Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 18). 2. Bd. Stuttgart, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

So fügten sich denn die beiden in ihr Schicksal mit so viel Gleichmut, als sie gerade bei der Hand hatten, ließen auf die unorthodox vorausverzehrten Kuchen noch ein paar kräftigere Speisen folgen und begaben sich dann gemeinschaftlich auf einen Spaziergang durch die Stadt, um in alten Reminiscenzen zu schwelgen.

Das arme Städtchen hatte entsetzlich durch die Verheerungen des Wassers gelitten. Wenn auch der obere, um die Bahnstation und Kirche erbaute Teil verschont geblieben war, so zeigten sich im Gegenteil die tiefer gelegenen Straßen gänzlich überschwemmt, so daß nur die Dächer der Häuser herausragten.

Wo der Feldmarschalllieutenant und Bärenburg auf der Straße hinhorchten, hörten sie Schauergeschichten. Vor allen Hütten saßen Menschen, Frauen, Männer und Kinder, die nicht hingehörten, und die offenbar eilig ausquartiert, irgendwo hatten untergebracht werden müssen. Die Stuben hatten sich als zu eng erwiesen für die massenhaft hineingestopften Menschen, und da der Tag warm und sonnig war, saßen die Überschwemmten draußen auf Stühlen und Bänken, auch auf der Erde, die Männer rauchend, die Weiber mit einer Flickarbeit oder mit ihren Kindern beschäftigt, alle mit dem zufriedenen Ausdruck von Leuten, die, eben erst von einer überstandenen Angst aufatmend, noch nicht Kräfte genug gesammelt

So fügten sich denn die beiden in ihr Schicksal mit so viel Gleichmut, als sie gerade bei der Hand hatten, ließen auf die unorthodox vorausverzehrten Kuchen noch ein paar kräftigere Speisen folgen und begaben sich dann gemeinschaftlich auf einen Spaziergang durch die Stadt, um in alten Reminiscenzen zu schwelgen.

Das arme Städtchen hatte entsetzlich durch die Verheerungen des Wassers gelitten. Wenn auch der obere, um die Bahnstation und Kirche erbaute Teil verschont geblieben war, so zeigten sich im Gegenteil die tiefer gelegenen Straßen gänzlich überschwemmt, so daß nur die Dächer der Häuser herausragten.

Wo der Feldmarschalllieutenant und Bärenburg auf der Straße hinhorchten, hörten sie Schauergeschichten. Vor allen Hütten saßen Menschen, Frauen, Männer und Kinder, die nicht hingehörten, und die offenbar eilig ausquartiert, irgendwo hatten untergebracht werden müssen. Die Stuben hatten sich als zu eng erwiesen für die massenhaft hineingestopften Menschen, und da der Tag warm und sonnig war, saßen die Überschwemmten draußen auf Stühlen und Bänken, auch auf der Erde, die Männer rauchend, die Weiber mit einer Flickarbeit oder mit ihren Kindern beschäftigt, alle mit dem zufriedenen Ausdruck von Leuten, die, eben erst von einer überstandenen Angst aufatmend, noch nicht Kräfte genug gesammelt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0139" n="139"/>
        <p>So fügten sich denn die beiden in ihr Schicksal mit so viel Gleichmut, als sie gerade bei der Hand hatten, ließen auf die unorthodox vorausverzehrten Kuchen noch ein paar kräftigere Speisen folgen und begaben sich dann gemeinschaftlich auf einen Spaziergang durch die Stadt, um in alten Reminiscenzen zu schwelgen.</p>
        <p>Das arme Städtchen hatte entsetzlich durch die Verheerungen des Wassers gelitten. Wenn auch der obere, um die Bahnstation und Kirche erbaute Teil verschont geblieben war, so zeigten sich im Gegenteil die tiefer gelegenen Straßen gänzlich überschwemmt, so daß nur die Dächer der Häuser herausragten.</p>
        <p>Wo der Feldmarschalllieutenant und Bärenburg auf der Straße hinhorchten, hörten sie Schauergeschichten. Vor allen Hütten saßen Menschen, Frauen, Männer und Kinder, die nicht hingehörten, und die offenbar eilig ausquartiert, irgendwo hatten untergebracht werden müssen. Die Stuben hatten sich als zu eng erwiesen für die massenhaft hineingestopften Menschen, und da der Tag warm und sonnig war, saßen die Überschwemmten draußen auf Stühlen und Bänken, auch auf der Erde, die Männer rauchend, die Weiber mit einer Flickarbeit oder mit ihren Kindern beschäftigt, alle mit dem zufriedenen Ausdruck von Leuten, die, eben erst von einer überstandenen Angst aufatmend, noch nicht Kräfte genug gesammelt
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0139] So fügten sich denn die beiden in ihr Schicksal mit so viel Gleichmut, als sie gerade bei der Hand hatten, ließen auf die unorthodox vorausverzehrten Kuchen noch ein paar kräftigere Speisen folgen und begaben sich dann gemeinschaftlich auf einen Spaziergang durch die Stadt, um in alten Reminiscenzen zu schwelgen. Das arme Städtchen hatte entsetzlich durch die Verheerungen des Wassers gelitten. Wenn auch der obere, um die Bahnstation und Kirche erbaute Teil verschont geblieben war, so zeigten sich im Gegenteil die tiefer gelegenen Straßen gänzlich überschwemmt, so daß nur die Dächer der Häuser herausragten. Wo der Feldmarschalllieutenant und Bärenburg auf der Straße hinhorchten, hörten sie Schauergeschichten. Vor allen Hütten saßen Menschen, Frauen, Männer und Kinder, die nicht hingehörten, und die offenbar eilig ausquartiert, irgendwo hatten untergebracht werden müssen. Die Stuben hatten sich als zu eng erwiesen für die massenhaft hineingestopften Menschen, und da der Tag warm und sonnig war, saßen die Überschwemmten draußen auf Stühlen und Bänken, auch auf der Erde, die Männer rauchend, die Weiber mit einer Flickarbeit oder mit ihren Kindern beschäftigt, alle mit dem zufriedenen Ausdruck von Leuten, die, eben erst von einer überstandenen Angst aufatmend, noch nicht Kräfte genug gesammelt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche „—“ werden als normale Gedankenstriche „–“ wiedergegeben.
  • Die Majuskelschreibweise Ae, Oe, Ue wird als Ä, Ö, Ü wiedergegeben.
  • Worttrennungen am Zeilenende werden ignoriert. Das Wort wird noch auf der gleichen Seite vervollständigt.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber02_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber02_1899/139
Zitationshilfe: Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 18). 2. Bd. Stuttgart, 1899, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber02_1899/139>, abgerufen am 23.11.2024.