht weiter, und was vor- hin als Naturcultus mit dem besseren Daseyn des Menschen, ja mit jedem Augenblick seines Lebens in- nigst verschmolzen war, tritt nun als Naturwissen- schaft auf, ohne sichtlichen Zusammenhang mit
Stachel der kleineren Fuͤrſten, wird, noch ohne Klar- heit, in dem Buſen der Welt die Gluth einer ewigen Liebe wach. Da iſt der Blick der ſterbenden alten Zeit nach dem Orient gewendet, aus welchem, wie einzel- ne Stimmen verkuͤndigten, das neue Heil aufgehen wird. Endlich, ſtehe! iſt die Stunde der Erfuͤllung gekommen, und mitten unter blutiger Verfolgung, unter der Geißel der Tyranney, wird mit erhabenem Jubel die Vermaͤhlung des menſchlichen Gemuͤths mit dem goͤttlichen Ideal gefeyert. Hierauf ſchweigen ge- gen Chriſti Geburt die Orakel alle, und die geheime Gewalt der Natur uͤber den Menſchen wird zerſtoͤrt. Nur noch in einzelnen Lichtblicken, nie im alten Glanz, erhebt ſich das Heydenthum auf der weſtlichen Erde, und zuletzt iſt in der neugebildeten Naturwiſſenſchaft, aus der alten Zeit nur noch ein verſtuͤmmelter und ver- kannter Schatten der alten Anſtrologie und Alchymie, im Mittelalter zuruͤck.
Nur bis dahin, wo der Menſch nun aufhoͤrte, Eins mit der Natur zu ſeyn, und wo dieſe als etwas Aeußeres, als Gegenſtand vor ihn hintrat, ſehen wir die Geſchichte der Naturwiſſenſchaft mit der Urge- ſchichte unſres Geſchlechts unzertrennlich vereint. Von hier an begegnen wir dieſer nicht weiter, und was vor- hin als Naturcultus mit dem beſſeren Daſeyn des Menſchen, ja mit jedem Augenblick ſeines Lebens in- nigſt verſchmolzen war, tritt nun als Naturwiſſen- ſchaft auf, ohne ſichtlichen Zuſammenhang mit
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0025"n="11"/>
Stachel der kleineren Fuͤrſten, wird, noch ohne Klar-<lb/>
heit, in dem Buſen der Welt die Gluth einer ewigen<lb/>
Liebe wach. Da iſt der Blick der ſterbenden alten Zeit<lb/>
nach dem Orient gewendet, aus welchem, wie einzel-<lb/>
ne Stimmen verkuͤndigten, das neue Heil aufgehen<lb/>
wird. Endlich, ſtehe! iſt die Stunde der Erfuͤllung<lb/>
gekommen, und mitten unter blutiger Verfolgung,<lb/>
unter der Geißel der Tyranney, wird mit erhabenem<lb/>
Jubel die Vermaͤhlung des menſchlichen Gemuͤths mit<lb/>
dem goͤttlichen Ideal gefeyert. Hierauf ſchweigen ge-<lb/>
gen Chriſti Geburt die Orakel alle, und die geheime<lb/>
Gewalt der Natur uͤber den Menſchen wird zerſtoͤrt.<lb/>
Nur noch in einzelnen Lichtblicken, nie im alten Glanz,<lb/>
erhebt ſich das Heydenthum auf der weſtlichen Erde,<lb/>
und zuletzt iſt in der neugebildeten Naturwiſſenſchaft,<lb/>
aus der alten Zeit nur noch ein verſtuͤmmelter und ver-<lb/>
kannter Schatten der alten Anſtrologie und Alchymie,<lb/>
im Mittelalter zuruͤck.</p><lb/><p>Nur bis dahin, wo der Menſch nun aufhoͤrte,<lb/>
Eins mit der Natur zu ſeyn, und wo dieſe als etwas<lb/>
Aeußeres, als Gegenſtand vor ihn hintrat, ſehen wir<lb/>
die Geſchichte der Naturwiſſenſchaft mit der Urge-<lb/>ſchichte unſres Geſchlechts unzertrennlich vereint. Von<lb/>
hier an begegnen wir dieſer nicht weiter, und was vor-<lb/>
hin als Naturcultus mit dem beſſeren Daſeyn des<lb/>
Menſchen, ja mit jedem Augenblick ſeines Lebens in-<lb/>
nigſt verſchmolzen war, tritt nun als Naturwiſſen-<lb/>ſchaft auf, ohne ſichtlichen Zuſammenhang mit<lb/></p></div></body></text></TEI>
[11/0025]
Stachel der kleineren Fuͤrſten, wird, noch ohne Klar-
heit, in dem Buſen der Welt die Gluth einer ewigen
Liebe wach. Da iſt der Blick der ſterbenden alten Zeit
nach dem Orient gewendet, aus welchem, wie einzel-
ne Stimmen verkuͤndigten, das neue Heil aufgehen
wird. Endlich, ſtehe! iſt die Stunde der Erfuͤllung
gekommen, und mitten unter blutiger Verfolgung,
unter der Geißel der Tyranney, wird mit erhabenem
Jubel die Vermaͤhlung des menſchlichen Gemuͤths mit
dem goͤttlichen Ideal gefeyert. Hierauf ſchweigen ge-
gen Chriſti Geburt die Orakel alle, und die geheime
Gewalt der Natur uͤber den Menſchen wird zerſtoͤrt.
Nur noch in einzelnen Lichtblicken, nie im alten Glanz,
erhebt ſich das Heydenthum auf der weſtlichen Erde,
und zuletzt iſt in der neugebildeten Naturwiſſenſchaft,
aus der alten Zeit nur noch ein verſtuͤmmelter und ver-
kannter Schatten der alten Anſtrologie und Alchymie,
im Mittelalter zuruͤck.
Nur bis dahin, wo der Menſch nun aufhoͤrte,
Eins mit der Natur zu ſeyn, und wo dieſe als etwas
Aeußeres, als Gegenſtand vor ihn hintrat, ſehen wir
die Geſchichte der Naturwiſſenſchaft mit der Urge-
ſchichte unſres Geſchlechts unzertrennlich vereint. Von
hier an begegnen wir dieſer nicht weiter, und was vor-
hin als Naturcultus mit dem beſſeren Daſeyn des
Menſchen, ja mit jedem Augenblick ſeines Lebens in-
nigſt verſchmolzen war, tritt nun als Naturwiſſen-
ſchaft auf, ohne ſichtlichen Zuſammenhang mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/25>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.