die ganze Reihe scheinbar ganz erloschener Erinnerun- gen, während jener Zustände der Dumpfheit und Be- sinnungslosigkeit, die demnach in gewissen Fällen nur dem Schlafe gleichen, aus dem wir mit klarer Erin- nerung ans Gestern, und aufs neue gestärkt erwachen? Wir dürfen uns auch bey der Beantwortung dieser Frage auf das früher Gesagte beziehen. Ueberhaupt pflegen sich die Gegenstände und Veränderungen, wel- che auf und in uns wirken, nur in dem Grade un- serer Erinnerung einzuprägen, in welchem sie uns in- teressiren, d. h. mit der Liebe, mit der Grundneigung in uns in Beziehung stehen, -- in dem Grade, in welchem sie auf den Kreis unserer Gefühle, wohl- thuend oder schmerzhaft einwirken. Selbst das Ein- prägen ganz mechanischer und an sich todter Fertig- keiten z. B. das Erlernen ganz unverstandener frem- der Worte, gelingt uns nur dadurch, daß wir das zu Erlernende in irgend eine, wenn auch noch so leise Beziehung mit dem Kreise unserer Gefühle und un- serer Grundneigung setzen, und jene Fertigkeiten er- löschen um so früher, je unwesentlicher und leiser diese Beziehung war. Gegenstände, die gar nicht auf jenen lebendigen Kreis einwirken, liegen überhaupt ganz außer dem Umfang unseres Erkennens, wir erkennen nur im Lichte unserer Liebe (das was dieser Liebe förderlich ist oder hinderlich, können nur das erkennen, was Gegenstand unserer Neigung oder Ab- neigung zu werden vermag. Unser Erkennen stehet deßhalb in Hinsicht seines Umfanges in geradem Ver- hältniß mit dem Umfang unserer Liebe, höheres Er- kennen wohnt bey höherer Liebe, beschränktes bey be- schränkter. Eng ist der Kreis des Erkennens bey der
thier-
die ganze Reihe ſcheinbar ganz erloſchener Erinnerun- gen, waͤhrend jener Zuſtaͤnde der Dumpfheit und Be- ſinnungsloſigkeit, die demnach in gewiſſen Faͤllen nur dem Schlafe gleichen, aus dem wir mit klarer Erin- nerung ans Geſtern, und aufs neue geſtaͤrkt erwachen? Wir duͤrfen uns auch bey der Beantwortung dieſer Frage auf das fruͤher Geſagte beziehen. Ueberhaupt pflegen ſich die Gegenſtaͤnde und Veraͤnderungen, wel- che auf und in uns wirken, nur in dem Grade un- ſerer Erinnerung einzupraͤgen, in welchem ſie uns in- tereſſiren, d. h. mit der Liebe, mit der Grundneigung in uns in Beziehung ſtehen, — in dem Grade, in welchem ſie auf den Kreis unſerer Gefuͤhle, wohl- thuend oder ſchmerzhaft einwirken. Selbſt das Ein- praͤgen ganz mechaniſcher und an ſich todter Fertig- keiten z. B. das Erlernen ganz unverſtandener frem- der Worte, gelingt uns nur dadurch, daß wir das zu Erlernende in irgend eine, wenn auch noch ſo leiſe Beziehung mit dem Kreiſe unſerer Gefuͤhle und un- ſerer Grundneigung ſetzen, und jene Fertigkeiten er- loͤſchen um ſo fruͤher, je unweſentlicher und leiſer dieſe Beziehung war. Gegenſtaͤnde, die gar nicht auf jenen lebendigen Kreis einwirken, liegen uͤberhaupt ganz außer dem Umfang unſeres Erkennens, wir erkennen nur im Lichte unſerer Liebe (das was dieſer Liebe foͤrderlich iſt oder hinderlich, koͤnnen nur das erkennen, was Gegenſtand unſerer Neigung oder Ab- neigung zu werden vermag. Unſer Erkennen ſtehet deßhalb in Hinſicht ſeines Umfanges in geradem Ver- haͤltniß mit dem Umfang unſerer Liebe, hoͤheres Er- kennen wohnt bey hoͤherer Liebe, beſchraͤnktes bey be- ſchraͤnkter. Eng iſt der Kreis des Erkennens bey der
thier-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0157"n="147"/>
die ganze Reihe ſcheinbar ganz erloſchener Erinnerun-<lb/>
gen, waͤhrend jener Zuſtaͤnde der Dumpfheit und Be-<lb/>ſinnungsloſigkeit, die demnach in gewiſſen Faͤllen nur<lb/>
