chen, von Göthe, *) dessen tiefer Innhalt alle Ge- heimnisse unster Natur umfaßt, liegt zwar der ewige Tempel noch jenseit des großen Stromes, welcher das Irdische von dem Ueberirdischen, die Welt des Mate- riellen von der Geisterwelt trennt, und nur Ein Fähr- mann fähret Alle hinüber, wo keiner wieder zurück- kömmt, während nur in der Klarheit des Mittags die tiefe Betrachtung, und in phantastischer Dämmrung der Aberglauben auf unvollkommene Momente über die ewige Kluft hinüberschauen. Ach noch pflegt die tie- fe ewige Liebe in uns, jenes unsterbliche Sehnen, un- ter dem Bild der schönen Lilie nur zu tödten was sie ergriffen, sie, welche doch alles Leben aus dem Schoos der ewigen Nacht hervorgerufen. Aber siehe, schon ward die Stimme im Tempel vernommen, es ist an der Zeit. Die schöne grüne Schlange -- das klare Selbst- bewußtseyn, die Restexion, jene, welche einst den Geist des Menschen von der Unschuld der ersten Kindheit her- abgezogen, ist in der Wechselwirkung mit der Außen- welt, und durch den edlen Egoismus, der nur, wo er ausartet, als Eigennutz erscheint, immer klarer und sich selber durchsichtiger geworden, und die in der Fel- senkluft schlummernde, hat einst der Klang des her- einstürzenden Goldes geweckt. **)
Wenn nun der schöne Jüngling mit deutschem Ei- chenlaube begränzt, wenn der Geist jenes edlen Lan-
*) In den Horen.
**) Wie am Anfang der neueren Zeit. (Verles. 2--3.)
chen, von Goͤthe, *) deſſen tiefer Innhalt alle Ge- heimniſſe unſter Natur umfaßt, liegt zwar der ewige Tempel noch jenſeit des großen Stromes, welcher das Irdiſche von dem Ueberirdiſchen, die Welt des Mate- riellen von der Geiſterwelt trennt, und nur Ein Faͤhr- mann faͤhret Alle hinuͤber, wo keiner wieder zuruͤck- koͤmmt, waͤhrend nur in der Klarheit des Mittags die tiefe Betrachtung, und in phantaſtiſcher Daͤmmrung der Aberglauben auf unvollkommene Momente uͤber die ewige Kluft hinuͤberſchauen. Ach noch pflegt die tie- fe ewige Liebe in uns, jenes unſterbliche Sehnen, un- ter dem Bild der ſchoͤnen Lilie nur zu toͤdten was ſie ergriffen, ſie, welche doch alles Leben aus dem Schoos der ewigen Nacht hervorgerufen. Aber ſiehe, ſchon ward die Stimme im Tempel vernommen, es iſt an der Zeit. Die ſchoͤne gruͤne Schlange — das klare Selbſt- bewußtſeyn, die Reſtexion, jene, welche einſt den Geiſt des Menſchen von der Unſchuld der erſten Kindheit her- abgezogen, iſt in der Wechſelwirkung mit der Außen- welt, und durch den edlen Egoismus, der nur, wo er ausartet, als Eigennutz erſcheint, immer klarer und ſich ſelber durchſichtiger geworden, und die in der Fel- ſenkluft ſchlummernde, hat einſt der Klang des her- einſtuͤrzenden Goldes geweckt. **)
Wenn nun der ſchoͤne Juͤngling mit deutſchem Ei- chenlaube begraͤnzt, wenn der Geiſt jenes edlen Lan-
*) In den Horen.
**) Wie am Anfang der neueren Zeit. (Verleſ. 2—3.)
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Tempel noch jenſeit des großen Stromes, welcher das
Irdiſche von dem Ueberirdiſchen, die Welt des Mate-
riellen von der Geiſterwelt trennt, und nur Ein Faͤhr-
mann faͤhret Alle hinuͤber, wo keiner wieder zuruͤck-
koͤmmt, waͤhrend nur in der Klarheit des Mittags die
tiefe Betrachtung, und in phantaſtiſcher Daͤmmrung
der Aberglauben auf unvollkommene Momente uͤber die
ewige Kluft hinuͤberſchauen. Ach noch pflegt die tie-
fe ewige Liebe in uns, jenes unſterbliche Sehnen, un-
ter dem Bild der ſchoͤnen Lilie nur zu toͤdten was ſie
ergriffen, ſie, welche doch alles Leben aus dem Schoos
der ewigen Nacht hervorgerufen. Aber ſiehe, ſchon
ward die Stimme im Tempel vernommen, es iſt an der
Zeit. Die ſchoͤne gruͤne Schlange — das klare Selbſt-
bewußtſeyn, die Reſtexion, jene, welche einſt den Geiſt
des Menſchen von der Unſchuld der erſten Kindheit her-
abgezogen, iſt in der Wechſelwirkung mit der Außen-
welt, und durch den edlen Egoismus, der nur, wo er
ausartet, als Eigennutz erſcheint, immer klarer und
ſich ſelber durchſichtiger geworden, und die in der Fel-
ſenkluft ſchlummernde, hat einſt der Klang des her-
einſtuͤrzenden Goldes geweckt. **)
Wenn nun der ſchoͤne Juͤngling mit deutſchem Ei-
chenlaube begraͤnzt, wenn der Geiſt jenes edlen Lan-
*) In den Horen.
**) Wie am Anfang der neueren Zeit. (Verleſ. 2—3.)
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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/338>, abgerufen am 24.11.2024.
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