schränktheit des hohen Alters ein Zeichen, daß alle Anlagen unsers Wesens Liebe geworden, in Liebe sich verwandelt, und daß nun das Fahrzeug, das nicht mehr in dem beschränkten Kreise unserer Willkühr liegt, flott zu werden anfange. Wie die Seele des Fötus im Mutterleibe, ganz im Geschäft der Bildung ihres Organes befangen, bewußtlos schlummert, so die See- le der Alten, wenn in ihrem Innern der Fötus des neuen höheren Daseyns sich zu bilden anfängt.
Sobald in dem der ursprünglichen geistigeren Be- stimmung noch getreu gebliebenen Cerebralsystem, wel- ches bloß dürch den Schlaf mit der Materie sich ver- mischet, das Bewußtseyn jener Bestimmung erwachet, siehet sich dasselbe in einem steten Widerspruch mit sei- ner eigenen Natur. Der eine Theil seines Wesens spricht eine Sprache (die des blinden materiellen Be- dürfnisses), welche das geistige Organ nicht versteht, und wiederum versteht jenes nicht die Sprache des geistigen Sinnes. Durch diese babylonische Sprachen- verwirrung, da keines das andere versteht, sind beyde zu einander gehörige Hälften sich gegenseitig unver- ständlich, keine vernimmt die andre, und hierin liegt der Grund der früher erwähnten Isolation.
Ueberhaupt verstehen wir, wie schon oben gesagt, nur das, was in dem Kreise unserer Neigungen, un- serer Liebe liegt, und zwey Wesen von ganz verschie- denartigen Neigungen, sind sich gegenseitig ganz un- verständlich -- bemerken sich gar nicht. Die Mag- netnadel wird durch jeden in ihre Nähe gebrachten Magnet oder jedes Stückchen Eisen, stark afficirt,
kaum
ſchraͤnktheit des hohen Alters ein Zeichen, daß alle Anlagen unſers Weſens Liebe geworden, in Liebe ſich verwandelt, und daß nun das Fahrzeug, das nicht mehr in dem beſchraͤnkten Kreiſe unſerer Willkuͤhr liegt, flott zu werden anfange. Wie die Seele des Foͤtus im Mutterleibe, ganz im Geſchaͤft der Bildung ihres Organes befangen, bewußtlos ſchlummert, ſo die See- le der Alten, wenn in ihrem Innern der Foͤtus des neuen hoͤheren Daſeyns ſich zu bilden anfaͤngt.
Sobald in dem der urſpruͤnglichen geiſtigeren Be- ſtimmung noch getreu gebliebenen Cerebralſyſtem, wel- ches bloß duͤrch den Schlaf mit der Materie ſich ver- miſchet, das Bewußtſeyn jener Beſtimmung erwachet, ſiehet ſich daſſelbe in einem ſteten Widerſpruch mit ſei- ner eigenen Natur. Der eine Theil ſeines Weſens ſpricht eine Sprache (die des blinden materiellen Be- duͤrfniſſes), welche das geiſtige Organ nicht verſteht, und wiederum verſteht jenes nicht die Sprache des geiſtigen Sinnes. Durch dieſe babyloniſche Sprachen- verwirrung, da keines das andere verſteht, ſind beyde zu einander gehoͤrige Haͤlften ſich gegenſeitig unver- ſtaͤndlich, keine vernimmt die andre, und hierin liegt der Grund der fruͤher erwaͤhnten Iſolation.
Ueberhaupt verſtehen wir, wie ſchon oben geſagt, nur das, was in dem Kreiſe unſerer Neigungen, un- ſerer Liebe liegt, und zwey Weſen von ganz verſchie- denartigen Neigungen, ſind ſich gegenſeitig ganz un- verſtaͤndlich — bemerken ſich gar nicht. Die Mag- netnadel wird durch jeden in ihre Naͤhe gebrachten Magnet oder jedes Stuͤckchen Eiſen, ſtark afficirt,
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ſchraͤnktheit des hohen Alters ein Zeichen, daß alle
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verwandelt, und daß nun das Fahrzeug, das nicht
mehr in dem beſchraͤnkten Kreiſe unſerer Willkuͤhr liegt,
flott zu werden anfange. Wie die Seele des Foͤtus
im Mutterleibe, ganz im Geſchaͤft der Bildung ihres
Organes befangen, bewußtlos ſchlummert, ſo die See-
le der Alten, wenn in ihrem Innern der Foͤtus des
neuen hoͤheren Daſeyns ſich zu bilden anfaͤngt.
Sobald in dem der urſpruͤnglichen geiſtigeren Be-
ſtimmung noch getreu gebliebenen Cerebralſyſtem, wel-
ches bloß duͤrch den Schlaf mit der Materie ſich ver-
miſchet, das Bewußtſeyn jener Beſtimmung erwachet,
ſiehet ſich daſſelbe in einem ſteten Widerſpruch mit ſei-
ner eigenen Natur. Der eine Theil ſeines Weſens
ſpricht eine Sprache (die des blinden materiellen Be-
duͤrfniſſes), welche das geiſtige Organ nicht verſteht,
und wiederum verſteht jenes nicht die Sprache des
geiſtigen Sinnes. Durch dieſe babyloniſche Sprachen-
verwirrung, da keines das andere verſteht, ſind beyde
zu einander gehoͤrige Haͤlften ſich gegenſeitig unver-
ſtaͤndlich, keine vernimmt die andre, und hierin liegt
der Grund der fruͤher erwaͤhnten Iſolation.
Ueberhaupt verſtehen wir, wie ſchon oben geſagt,
nur das, was in dem Kreiſe unſerer Neigungen, un-
ſerer Liebe liegt, und zwey Weſen von ganz verſchie-
denartigen Neigungen, ſind ſich gegenſeitig ganz un-
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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/169>, abgerufen am 18.07.2024.
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