dem Schlafe gleichen, aus dem wir mit klarer Erin-<lb/>
nerung ans Geſtern, und aufs neue geſtaͤrkt erwachen?<lb/>
Wir duͤrfen uns auch bey der Beantwortung dieſer<lb/>
Frage auf das fruͤher Geſagte beziehen. Ueberhaupt<lb/>
pflegen ſich die Gegenſtaͤnde und Veraͤnderungen, wel-<lb/>
che auf und in uns wirken, nur in dem Grade un-<lb/>ſerer Erinnerung einzupraͤgen, in welchem ſie uns in-<lb/>
tereſſiren, d. h. mit der Liebe, mit der Grundneigung<lb/>
in uns in Beziehung ſtehen, — in dem Grade, in<lb/>
welchem ſie auf den Kreis unſerer Gefuͤhle, wohl-<lb/>
thuend oder ſchmerzhaft einwirken. Selbſt das Ein-<lb/>
praͤgen ganz mechaniſcher und an ſich todter Fertig-<lb/>
keiten z. B. das Erlernen ganz unverſtandener frem-<lb/>
der Worte, gelingt uns nur dadurch, daß wir das<lb/>
zu Erlernende in irgend eine, wenn auch noch ſo leiſe<lb/>
Beziehung mit dem Kreiſe unſerer Gefuͤhle und un-<lb/>ſerer Grundneigung ſetzen, und jene Fertigkeiten er-<lb/>
loͤſchen um ſo fruͤher, je unweſentlicher und leiſer<lb/>
dieſe Beziehung war. Gegenſtaͤnde, die gar nicht auf<lb/>
jenen lebendigen Kreis einwirken, liegen uͤberhaupt<lb/>
ganz außer dem Umfang unſeres Erkennens, wir<lb/>
erkennen nur im Lichte unſerer Liebe (das was dieſer<lb/>
Liebe foͤrderlich iſt oder hinderlich, koͤnnen nur das<lb/>
erkennen, was Gegenſtand unſerer Neigung oder Ab-<lb/>
neigung zu werden vermag. Unſer Erkennen ſtehet<lb/>
deßhalb in Hinſicht ſeines Umfanges in geradem Ver-<lb/>
haͤltniß mit dem Umfang unſerer Liebe, hoͤheres Er-<lb/>
kennen wohnt bey hoͤherer Liebe, beſchraͤnktes bey be-<lb/>ſchraͤnkter. Eng iſt der Kreis des Erkennens bey der<lb/><fwplace="bottom"type="catch">thier-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[147/0157]
die ganze Reihe ſcheinbar ganz erloſchener Erinnerun-
gen, waͤhrend jener Zuſtaͤnde der Dumpfheit und Be-
ſinnungsloſigkeit, die demnach in gewiſſen Faͤllen nur
dem Schlafe gleichen, aus dem wir mit klarer Erin-
nerung ans Geſtern, und aufs neue geſtaͤrkt erwachen?
Wir duͤrfen uns auch bey der Beantwortung dieſer
Frage auf das fruͤher Geſagte beziehen. Ueberhaupt
pflegen ſich die Gegenſtaͤnde und Veraͤnderungen, wel-
che auf und in uns wirken, nur in dem Grade un-
ſerer Erinnerung einzupraͤgen, in welchem ſie uns in-
tereſſiren, d. h. mit der Liebe, mit der Grundneigung
in uns in Beziehung ſtehen, — in dem Grade, in
welchem ſie auf den Kreis unſerer Gefuͤhle, wohl-
thuend oder ſchmerzhaft einwirken. Selbſt das Ein-
praͤgen ganz mechaniſcher und an ſich todter Fertig-
keiten z. B. das Erlernen ganz unverſtandener frem-
der Worte, gelingt uns nur dadurch, daß wir das
zu Erlernende in irgend eine, wenn auch noch ſo leiſe
Beziehung mit dem Kreiſe unſerer Gefuͤhle und un-
ſerer Grundneigung ſetzen, und jene Fertigkeiten er-
loͤſchen um ſo fruͤher, je unweſentlicher und leiſer
dieſe Beziehung war. Gegenſtaͤnde, die gar nicht auf
jenen lebendigen Kreis einwirken, liegen uͤberhaupt
ganz außer dem Umfang unſeres Erkennens, wir
erkennen nur im Lichte unſerer Liebe (das was dieſer
Liebe foͤrderlich iſt oder hinderlich, koͤnnen nur das
erkennen, was Gegenſtand unſerer Neigung oder Ab-
neigung zu werden vermag. Unſer Erkennen ſtehet
deßhalb in Hinſicht ſeines Umfanges in geradem Ver-
haͤltniß mit dem Umfang unſerer Liebe, hoͤheres Er-
kennen wohnt bey hoͤherer Liebe, beſchraͤnktes bey be-
ſchraͤnkter. Eng iſt der Kreis des Erkennens bey der
thier-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/157>, abgerufen am 17.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.