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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

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Wesen eine Folge der äußern Naturwechsel scheint,
wird in diesen selbstständig, und ohne von jenen be-
stimmt zu seyn, entwicklet; die Pflanze oder das In-
sect, deren Leben nur ein Jahr dauert, sind auch, von
demselben Geist, welcher die Wechsel der äußern Na-
tur leitet, beseelt, ein Bild des Jahrs in welchen sie
gebohren wurden, und die Perioden und Naturwechsel,
welche während diesem eine nach der anderen hervorge-
hen, werden auch selbstständig in dem kurzen Leben
jener Dinge entwicklet. So trägt jedes Leben die Zeit
und den Grund ihres Wechsels selbstständig in sich,
wie die äußere Geschichte des einzelnen Menschen ei-
gentlich aus seinen innern Wesen hervorgeht.

Wie nun überall das Leben der minder vollkomm-
nen Wesen sich früher entwicklet, die einzelnen Wech-
sel desselben früher eintreten und einen kürzern Verlauf
halten, so geschicht es, daß jene unvollkommnen Or-
ganismen von allen jenen Wechseln, die in ihnen, wie
in der äußern Natur von den höhern Einfluß geweckt
werden, früher ergriffen werden, während die voll-
kommneren mit der ganzen Natur gleichen Schritt hal-
ten, mit ihr zugleich jene allgemeine Veränderungen
erleiden, und zugleich mit ihr wieder in den vorigen
gleichmäßigen Zustand zurückkehren. Dasselbe ist der
Fall bey kranken Theilen des organischen Körpers. So
erscheint das als Vorempfindung der künftigen Witte-
rungswechsel, was schon die diesen entsprechende und
unabhängig von den Veränderungen der Atmosphäre
in jenen Wesen entstehende Naturveränderung selbst ist.

Auf dieselbe Weise lassen sich nun auch die in der
vorhergehenden Vorlesung aufgestellten merkwürdigen
Thatsachen der Vorahndungen und das Vorauswissen
bevorstehender körperlicher Veränderungen im thieri-
schen Magnetismus erklären. Ich habe daselbst noch

Weſen eine Folge der aͤußern Naturwechſel ſcheint,
wird in dieſen ſelbſtſtaͤndig, und ohne von jenen be-
ſtimmt zu ſeyn, entwicklet; die Pflanze oder das In-
ſect, deren Leben nur ein Jahr dauert, ſind auch, von
demſelben Geiſt, welcher die Wechſel der aͤußern Na-
tur leitet, beſeelt, ein Bild des Jahrs in welchen ſie
gebohren wurden, und die Perioden und Naturwechſel,
welche waͤhrend dieſem eine nach der anderen hervorge-
hen, werden auch ſelbſtſtaͤndig in dem kurzen Leben
jener Dinge entwicklet. So traͤgt jedes Leben die Zeit
und den Grund ihres Wechſels ſelbſtſtaͤndig in ſich,
wie die aͤußere Geſchichte des einzelnen Menſchen ei-
gentlich aus ſeinen innern Weſen hervorgeht.

Wie nun uͤberall das Leben der minder vollkomm-
nen Weſen ſich fruͤher entwicklet, die einzelnen Wech-
ſel deſſelben fruͤher eintreten und einen kuͤrzern Verlauf
halten, ſo geſchicht es, daß jene unvollkommnen Or-
ganismen von allen jenen Wechſeln, die in ihnen, wie
in der aͤußern Natur von den hoͤhern Einfluß geweckt
werden, fruͤher ergriffen werden, waͤhrend die voll-
kommneren mit der ganzen Natur gleichen Schritt hal-
ten, mit ihr zugleich jene allgemeine Veraͤnderungen
erleiden, und zugleich mit ihr wieder in den vorigen
gleichmaͤßigen Zuſtand zuruͤckkehren. Daſſelbe iſt der
Fall bey kranken Theilen des organiſchen Koͤrpers. So
erſcheint das als Vorempfindung der kuͤnftigen Witte-
rungswechſel, was ſchon die dieſen entſprechende und
unabhaͤngig von den Veraͤnderungen der Atmoſphaͤre
in jenen Weſen entſtehende Naturveraͤnderung ſelbſt iſt.

Auf dieſelbe Weiſe laſſen ſich nun auch die in der
vorhergehenden Vorleſung aufgeſtellten merkwuͤrdigen
Thatſachen der Vorahndungen und das Vorauswiſſen
bevorſtehender koͤrperlicher Veraͤnderungen im thieri-
ſchen Magnetismus erklaͤren. Ich habe daſelbſt noch

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[368/0382] Weſen eine Folge der aͤußern Naturwechſel ſcheint, wird in dieſen ſelbſtſtaͤndig, und ohne von jenen be- ſtimmt zu ſeyn, entwicklet; die Pflanze oder das In- ſect, deren Leben nur ein Jahr dauert, ſind auch, von demſelben Geiſt, welcher die Wechſel der aͤußern Na- tur leitet, beſeelt, ein Bild des Jahrs in welchen ſie gebohren wurden, und die Perioden und Naturwechſel, welche waͤhrend dieſem eine nach der anderen hervorge- hen, werden auch ſelbſtſtaͤndig in dem kurzen Leben jener Dinge entwicklet. So traͤgt jedes Leben die Zeit und den Grund ihres Wechſels ſelbſtſtaͤndig in ſich, wie die aͤußere Geſchichte des einzelnen Menſchen ei- gentlich aus ſeinen innern Weſen hervorgeht. Wie nun uͤberall das Leben der minder vollkomm- nen Weſen ſich fruͤher entwicklet, die einzelnen Wech- ſel deſſelben fruͤher eintreten und einen kuͤrzern Verlauf halten, ſo geſchicht es, daß jene unvollkommnen Or- ganismen von allen jenen Wechſeln, die in ihnen, wie in der aͤußern Natur von den hoͤhern Einfluß geweckt werden, fruͤher ergriffen werden, waͤhrend die voll- kommneren mit der ganzen Natur gleichen Schritt hal- ten, mit ihr zugleich jene allgemeine Veraͤnderungen erleiden, und zugleich mit ihr wieder in den vorigen gleichmaͤßigen Zuſtand zuruͤckkehren. Daſſelbe iſt der Fall bey kranken Theilen des organiſchen Koͤrpers. So erſcheint das als Vorempfindung der kuͤnftigen Witte- rungswechſel, was ſchon die dieſen entſprechende und unabhaͤngig von den Veraͤnderungen der Atmoſphaͤre in jenen Weſen entſtehende Naturveraͤnderung ſelbſt iſt. Auf dieſelbe Weiſe laſſen ſich nun auch die in der vorhergehenden Vorleſung aufgeſtellten merkwuͤrdigen Thatſachen der Vorahndungen und das Vorauswiſſen bevorſtehender koͤrperlicher Veraͤnderungen im thieri- ſchen Magnetismus erklaͤren. Ich habe daſelbſt noch

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/382>, abgerufen am 22.11.2024.