Obersten. Aber Indiskretionen, die aus warmer Teilnahme entspringen, werden demjenigen, der sie begeht, immer verziehen.
"Wo wir stehen?" wiederholte Swoyschin. "Wo wir stehen? Sie weiß, daß ich sie gern habe, und es ist ihr nicht unangenehm."
"So, das ist ja immerhin recht erfreulich," meinte der Oberst, "und ein Bild haben Sie nicht von der jungen Dame?"
"Sie bekommen doch alles aus mir heraus," scherzte Swoyschin. "Nun, bei Ihnen werden meine kleinen Geheimnisse gut aufgehoben sein. Eigentlich freu' ich mich, mit Ihnen von Annie reden zu können. Da, Herr Oberst!" Er zog ein kleines Etui aus der Tasche, öffnete es und reichte es dem alten Freund.
"Also das ist sie! Der Oberst versenkte sich in die Betrachtung der jungen Schönheit. Eigentlich war die Bezeichnung falsch, von einer sogenannten Schönheit konnte gar nicht die Rede sein. Eine niedrige Stirn, von der das volle, krause Haar einfach zurückgestrichen war, ein gerades Stumpfnäschen, ein etwas großer, aber hübscher, zugleich gutmütiger und charaktervoller Mund, zwei wundervolle Augen.
Herzig, reizend, das war die Kleine im vollsten Maße, aber das, was man so gewöhnlich eine Schönheit nennt, nicht. Vielleicht gerade darum, weil sie nämlich gar nicht das war, was man so recht eigentlich
Obersten. Aber Indiskretionen, die aus warmer Teilnahme entspringen, werden demjenigen, der sie begeht, immer verziehen.
„Wo wir stehen?“ wiederholte Swoyschin. „Wo wir stehen? Sie weiß, daß ich sie gern habe, und es ist ihr nicht unangenehm.“
„So, das ist ja immerhin recht erfreulich,“ meinte der Oberst, „und ein Bild haben Sie nicht von der jungen Dame?“
„Sie bekommen doch alles aus mir heraus,“ scherzte Swoyschin. „Nun, bei Ihnen werden meine kleinen Geheimnisse gut aufgehoben sein. Eigentlich freu’ ich mich, mit Ihnen von Annie reden zu können. Da, Herr Oberst!“ Er zog ein kleines Etui aus der Tasche, öffnete es und reichte es dem alten Freund.
„Also das ist sie! Der Oberst versenkte sich in die Betrachtung der jungen Schönheit. Eigentlich war die Bezeichnung falsch, von einer sogenannten Schönheit konnte gar nicht die Rede sein. Eine niedrige Stirn, von der das volle, krause Haar einfach zurückgestrichen war, ein gerades Stumpfnäschen, ein etwas großer, aber hübscher, zugleich gutmütiger und charaktervoller Mund, zwei wundervolle Augen.
Herzig, reizend, das war die Kleine im vollsten Maße, aber das, was man so gewöhnlich eine Schönheit nennt, nicht. Vielleicht gerade darum, weil sie nämlich gar nicht das war, was man so recht eigentlich
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Obersten. Aber Indiskretionen, die aus warmer Teilnahme entspringen, werden demjenigen, der sie begeht, immer verziehen.</p><p>„Wo wir stehen?“ wiederholte Swoyschin. „Wo wir stehen? Sie weiß, daß ich sie gern habe, und es ist ihr nicht unangenehm.“</p><p>„So, das ist ja immerhin recht erfreulich,“ meinte der Oberst, „und ein Bild haben Sie nicht von der jungen Dame?“</p><p>„Sie bekommen doch alles aus mir heraus,“ scherzte Swoyschin. „Nun, bei Ihnen werden meine kleinen Geheimnisse gut aufgehoben sein. Eigentlich freu’ ich mich, mit Ihnen von Annie reden zu können. Da, Herr Oberst!“ Er zog ein kleines Etui aus der Tasche, öffnete es und reichte es dem alten Freund.</p><p>„Also das ist sie! Der Oberst versenkte sich in die Betrachtung der jungen Schönheit. Eigentlich war die Bezeichnung falsch, von einer sogenannten Schönheit konnte gar nicht die Rede sein. Eine niedrige Stirn, von der das volle, krause Haar einfach zurückgestrichen war, ein gerades Stumpfnäschen, ein etwas großer, aber hübscher, zugleich gutmütiger und charaktervoller Mund, zwei wundervolle Augen.</p><p>Herzig, reizend, das war die Kleine im vollsten Maße, aber das, was man so gewöhnlich eine Schönheit nennt, nicht. Vielleicht gerade darum, weil sie nämlich gar nicht das war, was man so recht eigentlich
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Obersten. Aber Indiskretionen, die aus warmer Teilnahme entspringen, werden demjenigen, der sie begeht, immer verziehen.
„Wo wir stehen?“ wiederholte Swoyschin. „Wo wir stehen? Sie weiß, daß ich sie gern habe, und es ist ihr nicht unangenehm.“
„So, das ist ja immerhin recht erfreulich,“ meinte der Oberst, „und ein Bild haben Sie nicht von der jungen Dame?“
„Sie bekommen doch alles aus mir heraus,“ scherzte Swoyschin. „Nun, bei Ihnen werden meine kleinen Geheimnisse gut aufgehoben sein. Eigentlich freu’ ich mich, mit Ihnen von Annie reden zu können. Da, Herr Oberst!“ Er zog ein kleines Etui aus der Tasche, öffnete es und reichte es dem alten Freund.
„Also das ist sie! Der Oberst versenkte sich in die Betrachtung der jungen Schönheit. Eigentlich war die Bezeichnung falsch, von einer sogenannten Schönheit konnte gar nicht die Rede sein. Eine niedrige Stirn, von der das volle, krause Haar einfach zurückgestrichen war, ein gerades Stumpfnäschen, ein etwas großer, aber hübscher, zugleich gutmütiger und charaktervoller Mund, zwei wundervolle Augen.
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Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 17). 1. Bd. Stuttgart, 1899, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber01_1899/91>, abgerufen am 01.03.2025.
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