Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubin, Ossip: Etiquette. Eine Rococo-Arabeske. Berlin, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite

der regendurchweichten Straße, und ringsherum schluchzt der Herbst in den Bäumen, und die sterbenden Blätter fallen ins Gras. Aber die goldbetreßten Röcke der Jäger glänzen lustig in die braune Herbsteintönigkeit hinein, und die Hifthörner blasen laut und schrill, die Hunde bellen, und das fröhliche Lachen der Damen mischt sich in das Knistern des trockenen Laubes. Alles ist voll Jubel und Heiterkeit. Wie gut man sich amüsirt ... Da plötzlich, mitten in den festlichen Reigen hinein, schreiten zwei hagere Gestalten, gebückt unter der Last eines elenden Sarges, und der König zügelt sein Roß und fragt: "Wen tragt Ihr da?"

"Einen armen Bauern."

"An was ist er gestorben?"

"An Hunger! ..."

Der König gibt seinem Pferde die Sporen ...

Den Vicomte fröstelt. Eine große Schläfrigkeit überkommt ihn. Die Umrisse der hübschen Dämchen und Cavaliere werden immer undeutlicher, er muß mit den Augen blinzeln, um sie festzuhalten. Wie hübsch, wie anmuthig sie sind,

der regendurchweichten Straße, und ringsherum schluchzt der Herbst in den Bäumen, und die sterbenden Blätter fallen ins Gras. Aber die goldbetreßten Röcke der Jäger glänzen lustig in die braune Herbsteintönigkeit hinein, und die Hifthörner blasen laut und schrill, die Hunde bellen, und das fröhliche Lachen der Damen mischt sich in das Knistern des trockenen Laubes. Alles ist voll Jubel und Heiterkeit. Wie gut man sich amüsirt … Da plötzlich, mitten in den festlichen Reigen hinein, schreiten zwei hagere Gestalten, gebückt unter der Last eines elenden Sarges, und der König zügelt sein Roß und fragt: „Wen tragt Ihr da?“

„Einen armen Bauern.“

„An was ist er gestorben?“

„An Hunger! …“

Der König gibt seinem Pferde die Sporen …

Den Vicomte fröstelt. Eine große Schläfrigkeit überkommt ihn. Die Umrisse der hübschen Dämchen und Cavaliere werden immer undeutlicher, er muß mit den Augen blinzeln, um sie festzuhalten. Wie hübsch, wie anmuthig sie sind,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0100" n="100"/>
der regendurchweichten Straße, und ringsherum schluchzt der Herbst in den Bäumen, und die sterbenden Blätter fallen ins Gras. Aber die goldbetreßten Röcke der Jäger glänzen lustig in die braune Herbsteintönigkeit hinein, und die Hifthörner blasen laut und schrill, die Hunde bellen, und das fröhliche Lachen der Damen mischt sich in das Knistern des trockenen Laubes. Alles ist voll Jubel und Heiterkeit. Wie gut man sich amüsirt &#x2026; Da plötzlich, mitten in den festlichen Reigen hinein, schreiten zwei hagere Gestalten, gebückt unter der Last eines elenden Sarges, und der König zügelt sein Roß und fragt: &#x201E;Wen tragt Ihr da?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Einen armen Bauern.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;An was ist er gestorben?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;An Hunger! &#x2026;&#x201C;</p>
        <p>Der König gibt seinem Pferde die Sporen &#x2026;</p>
        <p>Den Vicomte fröstelt. Eine große Schläfrigkeit überkommt ihn. Die Umrisse der hübschen Dämchen und Cavaliere werden immer undeutlicher, er muß mit den Augen blinzeln, um sie festzuhalten. Wie hübsch, wie anmuthig sie sind,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0100] der regendurchweichten Straße, und ringsherum schluchzt der Herbst in den Bäumen, und die sterbenden Blätter fallen ins Gras. Aber die goldbetreßten Röcke der Jäger glänzen lustig in die braune Herbsteintönigkeit hinein, und die Hifthörner blasen laut und schrill, die Hunde bellen, und das fröhliche Lachen der Damen mischt sich in das Knistern des trockenen Laubes. Alles ist voll Jubel und Heiterkeit. Wie gut man sich amüsirt … Da plötzlich, mitten in den festlichen Reigen hinein, schreiten zwei hagere Gestalten, gebückt unter der Last eines elenden Sarges, und der König zügelt sein Roß und fragt: „Wen tragt Ihr da?“ „Einen armen Bauern.“ „An was ist er gestorben?“ „An Hunger! …“ Der König gibt seinem Pferde die Sporen … Den Vicomte fröstelt. Eine große Schläfrigkeit überkommt ihn. Die Umrisse der hübschen Dämchen und Cavaliere werden immer undeutlicher, er muß mit den Augen blinzeln, um sie festzuhalten. Wie hübsch, wie anmuthig sie sind,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Die großen Umlaute ”Ue“ der Vorlage wurden der heutigen Schreibweise ”Ü“ angepasst.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_etiquette_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_etiquette_1887/100
Zitationshilfe: Schubin, Ossip: Etiquette. Eine Rococo-Arabeske. Berlin, 1887, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_etiquette_1887/100>, abgerufen am 21.11.2024.