Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 17). 1. Bd. Stuttgart, 1899.Emma erhob sich, von den beiden Herren gefolgt. Noch im Hinausgehen hörte Swoyschin, wie die Gräfin ihrer Freundin zuraunte: "Hab' ich dir's nicht gesagt - Leichen und Gräber - um etwas andres kümmert sie sich nicht!" Es gab also zwei Ginoris - eine, von der man sprach, und eine, von der man es nicht der Mühe wert fand, zu reden. Die Sache fing nun doch an, dem jungen Offizier unheimlich zu werden. Mit fast atemloser Spannung wartete er auf den Moment, wo er die zweite Ginori kennen lernen sollte. Emma ging indessen, den beiden Männern voran, die Treppe hinab. Swoyschin machte die Wahrnehmung, daß trotz ihrer großen knochigen Gestalt und ihres energischen Wesens ihr Gang sehr leicht war. Man hörte ihren Schritt kaum, auch darin erinnerte sie an die Wärterin Marie Holoubeck. Im Vestibül unten nahm sie einen großen, flachen braunen Strohhut von einem Nagel, setzte ihn, ohne einen Blick in den Spiegel zu werfen, auf den Kopf, dann schritt sie mit den beiden Herren in den Park hinaus. Die Büsche und Bäume waren noch durchsichtig, aber ein grüner Hauch schimmerte bereits über allem. Emma Ginori redete mit den jetzt neben ihr her gehenden Herren von allem möglichen, nur nicht von ihrer Schwester, und so sehr sich der Oberst auch bemühte, Emma erhob sich, von den beiden Herren gefolgt. Noch im Hinausgehen hörte Swoyschin, wie die Gräfin ihrer Freundin zuraunte: „Hab’ ich dir’s nicht gesagt – Leichen und Gräber – um etwas andres kümmert sie sich nicht!“ Es gab also zwei Ginoris – eine, von der man sprach, und eine, von der man es nicht der Mühe wert fand, zu reden. Die Sache fing nun doch an, dem jungen Offizier unheimlich zu werden. Mit fast atemloser Spannung wartete er auf den Moment, wo er die zweite Ginori kennen lernen sollte. Emma ging indessen, den beiden Männern voran, die Treppe hinab. Swoyschin machte die Wahrnehmung, daß trotz ihrer großen knochigen Gestalt und ihres energischen Wesens ihr Gang sehr leicht war. Man hörte ihren Schritt kaum, auch darin erinnerte sie an die Wärterin Marie Holoubeck. Im Vestibül unten nahm sie einen großen, flachen braunen Strohhut von einem Nagel, setzte ihn, ohne einen Blick in den Spiegel zu werfen, auf den Kopf, dann schritt sie mit den beiden Herren in den Park hinaus. Die Büsche und Bäume waren noch durchsichtig, aber ein grüner Hauch schimmerte bereits über allem. Emma Ginori redete mit den jetzt neben ihr her gehenden Herren von allem möglichen, nur nicht von ihrer Schwester, und so sehr sich der Oberst auch bemühte, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0118" n="117"/> <p>Emma erhob sich, von den beiden Herren gefolgt. Noch im Hinausgehen hörte Swoyschin, wie die Gräfin ihrer Freundin zuraunte: „Hab’ ich dir’s nicht gesagt – Leichen und Gräber – um etwas andres kümmert sie sich nicht!“</p> <p>Es gab also zwei Ginoris – eine, von der man sprach, und eine, von der man es nicht der Mühe wert fand, zu reden. Die Sache fing nun doch an, dem jungen Offizier unheimlich zu werden. Mit fast atemloser Spannung wartete er auf den Moment, wo er die zweite Ginori kennen lernen sollte.</p> <p>Emma ging indessen, den beiden Männern voran, die Treppe hinab. Swoyschin machte die Wahrnehmung, daß trotz ihrer großen knochigen Gestalt und ihres energischen Wesens ihr Gang sehr leicht war. Man hörte ihren Schritt kaum, auch darin erinnerte sie an die Wärterin Marie Holoubeck.</p> <p>Im Vestibül unten nahm sie einen großen, flachen braunen Strohhut von einem Nagel, setzte ihn, ohne einen Blick in den Spiegel zu werfen, auf den Kopf, dann schritt sie mit den beiden Herren in den Park hinaus.</p> <p>Die Büsche und Bäume waren noch durchsichtig, aber ein grüner Hauch schimmerte bereits über allem. Emma Ginori redete mit den jetzt neben ihr her gehenden Herren von allem möglichen, nur nicht von ihrer Schwester, und so sehr sich der Oberst auch bemühte, </p> </div> </body> </text> </TEI> [117/0118]
Emma erhob sich, von den beiden Herren gefolgt. Noch im Hinausgehen hörte Swoyschin, wie die Gräfin ihrer Freundin zuraunte: „Hab’ ich dir’s nicht gesagt – Leichen und Gräber – um etwas andres kümmert sie sich nicht!“
Es gab also zwei Ginoris – eine, von der man sprach, und eine, von der man es nicht der Mühe wert fand, zu reden. Die Sache fing nun doch an, dem jungen Offizier unheimlich zu werden. Mit fast atemloser Spannung wartete er auf den Moment, wo er die zweite Ginori kennen lernen sollte.
Emma ging indessen, den beiden Männern voran, die Treppe hinab. Swoyschin machte die Wahrnehmung, daß trotz ihrer großen knochigen Gestalt und ihres energischen Wesens ihr Gang sehr leicht war. Man hörte ihren Schritt kaum, auch darin erinnerte sie an die Wärterin Marie Holoubeck.
Im Vestibül unten nahm sie einen großen, flachen braunen Strohhut von einem Nagel, setzte ihn, ohne einen Blick in den Spiegel zu werfen, auf den Kopf, dann schritt sie mit den beiden Herren in den Park hinaus.
Die Büsche und Bäume waren noch durchsichtig, aber ein grüner Hauch schimmerte bereits über allem. Emma Ginori redete mit den jetzt neben ihr her gehenden Herren von allem möglichen, nur nicht von ihrer Schwester, und so sehr sich der Oberst auch bemühte,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |