Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.möge ihn bey sich als Schüler aufnehmen. Anto- Auf gleiche Weise scheint auch der höhere Lehrer nung
moͤge ihn bey ſich als Schuͤler aufnehmen. Anto- Auf gleiche Weiſe ſcheint auch der hoͤhere Lehrer nung
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0069" n="59"/> moͤge ihn bey ſich als Schuͤler aufnehmen. Anto-<lb/> nius erkannte bald in dem beſchraͤnkten Geiſt des<lb/> Mannes, eine vorzuͤgliche Anlage zum demuͤthigen blin-<lb/> den Gehorſam, und ſtellte gleich Anfangs dieſen Ge-<lb/> horſam auf eine harte Probe. Der neue Juͤnger<lb/> mußte bald Waſſer tragen in durchloͤcherten Gefaͤßen,<lb/> Koͤrbe flechten und wieder aufflechten, Kleider auftren-<lb/> nen und wieder naͤhen, Steine zwecklos von einem Or-<lb/> te zum andern tragen, und in ſtillem, ruͤckſichtsloſen<lb/> Gehorſam that er blind nach dem Worte des Vaters.<lb/> So fuͤhrte durch die ſcheinbar einſeitige Uebung ei-<lb/> ner einzelnen Anlage, Antonius ſelbſt dieſe beſchraͤnk-<lb/> te Natur zum hoͤchſten Gipfel der dem menſchlichen<lb/> Gemuͤth moͤglichen Vollendung, und jener einfaͤltige<lb/> Sinn, nachdem er vollkommen gelernt, ſeinen eigenen<lb/> Willen einem hoͤheren aufopfern und ſich dieſem ganz<lb/> hinzugeben, wurde Organ des goͤttlichen Sinnes, er-<lb/> griffen von einem nun nicht mehr beſchraͤnkten, von<lb/> den gewoͤhnlichen Graͤnzen der menſchlichen Natur ent-<lb/> bundenen Vermoͤgen; aus Paulus dem Einfaͤltigen<lb/> wurde Paulus der Wunderwirkende.</p><lb/> <p>Auf gleiche Weiſe ſcheint auch der hoͤhere Lehrer<lb/> unſers Geſchlechts ganze Voͤlker und Zeitalter in ei-<lb/> nem oͤfters ſehr beſchraͤnkten Kreiſe von Tugenden zu<lb/> uͤben, und ſich den Zugang zu der uͤbrigens auf man-<lb/> nigfaltige Art entweihten und verunreinigten Region ih-<lb/> rer Neigungen und Handlungen, wenigſtens von ei-<lb/> ner Seite offen zu erhalten. Hierdurch geſchieht es,<lb/> daß keinem die Stimme Gottes, — jenes hoͤhere<lb/> Geſetz im Menſchen, — ganz unvernehmlich wird,<lb/> und es ſcheint hier eine andere Art von Zurech-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">nung</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [59/0069]
moͤge ihn bey ſich als Schuͤler aufnehmen. Anto-
nius erkannte bald in dem beſchraͤnkten Geiſt des
Mannes, eine vorzuͤgliche Anlage zum demuͤthigen blin-
den Gehorſam, und ſtellte gleich Anfangs dieſen Ge-
horſam auf eine harte Probe. Der neue Juͤnger
mußte bald Waſſer tragen in durchloͤcherten Gefaͤßen,
Koͤrbe flechten und wieder aufflechten, Kleider auftren-
nen und wieder naͤhen, Steine zwecklos von einem Or-
te zum andern tragen, und in ſtillem, ruͤckſichtsloſen
Gehorſam that er blind nach dem Worte des Vaters.
So fuͤhrte durch die ſcheinbar einſeitige Uebung ei-
ner einzelnen Anlage, Antonius ſelbſt dieſe beſchraͤnk-
te Natur zum hoͤchſten Gipfel der dem menſchlichen
Gemuͤth moͤglichen Vollendung, und jener einfaͤltige
Sinn, nachdem er vollkommen gelernt, ſeinen eigenen
Willen einem hoͤheren aufopfern und ſich dieſem ganz
hinzugeben, wurde Organ des goͤttlichen Sinnes, er-
griffen von einem nun nicht mehr beſchraͤnkten, von
den gewoͤhnlichen Graͤnzen der menſchlichen Natur ent-
bundenen Vermoͤgen; aus Paulus dem Einfaͤltigen
wurde Paulus der Wunderwirkende.
Auf gleiche Weiſe ſcheint auch der hoͤhere Lehrer
unſers Geſchlechts ganze Voͤlker und Zeitalter in ei-
nem oͤfters ſehr beſchraͤnkten Kreiſe von Tugenden zu
uͤben, und ſich den Zugang zu der uͤbrigens auf man-
nigfaltige Art entweihten und verunreinigten Region ih-
rer Neigungen und Handlungen, wenigſtens von ei-
ner Seite offen zu erhalten. Hierdurch geſchieht es,
daß keinem die Stimme Gottes, — jenes hoͤhere
Geſetz im Menſchen, — ganz unvernehmlich wird,
und es ſcheint hier eine andere Art von Zurech-
nung
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