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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

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Antheil nimmt. Ernährung, Bildung, und Wachs-
thum hängen bloß von den Organen des Gangliensy-
stemes -- Gedärmen, Gefäßen u. a. ab, und die Or-
gane des Cerebralsystemes bleiben dabey müßig. Das
letztere System ist daher jener Theil der thierischen Na-
tur, der noch nicht, wie der bildende Trieb, in mate-
rieller Wirksamkeit befangen, von dieser noch nicht
eingenommen, ungefättigt, als reine Empfänglichkeit
für jeden mit der eigenthümlichen Neigung
des Wesens verwandten Gegenstand zurückbleibt,
wie bey der nicht ganz gesättigten Verbindung einer
Säure mit einem Kali, der noch ungesättigte Antheil
der Säure. Bey dem Thiere, dessen Neigung bloß
die Materie zum Vorwurf hat, reicht indessen auch
jene noch unbefangene Empfänglichkeit, welche ihren
Sitz im Cerebralsysteme hat, nicht über den Kreis
des materiellen Bedürfnisses hinaus, während im Men-
schen, dessen Neigung ursprünglich höherer Natur ist,
noch eine Empfänglichkeit für etwas Höheres, unge-
sättigt durch alles bloß materielle Wirken und Genie-
ßen, zurückbleibt. Die Vernunft ist in diesem Sinne
ein Vernehmen der Sprache einer höheren Ordnung
-- der Stimme einer höheren Ursache alles Seyns,
und das mitten in dem Meere materieller Genüsse frey
gebliebene Geistige erhebt sich als Selbstbewußt-
seyn
über die Besonderheit. Wenn der Wahnsinn
nach dem Vorhergehenden vielfältig in einem catalepti-
schen Stillstehen aller Seelenthätigkeit, in einem Hin-
starren nach Einem geistigen Punkte bestehet *) und

wenn
*) Schon nach Helmont. -- In vielen Zuständen des
Wahnsinnes wiederholte der Kranke ganze Tage lang
11

Antheil nimmt. Ernaͤhrung, Bildung, und Wachs-
thum haͤngen bloß von den Organen des Ganglienſy-
ſtemes — Gedaͤrmen, Gefaͤßen u. a. ab, und die Or-
gane des Cerebralſyſtemes bleiben dabey muͤßig. Das
letztere Syſtem iſt daher jener Theil der thieriſchen Na-
tur, der noch nicht, wie der bildende Trieb, in mate-
rieller Wirkſamkeit befangen, von dieſer noch nicht
eingenommen, ungefaͤttigt, als reine Empfaͤnglichkeit
fuͤr jeden mit der eigenthuͤmlichen Neigung
des Weſens verwandten Gegenſtand zuruͤckbleibt,
wie bey der nicht ganz geſaͤttigten Verbindung einer
Saͤure mit einem Kali, der noch ungeſaͤttigte Antheil
der Saͤure. Bey dem Thiere, deſſen Neigung bloß
die Materie zum Vorwurf hat, reicht indeſſen auch
jene noch unbefangene Empfaͤnglichkeit, welche ihren
Sitz im Cerebralſyſteme hat, nicht uͤber den Kreis
des materiellen Beduͤrfniſſes hinaus, waͤhrend im Men-
ſchen, deſſen Neigung urſpruͤnglich hoͤherer Natur iſt,
noch eine Empfaͤnglichkeit fuͤr etwas Hoͤheres, unge-
ſaͤttigt durch alles bloß materielle Wirken und Genie-
ßen, zuruͤckbleibt. Die Vernunft iſt in dieſem Sinne
ein Vernehmen der Sprache einer hoͤheren Ordnung
— der Stimme einer hoͤheren Urſache alles Seyns,
und das mitten in dem Meere materieller Genuͤſſe frey
gebliebene Geiſtige erhebt ſich als Selbſtbewußt-
ſeyn
uͤber die Beſonderheit. Wenn der Wahnſinn
nach dem Vorhergehenden vielfaͤltig in einem catalepti-
ſchen Stillſtehen aller Seelenthaͤtigkeit, in einem Hin-
ſtarren nach Einem geiſtigen Punkte beſtehet *) und

wenn
*) Schon nach Helmont. — In vielen Zuſtaͤnden des
Wahnſinnes wiederholte der Kranke ganze Tage lang
11
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[161/0171] Antheil nimmt. Ernaͤhrung, Bildung, und Wachs- thum haͤngen bloß von den Organen des Ganglienſy- ſtemes — Gedaͤrmen, Gefaͤßen u. a. ab, und die Or- gane des Cerebralſyſtemes bleiben dabey muͤßig. Das letztere Syſtem iſt daher jener Theil der thieriſchen Na- tur, der noch nicht, wie der bildende Trieb, in mate- rieller Wirkſamkeit befangen, von dieſer noch nicht eingenommen, ungefaͤttigt, als reine Empfaͤnglichkeit fuͤr jeden mit der eigenthuͤmlichen Neigung des Weſens verwandten Gegenſtand zuruͤckbleibt, wie bey der nicht ganz geſaͤttigten Verbindung einer Saͤure mit einem Kali, der noch ungeſaͤttigte Antheil der Saͤure. Bey dem Thiere, deſſen Neigung bloß die Materie zum Vorwurf hat, reicht indeſſen auch jene noch unbefangene Empfaͤnglichkeit, welche ihren Sitz im Cerebralſyſteme hat, nicht uͤber den Kreis des materiellen Beduͤrfniſſes hinaus, waͤhrend im Men- ſchen, deſſen Neigung urſpruͤnglich hoͤherer Natur iſt, noch eine Empfaͤnglichkeit fuͤr etwas Hoͤheres, unge- ſaͤttigt durch alles bloß materielle Wirken und Genie- ßen, zuruͤckbleibt. Die Vernunft iſt in dieſem Sinne ein Vernehmen der Sprache einer hoͤheren Ordnung — der Stimme einer hoͤheren Urſache alles Seyns, und das mitten in dem Meere materieller Genuͤſſe frey gebliebene Geiſtige erhebt ſich als Selbſtbewußt- ſeyn uͤber die Beſonderheit. Wenn der Wahnſinn nach dem Vorhergehenden vielfaͤltig in einem catalepti- ſchen Stillſtehen aller Seelenthaͤtigkeit, in einem Hin- ſtarren nach Einem geiſtigen Punkte beſtehet *) und wenn *) Schon nach Helmont. — In vielen Zuſtaͤnden des Wahnſinnes wiederholte der Kranke ganze Tage lang 11

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/171>, abgerufen am 24.11.2024.